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VW
Solide – denkt man an den VW Passat ist das ein Wort, das einem gleich in den Sinn kommt. Dann noch praktisch und vielleicht auch spießig. Begriffe wie „Konzernretter“ oder „Designklassiker“ wollen auch bei längerem Nachdenken nicht so recht zur Wolfsburger Mittelklasse passen. „Damit ist doch der Golf gemeint!“, mag mancher ausrufen. „Der kam doch ein Jahr später auf den Markt!“, rufen wir zurück. Denn im Juli vor 40 Jahren debütierte der Passat. Und auf den passen die Begriffe eigentlich auch. Ein bisschen.
Anfang der 70er Jahre steckt Volkswagen in der Krise. Zu viel Käfer-Monokultur, zu stures Beharren auf den luftgekühlten Heckmotor. Mit den bisherigen Modellen ist kein Staat zu machen, dringend muss etwas Frisches her, zu teuer darf es aber nicht sein. Die Idee: Durch die Übernahme von Plattform und Aufbau des ein Jahr zuvor [foto id=“476368″ size=“small“ position=“left“]erschienenen Audi 80 bleiben die Produktionskosten niedrig. Nur die Hinterachse muss angepasst werden, denn den Passat soll es auch als Variant geben.
Wassergekühlt und frontgetrieben ist das Modell B1, das 1973 auf den Markt kommt. Das Design des Schräghecks hat kein geringerer angepasst als Giorgetto Giugiaro – der Designvater des Golf, ebenfalls Schrägheck. Klingelt es? Der Passat B1 wird ein Erfolgsmodell. Ein Jahr nach dem Start fährt er bereits an die Spitze der Zulassungsstatistik. Ein verkannter Klassiker ist der Passat also allemal. Zum 40. Geburtstag gingen wir mit einem noch fast ganz originalen Passat der ersten Baureihe auf Zeitreise.
Überhaupt ein noch fahrendes Exemplar zu finden, ist nicht so einfach, es gibt nicht mehr viele Passat B1 auf der Straße. Bei den beiden großen Internet-Gebrauchtwagenbörsen werden derzeit lediglich 31 Exemplare zum Kauf angeboten. Und das, obwohl laut VW zwischen 1973 und 1980 2,5 Millionen Modelle vom Band liefen.[foto id=“476369″ size=“small“ position=“right“]
Als Gebrauchswagen ausgelegt – VW warb mit einem großformatigen Foto und dem Spruch „Ein Bild von einem wirtschaftlichen Auto“ – waren die nach dem Passatwind benannten Wagen keine Liebhaberstücke, sondern wurden schlicht und ergreifend aufgefahren.
Dass unser Exemplar aus dem Jahr 1974 eine Ausnahme ist – bis auf kleine Schweißarbeiten am bekanntlich sehr empfindlichen Ur-Passat-Blech und weitere Lebenserhaltungsmaßnahmen ist der B1 noch original – liegt deshalb sicherlich an dem quasi nicht ganz bestimmungsgemäßen Gebrauch: Die 100.000 Kilometer-Marke riss der moosgrüne Oldie erst mit Mitte 30 – das sind keine 3.000 Kilometer Jahresfahrleistung.
Er hat Glück gehabt. Ob sich der Käufer, der sich mit 69 Jahren für knapp 10.000 Mark den flotten Neuwagen gönnte, von den damals äußerst positiven Berichten der [foto id=“476370″ size=“small“ position=“left“]Autotester beeindrucken ließ, ist nicht überliefert. Der Wagen blieb jedenfalls etwas länger im Familienbesitz und wird seit dem Verkauf an die dritte Hand nur noch bei Sonnenschein gefahren.
Genau aus diesem Grund zeigt sich die erste Tücke schon beim Anlassen – außer dass die Batterieleuchte Startwilligkeit anzeigt und der 1,3-Liter-Benziner heiser röchelt, passiert nämlich nichts. Die nächsten 30 Sekunden sind ein bisschen Quälerei: Zündung halten, Gaspedal treten und röcheln lassen. Dann sind die wegen der Standzeit leergedunsteten Benzinleitungen wieder feucht und der Verbrenner meldet sich kernig zum Dienst. Ein paar Minuten braucht er noch, bis er sich, Auto und Insassen nicht mehr so schüttelt, dann läuft der Motor rund.
