25 Jahre Gruppe-B-Rennwagen – Pistenfeger für die Straße

Sie waren die Wildesten der Wilden unter allen Pistenfegern, die aus der Großserienproduktion stammen. Mit den legendären Gruppe-B-Rennern erlebte die Rallye-Weltmeisterschaft vor 25 Jahren ihren Leistungszenit, gleichzeitig brachten die Boliden ihre brachiale Kraft und Optik aber auch in den ganz normalen Straßenverkehr.

Die glorreichen Fünf

Denn die ultimative Supergruppe mit den wichtigsten Protagonisten Audi Sport quattro, Ford RS 200, Lancia Delta S4, MG Metro 6R4 und Peugeot 205 Turbo 16 musste [foto id=“345483″ size=“small“ position=“left“]entsprechend dem WRC-Reglement regulärer Bestandteil des Verkaufsprogramms der jeweiligen Marken sein. Dies allerdings überwiegend in raren Stückzahlen von 200 Einheiten, beste Basis für die glorreichen Fünf, um Traumnotierungen bis jenseits der 100.000-Euro-Marke auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu erzielen. Eher ein Alptraum waren die bis zu 441 kW/600 PS starken Überflieger für fast alle zeitgenössischen Straßensportwagen, die den Rallyekämpfern bei Beschleunigungs- und Driftwinkelduellen auf winkligen Straßen hoffnungslos unterlegen waren.

Eine Ära der automobilen Exzesse

Heute sind sogar Leistungsträger mit Sportabzeichen wie AMG, M, RC, RS oder OPC oft eher unauffällig gezeichnete Pistenhaie, die ihre Kraft dezent auf die Straße bringen.[foto id=“345484″ size=“small“ position=“left“] Vor einem Vierteljahrhundert war so etwas kaum vorstellbar. Die 80er Jahre waren trotz aller Diskussionen über das Waldsterben und die Stillegung von Kernkraftwerken fast schon eine Ära der automobilen Exzesse, zumindest was die Entwicklung von Leistung, Flügeln und Schwellern sportlicher Großserienmodelle betraf. Vorbild waren die Königsklassen des Motorsports: Formel-1-Turbo-Triebwerke sollten damals an der 1.500-PS-Marke kratzen, Le-Mans-Rennwagen die 400-km/h-Schallmauer durchbrechen und schneller gemachte Flügelmonster-Tourenwagen bei Bodenkontakt spektakuläre Flammen und Funken werfen.

Gruppe-B-Autos

In der Rallye-WM lag es nach einer Reform des Reglements an den überschnellen Gruppe-B-Autos mit extremen Leistungen wie etwa Sprints in unter drei Sekunden auf [foto id=“345485″ size=“small“ position=“left“]Tempo 100, aber auch mit infernalischem Sound für Furore zu sorgen und Fans sowie finanzstarke Sponsoren zu fesseln. Eine Strategie, die vorübergehend aufging, bis die übermotorisierten, teils kaum beherrschbaren Geschosse entlang der wenig gesicherten Strecken in eine Serie fatale Unfälle verwickelt wurden und sich damit selbst abschossen. Nur fünf Jahre nach Einführung des FISA (Féderation International du Sport Automobile)-Reglements zur Gruppe B war am 1. Januar 1987 schon wieder Schluss mit der von Turbos und Kompressoren aufgeladenen Supergruppe, die auch durch Top-Piloten wie Walter Röhrl, Marko Alen, Stig Blomqvist und Hannu Mikkola so viele begeisterte Zuschauer anzog wie keine Rallye-Serie zuvor.

Zu gefährlich

Besonders in Südeuropa war der Enthusiasmus der Fans so hemmungslos, dass sie den allradangetriebenen und dennoch kaum zu bändigenden Boliden auf der Strecke zu nahe kamen. Mit katastrophalem Ausgang bei der Rallye Portugal 1986: Der Unfall eines WRC-Racers endete für mehrere Zuschauer tödlich. Wenige Wochen später wurde [foto id=“345486″ size=“small“ position=“left“]Rallye-Ass Henri Toivonen tödlich verletzt als er bei der Korsika-Rallye mit seinem Lancia Delta S4 einen Abhang hinunterstürzte. Die Unfälle und ein nach oben offener Leistungswettlauf schienen der FISA endgültig zu gefährlich.

