2020: Der Weg zur Elektromobilität – An einem Kabel ziehen – Standardisierung und Komfort als Knackpunkt

Bei Aral gibt es künftig nur noch Diesel, die Zapfpistolen von Shell passen nur noch in Autos von Volkswagen – kaum vorstellbar und im wahren Leben sicher Anlass zu lauten Proteststürmen. Doch während sich die Erdölkonzerne solche Sonderwege in der Realität nie leisten würden, steht die Zukunft der Elektromobilität vor genau dieser Hürde: Ladestationen und Ladekabel müssen vereinheitlicht werden, bequeme Bezahlmodelle sind auszuklügeln.

Die möglichen Probleme, mit denen Fahrer von Elektroautos konfrontiert werden, sind vielfältig. Was macht der Kunde des Stromanbieters X, wenn er in einer Region unterwegs ist, in der nur Ladestationen des Anbieters Y zu finden sind? Und wie sieht es im Auslandsurlaub aus, wenn am Ende des Ladekabels der Stecker vom Typ 2 zu finden ist, im Urlaubsland aber nur Steckdosen für Typ 3 verfügbar sind? „Heute gleicht das Laden eines  Elektroautos einem Abenteuer, besonders im Ausland“, bestätigt Audi-Vorstand Wolfgang Dürheimer.

Geht es um Ladestecker, dann stehen weltweit drei Modelle zur Auswahl. Der Typ 1 ist in Japan und den USA  gebräuchlich, Typ 2 wird in Deutschland und anderen europäischen Ländern [foto id=“471419″ size=“small“ position=“left“]favorisiert, Typ 3 ist die französische und bis vor kurzem auch italienische Lösung. Jeder dieser Typen hat seine Eigenheiten, hat Vor- und Nachteile – ist aber vor allem nicht mit den anderen Typen kompatibel.

Dass ein Land an einem bestimmten Modell festhält, hat manchmal Gründe, die bei Experten fassungsloses Kopfschütteln hervorrufen. So beharrt Frankreich nicht etwa wegen technischer Eigenschaften auf dem Typ 3. Vielmehr ist es in dem Land üblich, dass Steckdosen eine Klappe als Kindersicherung besitzen, den sogenannten Shutter. Diese Sicherung aber besaß die konkurrierende Typ2 nicht, jedenfalls nicht in seiner Urfassung.

Nun könnte man das Sicherheitsverständnis der Franzosen loben oder einfach respektieren. Seltsam wird die Sache aber dadurch, dass es längst eine Lösung gibt: Mittlerweile besitzt der Typ 2 einen Shutter, der in Ländern genutzt werden kann, die dieses Extra gewohnt sind – er funktioniert aber auch ohne. Genau dieser Umstand hat dazu geführt, dass Italien als weiteres Shutter-Land seit Ende Mai ebenfalls auf den Typ 2 als einheitlichen Ladestecker setzt. Frankreich allerdings beharrt weiter auf der eigenen Lösung.

Für Autofahrer ist dieses Hickhack ein möglicher Hemmschuh auf dem Weg zur Elektromobilität. Und nicht der einzige: Frederico Caleno vom größten italienischen Stromversorger Enel weist darauf hin, dass es nicht nur um Stecker geht. Es müsse auch gewährleistet sein muss, dass jeder E-Auto-Fahrer an jeder Ladestation seinen Wagen auftanken kann – unabhängig davon, welcher Anbieter die Station aufgestellt hat und unabhängig davon, mit wem der Fahrer selbst einen Stromvertrag abgeschlossen hat.

Wie eine Lösung dafür aussehen kann, das zeigt die Marke Intercharge unter dem Dach der Hubjekt GmbH aus Berlin. Das Projekt Intercharge ist ein Joint Venture von BMW, Daimler, Bosch, Siemens und den Energieanbietern EnBW sowie RWE. „Durch Intercharge wird das Laden für alle Nutzer von Elektrofahrzeugen einfach und überall möglich“, kündigt Hubjekt-Geschäftsführer Andreas Pfeiffer an.

Alle zu Intercharge gehörenden Ladestationen sind mit einem Logo und einem grafischen Code gekennzeichnet. Der Autofahrer verbindet den Wagen per Kabel mit der Ladestation, dann autorisiert er sich mit der Scanfunktion des Smartphones über den Code auf der Säule und beginnt den Ladevorgang. Die Abrechnung mit dem jeweiligen Vertragspartner des Fahrers geschieht automatisch.

Der Grund dafür, dass gerade das Elektroauto immer noch mit zahlreichen Unklarheiten vom Stecker bis zum Aufladen zu kämpfen hat, liegt in der Vielzahl der Beteiligten. Geht es um E-Mobilität, dann geht es laut Roland Bent, Geschäftsführer des Elektro-Spezialisten Phoenix Contact, auch [foto id=“471421″ size=“small“ position=“right“]um die Interessen grundverschiedener Gruppen, die unter einen Hut gebracht werden müssen: Von Regierungen über Energieversorger und Elektronikindustrie bis zur Kommunikations- und Autoindustrie.

Das darf aber nicht vom eigentlichen Ziel ablenken, warnt Rada Rodriguez, Deutschland-Chefin des Elektronik-Konzerns Schneider Electric: „Elektromobilität muss für den Kunden eine Image der Sicherheit haben, alles muss leicht bedienbar sein und einen erkennbaren Nutzen haben.“ Im Endeffekt gehe es darum, dass die ersten Erfahrungen mit einem E-Auto gut sein müssen, und nicht von etwaigen Normierungs- oder Handhabungsproblemen überschattet werden dürfen.

Daneben ist aber auch noch ein weiteres Problem zu lösen: Dabei geht es um das, was die Fachleute Smart Grid nennen, das intelligente Stromnetz. „Strom steht in machen Zeiten mehr als genügend zur Verfügung“, erklärt RWE-Geschäftsführer Norbert Verweyen. Zu anderen Tageszeiten dagegen sei das Netz hoch belastet. Wenn nun am Nachmittag die Menschen von der Arbeit heimkehren, Essen kochen, Fernseher und Computer einschalten und dazu noch das Auto aufladen, bestehe die Gefahr, dass die Grenzen des Netzes erreicht oder gar überschritten werden. Solchen Problemen müsse man mit neuen Lösungen begegnen, etwa mit speziellen Tarifen, die es belohnen, wenn der Ladvorgang erst in der Nacht beginnt, sobald das Netz wieder Reserven aufweist.

Einen anderen Plan zur Lösung dieses Problems verfolgen Volkswagen und der Ökostromanbieter Lichtblick. Sie wollen Elektroautos als sogenannte Schwarmbatterie einsetzen. Ist das Stromnetz stark belastet, soll etwa ein aufgeladenes Auto über eine Ladestation selbst Strom in das Netz einspeisen können – und Geld verdienen. Umgekehrt lädt die Fahrzeugbatterie dann auf, wenn Überkapazitäten bestehen und der Strom günstig ist.

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