2008 im Visier: Abschied von der Traktionskontrolle

(adrivo.com) 2008 wird es viele Veränderungen in der Formel 1 geben. Eine davon ist das Ende einer elektronischen Fahrhilfe, die eine ganze Piloten-Generation prägte.

Schon bei den vergangenen Tests in Barcelona setzten die Teams ihre Autos im Hinblick auf die Saison 2008 ohne Traktionskontrolle ein. Die Ingenieure müssen sich dabei auf einige Änderungen einstellen, da sie die Autos in den vergangenen Jahren mithilfe dieses Systems nahezu perfekt abgestimmt hatten. Aber auch die Fahrer stehen vor einigen Änderungen: Einerseits werden sie merken, was es bedeutet, einen einfühlsamen rechten Fuß zu haben, andererseits müssen sie ihre Autos nach einem komplett neuen Ansatz abstimmen.

Die Funktionsweise

Seit sich die FIA Mitte der 90er Jahre entschloss, elektronische Fahrhilfen freizugeben, hat die Traktionskontrolle einen nicht für möglich gehaltenen Entwicklungsstand erreicht. Diese Technik ist so weit fortgeschritten, dass sie für Laien nur schwer zu verstehen ist. Grundsätzlich geht es um Folgendes: Um ein Auto so schnell wie möglich fortzubewegen, müssen die Räder einen minimalen Schlupf haben.

Unter diesen Bedingungen können sie mehr Kraft übertragen als völlig ohne oder gar mit zu viel Schlupf. Die Größenordnung des optimalen Schlupfes liegt bei etwa fünf bis sechs Prozent. Im Klartext: Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h sollten sich die Reifen mit 105 km/h drehen, um eine maximale Performance zu erreichen. Der Begriff Traktionskontrolle beschreibt dieses System am besten, da es den Schlupf nicht komplett unterbindet, sondern ihn auf den optimalen Wert regelt.

Abschied von einer State-Of-The-Art-Technologie

Die Ingenieure der Teams haben das System über Jahre hinweg so optimiert, dass es bei allen Bedingungen optimal funktioniert – egal ob es sich um Geraden, Kurven, griffigen oder rutschigen Untergrund, hohe oder niedrige Strecken- und Reifentemperaturen, viel oder wenig Abtrieb und so weiter handelt. Um das zu gewährleisten, müssen sie die Geschwindigkeit sehr exakt messen. Dies geschieht an den Vorderrädern, da diese nicht angetrieben sind und somit auch keinen Schlupf aufweisen können. Daraus leiten die Ingenieure dann die optimale Geschwindigkeit für die Hinterräder ab.

Als nächstes lassen sie das Handling, die Reifenmischung und den Grip des Streckenbelags in ihre Rechenmodelle einfließen. Mit diesen Informationen füttern sie die Motorelektronik (ECU). Die ECU kann diese Informationen so verarbeiten, dass sie für beide Hinterräder in Echtzeit den idealen Schlupf errechnen kann. Der schwierigste Teil ist dabei, die Abnutzung der Reifen perfekt vorauszusehen und zu berechnen.

Das Ergebnis dieses komplizierten Prozesses: Beim Beschleunigen lässt die Bordelektronik den Hinterrädern so lange die volle Motorleistung zukommen, bis sie erste Anzeichen von Schlupf feststellt. Und das ist schon dann der Fall, wenn sich die Hinterräder um ein Prozent schneller drehen als die Vorderräder. Die Traktionskontrolle verändert die Einstellung von Drosselklappen, Zündung und Einspritzung nach festgelegten Kennfeldern, wodurch sie einen Schlupf von maximal fünf Prozent zuließ und beibehielt.

Weisen das linke und rechte Hinterrad unterschiedlichen Schlupf auf, gleicht die Elektronik dies durch Eingriffe ins Differenzial aus. Das bedeutet, dass die Fahrer bislang am Scheitelpunkt der Kurve ohne Probleme Vollgas geben konnten, da die zu den Hinterrädern geleitete Kraft bei Beschleunigung stets für ein Maximum an Grip sorgte.

Was wird sich ändern?

Der Verzicht auf die Traktionskontrolle birgt für Fahrer und Techniker manche Herausforderung: Es muss eine direkte Verbindung zwischen dem Gaspedal und dem Drosselklappen am Motor bestehen. Daher ist es unmöglich, die abgegebene Motorleistung von außen zu beeinflussen. Das wiederum zieht einen Rattenschwanz mit sich: Zum einen werden die Fahrer auf ihren Runden ein paar Zehntel verlieren und einige werden ihr Auto nicht so gut beherrschen können wie andere.

Außerdem werden die Autos durch ihre Abstimmung im Vergleich zu 2007 deutlich mehr untersteuern, da die Teams sie auf Sicherheit abstimmen werden, um Dreher zu vermeiden. Auch der Reifenverschleiß könnte bei bestimmten Bedingungen zu Schwierigkeiten führen. Und schließlich: Ist ein Auto nicht optimal abgestimmt, wird das Fehlen der Traktionskontrolle die Probleme noch weiter vergrößern.

© adrivo Sportpresse GmbH

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