Peugeot 205 Turbo 16

Während es auf den Rallyestrecken 1987 mit entschärften Versionen oder Neukonstruktionen der Sportler weiterging, avancierten die zivilen Homologationsauflagen der Hochleistungsathleten nicht nur zu gesuchten Sammlermodellen, sondern auch zu Imageträgern für die jeweiligen Marken: so der Peugeot 205 Turbo 16 als erfolgreichster Gruppe-B-Bolide. Der Rallye-Markenweltmeister der Jahre 1985 und 1986 war vom Peugeot-Motorsportchef Jean Todt als kompromissloser Mittelmotor-Rennwagen mit Allradantrieb, Gitterrohrrahmen und Kunststoffkarosserie in Auftrag gegeben worden. Der aufgeladene 16-Ventil-Motor entwickelte 177 kW/240 PS in der Serien- und rund 235 kW/320 PS in der Rennversion – dies entsprach einem Leistungsgewicht von weniger als 3 Kilogramm pro PS. Bereits die Serienversion sprintete in unter 6 Sekunden auf Tempo 100. Wer den damals 94.400 Mark teuren Straßenflitzer auf Asphalt bewegen wollte, tat gut daran, die Drehzahl oberhalb von 4.000 Touren zu halten, denn nur in diesem Bereich [foto id=“345487″ size=“small“ position=“left“]spie das Turboaggregat sein Leistungsfeuer. Bereits der Sound konnte süchtig machen – ganz so  wie beim italienischen Mittelmotor-Stürmer Lancia Delta S4 mit 184 kW/250 PS in der Straßenversion und 353 kW/480 PS als Rallyeauto der Gruppe B.  

Lancia Delta S4

Mit insgesamt 15 Siegen schon in der ersten Saison entwickelte sich der Delta S4 zum Überflieger in der Rallye-EM und -WM und auf Piste wie Straße zum härtesten Rivalen des Peugeot 205 Turbo 16. Gekrönt werden sollte das Delta-Programm 1987 durch den Delta ECV mit einem Chassis aus Karbon-Verbundmaterial und bis zu 441 kW/600 PS Leistung – doch da kam unvermittelt das Aus für die Rallye-Gruppe B.  

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MG Metro 6R4

Entsprechend kurz war auch die Karriere des einzigen überstarken WRC-Autos ohne Turbolader: Der fast schon bizarr gezeichnete MG Metro 6R4 des [foto id=“345489″ size=“small“ position=“left“]Austin-Rover-Motorsport-Teams  sollte mit einem bis 9.000 Touren drehenden 3,0-Liter-V6 und Leistungswerten von 186 kW/253 PS in der Straßenversion sowie 396 kW/416 PS in der Sportversion an die einstigen Erfolge des Mini Cooper bei der Rallye Monte Carlo anknüpfen. Gleichzeitig sollte der 6R4 dem im Verkauf dahindümpelnden Kleinwagen Austin/MG Metro einen Imageschub bringen. Ein Vorhaben, das kaum von Erfolg gekrönt war. Auf den WRC-Pisten fehlte es dem Engländer an Triumphfahrten und im zivilen Straßeneinsatz schien er fortwährend nach Matsch- und Staubstrecken zu verlangen. Umso erfolgreicher war der Metro ab 1987 bei europäischen Rallyecross-Serien, weshalb heute perfekt erhaltene Exemplare zu Preisen von 50.000 bis 80.000 Euro den Besitzer wechseln.      

Audi Sport quattro

Noch teurer wird derzeit der Audi Sport quattro gehandelt. Bis zu 120.000 Euro erzielen gepflegte Exemplare des Rallye-Biests. Der Supersportwagen mit kurzem [foto id=“345490″ size=“small“ position=“left“]Radstand trat 1984 die Nachfolge des vier Jahre zuvor lancierten Rallye-Seriensiegers quattro an. Allerdings konnte er sich in der WM gegen die Peugeot und Lancia nur selten durchsetzen. Ganz anders auf der Straße. Als einziges Gruppe-B-Auto glänzte der Sport quattro hier mit Alltagstauglichkeit. Vom konventionellen quattro-Coupés unterschied sich der Sportler vor allem durch den von 2,52 auf 2,20 Meter verkürzten Radstand, das entsprechend minimale Platzangebot im Fond, die Porsche-917-Bremsen und die weit potenteren Maschinen mit Werten von 225 kW/306 PS bis 331 kW/450 PS. Seinen vielleicht größten Triumph erzielte der Audi Sport quattro S1 1987 beim legendären Pikes-Peak-Bergrennen: Hier schlug Walter Röhrl den Erzrivalen Ari Vatanen auf Peugeot 205 T16.

Ford RS 200

Der bis dahin schnellste und teuerste europäische Ford war bis 1986 ebenfalls für die Gruppe B entwickelt worden. Allerdings kam der allradangetriebene [foto id=“345491″ size=“small“ position=“left“]Mittelmotor-Supersportwagen RS 200 für diese Rallyeserie fast zu spät. So entwickelte sich die auf 200 Einheiten limitierte Serienversion des vom italienischen Designer Ghia gezeichneten Coupés zum exklusiven Straßenfeger. 175.000 Mark kostete der Ford mit Karosserie aus kohlenstoff- und aramidfaserverstärktem Harz damals. Dafür erhielten die Käufer mindestens 168 kW/230 PS Leistung und 240 km/h Vmax sowie den Sprint von Null auf Tempo 100 in unter 5 Sekunden. Einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde erzielte Stig Blomqvist auf einer 441 kW/600 PS freisetzenden Evo-Version: Nach 3,07 Sekunden passierte der RS 200E die 100-km/h-Grenze.

