Automobilgeschichte

110 Jahre Alfa Romeo (4): Mit Panther und Gazelle auf Streife

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Der 24. Juni ist für Alfa Romeo ein historisches Datum: An jenem Tag vor 110 Jahren wurde die Biscione – wie die Traditionsmarke in Italien in Anlehnung an die Schlange im Logo genannt wird – gegründet. Mit der „Storie Alfa Romeo“ wird jetzt im Internet auf die Unternehmensgeschichte zurückgeblickt. Dabei werden nicht nur die bekanntesten Modelle der Marke anhand von Archivaufnahmen aus dem Museo Storico, dem Werksmuseum im Mailänder Vorort Arese, vorgestellt. Der Blick gilt auch der Geschichte und gesellschaftlichen Entwicklung Italiens.

Die Polizei will Alfa fahren

Im Italien der Nachkriegsära wurden die Autos von Alfa Romeo schließlich zur Legende. Ihr Image als schnelle Fahrzeuge weckte auch das Interesse der „Polizia di Stato“, der italienischen Bundespolizei. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeiten waren die Modelle dort ab den 1950er-Jahren als „volanti“ (die Fliegenden) bekannt und erhielten sogar Spitznamen. Die Alfa Romeo in Diensten der Staatspolizei wurden als „pantera“ (Panther) bezeichnet, Carabinieri und Militärpolizei setzten auf „gazzelle“ (Gazellen).

Der allererste „Panther“ war ein 1952 gebauter Alfa Romeo 1900, dessen aggressive Silhouette den Spitznamen inspirierte. Die erste „Gazelle“, ein Giulietta, wurde einige Jahre später in Dienst gestellt. Das berühmteste Polizeiauto war jedoch der Giulia Super. Im Laufe der Jahrzehnte bestellte die Polizei praktisch alle Modelle von Alfa Romeo, vom Geländewagen 1900 M „Matta“ bis zu Alfasud, 75, Alfetta und 156. Heute fahren viele Gesetzeshüter die aktuelle Giulia (das Modell gehört – wie der Alfa Romeo Giuletta – zu den wenigen Autos, die bei der reinen Modellbezeichnung gerne mit weiblichem Artikel geführt werden).

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Der Alfa 1900 leitete ein neues Kapitel ein

Der von Satta Puliga designte Alfa Romeo 1900 aus dem Jahr 1950 war das erste Modell der Marke mit selbsttragender Karosserie und Linkslenkung. Die für die Marke traditionellen Sechs- und Acht-Zylinder-Motoren waren keine Option mehr. Stattdessen erhielt der Alfa Romeo 1900 einen neu entwickelten Vier-Zylinder-Reihenmotor mit Zylinderkopf aus Aluminium und zwei über Kette angetriebene Nockenwellen.

Für die Gemischaufbereitung sorgte ein Einzelvergaser, der hohe Leistung bot und eine niedrige Steuereinstufung erreichte. In seiner Urversion belief sich die Leistung auf 80 PS (59 kW). Auf das Urmodell folgten mehrere Hochleistungsvarianten. Als TI, Sprint, Super Sprint sowie Super feierte der Alfa Romeo 1900 auch internationale Erfolge im Motorsport. Diese führten zum Werbeslogan „Das Familienauto, das Rennen gewinnt“.

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Start zur Großproduktion

Der 1900 war auch das erste Modell der Marke, das die einstige Manufaktur am Fließband herstellte. Die Gesamtfertigungszeit pro Fahrzeug reduzierte sich von 240 auf 100 Stunden. Das Auto verkaufte sich öfter als alle zuvor angebotenen Baureihen zusammen. Parallel zur Fließbandproduktion arbeitete Alfa Romeo weiter mit bewährten Karosserieschmieden zusammen. So entstanden auf der Plattform des A1900 zwischen 1953 und 1955 drei Aerodynamik-Konzeptfahrzeuge mit dem Kürzel BAT (Berlinetta Aerodinamica Tecnica). BAT 5, BAT 7 und BAT 9 waren frühe Entwürfe von Franco Scaglione, zu jener Zeit in den Diensten der Carrozzeria Bertone.

Der Motor des Tipo 1900 wurde außerdem im allradangetriebenen Geländewagen Alfa Romeo 1900 M verwendet, besser bekannt als „Matta“ (Der Verrückte). Als Spähwagen AR51 (Autovettura di Recognizione) kam das Modell bei den italienischen Streitkräften zum Einsatz.

Den Weg des Unternehmens zum Massenproduzenten setzte dann die Giulietta fort. Auf der Motorshow Turin 1954 präsentierte Alfa Romeo zunächst die Coupé-Version Giulietta Sprint. Bertone hatte ein flaches, agiles und kompaktes Auto entworfen, das zweifellos das Zeug zum Klassiker hatte.

Das Coupé basierte auf der Mechanik der ein Jahr später startenden Limousine. Auf sie – die erste „Gazelle“ – vertrauten ab 1955 auch die Carabinieri. In der Sprache der Polizisten repräsentierte dieses Tier den Streifenwagenfahrer: schnell, agil und tapfer. Alfa Romeo lieferte die Fahrzeuge für den Patrouillendienst ab Werk mit Sprechfunkgerät aus.

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Auf dem Weg zum Massenhersteller

Die Giulietta war kürzer, schmaler und leichter als der Tipo 1900. Mit ihr deckte Alfa Romeo erneut ein neues Segment ab und erreichte ein jüngeres Publikum. Die viertürige Limousine bot ein modernes Design, hohen Komfort im Innenraum sowie sportliches Fahrverhalten. Der nahezu komplett aus Aluminium gefertigte 1,3-Liter-Vierzylinder leistete 65 PS (59 kW) und ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 165 km/h. Die Giulietta wurde ein Erfolg und war so begehrt, dass sie den Spitznamen „Liebling Italiens“ bekam. Insgesamt wurden mehr als 177.000 Einheiten produziert – wieder ein Rekord für Alfa Romeo.

Der Alfa Romeo Giulia sollte das noch toppen. Er war eines der ersten Fahrzeuge weltweit mit verformbarer Struktur. Die vorderen und hinteren Bereiche der Karosserie sollten bei einem Unfall Energie aufnehmen. Der Fahrgastraum war dagegen extrem steif ausgeführt, um die Insassen optimal zu schützen.

Der Motor mit 1,6 Litern Hubraum und zwei obenliegenden Nockenwellen war eine Weiterentwicklung des 1,3-Liter-Vierzylinders. Zwecks besserer Kühlung verfügte er über natriumgefüllte Auslassventile. Die niedrige Front und das steil abfallende Heck entsprachen neuesten Erkenntnissen der Aerodynamik. Die Werbung beschrieb die Giulia als „vom Wind entworfen“. Der Luftwiderstandsbeiwert betrug für die damalige Zeit niedrige 0,34. Die sportliche Limousine fand mehr als 570.000 Käufer, mehr als das Dreifache der Giulietta.

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