Der Rückwärtsgang verlangt nicht nur Nachdruck, sondern auch ein bisschen feinfühliges Gefummel mit dem langstieligen Schaltstock, der diesen Namen auch wirklich verdient. Dann rastet die Schaltstufe mit einem Knacken ein. Der erste Gang taugt zum Anrollen, im zweiten wieder ein bisschen fummeln, im dritten geht es für die mickrigen 40 kW/55 PS flott nach vorne. Den B1 gab es zum Marktstart auch mit einem potenteren 1,5-Liter-Benziner (55kW/75 PS und 63 kW/85 PS), später auch als Diesel. Zwischen spätestens 70 km/h und der versprochenen Höchstgeschwindigkeit von 145 km/h, die er mit ein bisschen Anlauf tatsächlich auch erreicht, muss der vierte Gang übersetzen. Einmal warm gefahren brummt der Motor dabei laut, aber zufrieden. An das hohe Drehzahlniveau muss man sich allerdings gewöhnen.[foto id=“476371″ size=“small“ position=“right“]
Fast automatisch geht da die Hand in Richtung Radio. Da wo es sitzen sollte, stößt sie aber nur an die aufgeklebte Holzfolie. Die gehörte zur Ausstattung „L“, ebenso wie der Zigarettenanzünder oder die eckigen Scheinwerfer. Das Radio nicht.
Dafür ist der Ausblick gratis. Für findige Marketingleute von heute wäre die große Heckscheibe wohl etwas, das nach Panoramafenster klingt. Laut VW gingen75 Prozent der verkauften Passats als Schrägheck an die Kunden, wahlweise mit dem kleinen Limousinen-Kofferraumkläppchen oder der bis ans [foto id=“476372″ size=“small“ position=“left“]Dach aufschwingenden Klappe, die es ab 1975 zu kaufen gab. Nur ein Viertel der B1 wurden als Variant ausgeliefert, dementsprechend schwer ist es heute, einen als Oldie zu finden.
Wer sich für den ersten Passat interessiert, sollte ein bisschen Ausdauer bei der Suche beweisen. Viele Exemplare im unteren Preissegment sind verbastelt oder arg heruntergekommen. Die frühen B1 sind besonders rostanfällig. Ein optisches Problem haben die meisten Passat auch: einen oder mehrere Risse im schwarzen Armaturenbrett. Kaufen und am Leben erhalten ist wohl eher eine Liebhabersache: Eine eklatante Wertsteigerung ist bisher nicht in Sicht. Aber wer weiß, vielleicht erkennt ja die Klassiker-Gemeinde die verkannte Designikone ja bald?
Zweitürige, fünfsitzige Fließheck-Limousine | |
Länge: | 4,2 Meter |
Breite: | 1,6 Meter (ohne Spiegel) |
Höhe: | 1,36 Meter |
Radstand: | 2,46 Meter |
Antrieb: | 1,3-Liter Ottomotor mit 40 kW/55 PS |
maximales Drehmoment: | 92 Nm bei 2.500/min |
Vmax: | 145 km/h |
0-100: | in 17 Sekunden |
Ehemaliger Neupreis: | 9.600 Mark (1974) |
Zustand 2: 4.500 Euro |
Zustand 3: 2.200 Euro |
Zustand 4: 700 Euro |
1973: Passat B1 als Fließheck
1974: Passat B1 als Variant 1975: Das Schrägheck mit einer bis zum Dach reichenden Kofferraumklappe und umlegbaren Sitzen bestellbar 1977: Der Passat bekommt ein größeres Facelift, dabei unter anderem Kunststoff-Stoßfänger und andere Lampen 1977: Die Passat-Produktion im VW-Werk in Emden startet 1978: Der Passat bekommt einen Dieselmotor, das 1,5-Liter-Aggregat aus dem Golf 1979: Passat GLI mit dem 1,6-Liter-Einspritzmotor des Golf GTI und 81 kW/110 PS 1980: Nach 7 Jahren und 2,5 Millionen gebauten Exemplaren wird der B1 eingestellt, Nachfolger ist der B2 |
Neue Heckklappe (Fließheck): 150 Euro |
Seilzug: 50 Euro |
Scheinwerfer (1x): 100 Euro |
Dichtung für die Frontscheibe: 30 Euro |
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 29.07.2013 aktualisiert am 29.07.2013
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