Helden des automobilen Alltags

Neben den legendären Superstars brachte das Gruppe-B-Reglement aber auch eine Reihe an Helden des automobilen Alltags hervor. Coupés wie Mazda RX-7, Opel Manta und Toyota Celica erzielten weit mehr als Achtungserfolge. Der Kreiskolbenmotor-Bestseller RX-7 wurde von Mazda Europa 1984 zum WRC-Boliden aufgerüstet, die markanten [foto id=“345492″ size=“small“ position=“left“]Klappscheinwerfer versteckten sich hinter einer Batterie an Zusatzscheinwerfern und der Zweischeiben-Wankel zauberte zusätzliche Leistung an die vier angetriebenen Räder. Genügend Power, um bei der Akropolis-Rallye 1985 den dritten Rang zu belegen und den Abverkauf der zivilen, ersten RX-7-Generation zu unterstützen.

Ähnlich erging es Opel mit dem 1985 bereits zehn Jahre alten Manta, von dem 245 Einheiten nach Gruppe-B-Reglement ausgerüstet wurden. Unter der Bezeichnung Manta 400 hatte das Kult-Coupé spektakuläre Auftritte auf den Rallyepisten, aber auch als straßentaugliche Hochleistungsversion. Dagegen war der Toyota Celica TCT eine Weiterentwicklung der früheren Gruppe-4-Variante, die im neuen Reglement Sensationserfolge erzielte mit Siegen bei den härtesten Rallyes der Welt, der Safari 1985 und 1986 sowie der Rallye Elfenbeinküste. Dennoch sollten Toyotas beste Celica-Jahre erst später kommen, sowohl im Großserienabsatz als auch im Rallyesport. Nicht so für viele Sportfans: Für sie waren die wilden Autos der Jahre 1985 und 1986 der ultimative Leistungshöhepunkt auf Strecke und Straße.  

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Modellhistorie

Ausgewählte Produktionszahlen
Audi Sport quattro: 224 Einheiten
Ford RS 200, Lancia Delta S4, Mazda RX-7, MG Metro 6R4, Opel Manta 400 und Toyota Celica TCT: 200 Einheiten minimal
Opel Manta 400: 245 Einheiten
Peugeot 205 Turbo 16: 200 Einheiten, davon 15 in Deutschland
Ausgewählte Motoren
Audi Sport quattro mit 2,1-Liter-Fünfzylinder-Benziner mit 225 kW/306 PS bzw. 331 kW/450 PS
Ford RS 200 mit 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 168 kW/230 PS (Straßenversion) bzw. 279 kW/374 PS (Rallyeversion) Leistung; 2,1-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 485 kW/650 PS Leistung (Rallyecrossversion) bzw. 441 kW/600 PS (RS 200 E)
Lancia Delta S4 mit 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 184 kW/250 PS bzw. 294 kW/400 PS bzw. 353 kW/480 PS
MG Metro 6R4 mit 3,0-Liter-V6-Benziner mit 186 kW/253 PS bzw. 306 kW/416 PS
Peugeot 205 Turbo 16 mit 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner mit 177 kW/240 PS bzw. 235 kW/320 PS
Preisbeispiele Straßenversionen
Audi Sport quattro: ab 203.850 Mark
Ford RS 200: ab 175.000 Mark
Peugeot 205 Turbo 16: ab 94.400 Mark
Modellgeschichte
1982: Einführung des Gruppe-B-Reglements für die Rallye-Weltmeisterschaft. Zur Homologation müssen mindestens 200 Fahrzeuge produziert werden
1983: Im März werden Opel Manta 400 und Toyota Celica TCT als Gruppe-B-Fahrzeuge zugelassen
1984: Im Februar präsentiert Mazda den homologierten RX-7 4×4. Vorstellung des Mittelmotor-Coupés Ford RS 200. Der Audi Sport quattro S1 erhält im Mai die Homologation für die WRC-Serie. Einen Monat vorher geht der Peugeot 205 Turbo 16 an den Start
1985: Im November beginnt der Lancia Delta S4 seine Rallye-Karriere, ebenso wie der MG Metro 6R4. Peugeot erringt die Rallye-Markenweltmeisterschaft
1986: Im Februar wird der Ford RS 200 für die WRC homologiert. Nach tödlichen Unfällen endet das Gruppe-B-Reglement am 31. Dezember. Erneuter Gewinn der Rallye-Markenweltmeisterschaft für Peugeot
1987: Die Gruppe-B-Fahrzeuge werden bei Bergrennen und Rallyecross-Meisterschaften weiter eingesetzt. Die raren Straßenfahrzeuge erzielen rasche Wertsteigerungen

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