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Diese Fachjury ist unerbittlich. Das vollelektrische Smart Cabrio – noch dazu mit Brabus-Tuning – ist ein beherzter kleiner Stromflitzer, aber in der Lücke zwischen einem De Tomaso Pantera GTS von 1974 und einem Ford Mustang von 1965 wird man von der Gruppe sehr junger männlicher Schüler nur kühl taxiert. Selbst die Hobbyfotografen entlang der Strecke lassen enttäuscht ihr Teleobjektiv sinken, wenn der Brabus vorbei surrt. Vor einer Wertungsprüfung fragte ein Zuschauer höflich ins Cockpit hinein: „Na, wie viel PS hat er denn?“ Er hat eine Spitzenleistung von 60 kW. Er ist leise und lokal emissionsfrei. Mag er auch nicht alle Zuschauer auf Anhieb begeistern, für ein paar Tage teilte er sich die anspruchsvollen Tagesetappen der Silvretta Classic im österreichischen Vorarlberg mit Zeugnissen der Vergangenheit und Klassikern der Zukunft.
Die Oldtimertour im Silvretta-Gebiet [foto id=“518444″ size=“small“ position=“right“]zählt zu den wenigen Rallyes bei denen nicht nur die Lieblinge von gestern ihr Bestes geben. Zum fünften Mal fand auch parallel die E-Auto Rallye Montafon statt. Immerhin waren gut 30 Fahrzeuge am Start, die durch Strom angetrieben werden. Bis auf wenige Privatfahrer wie den Besitzern eines Tesla Roadsters, eines Citroen Berlingo sowie der Mercedes B-Klasse mit Brennstoffzelle an Bord bietet die Bühne des Montafon vor dem Gipfel des über 3.000 Meter hohen Piz Buin vor allem Herstellern die Gelegenheit, die Elektroflotte werbewirksam an den Start zu schicken. Volkswagen trug sich mit dem e-Up und e-Golf ein, BMW entsandte beispielsweise die junge i-Reihe und Mercedes entbot neben dem spektakulär gelben SLS AMG Electric Drive und diversen Smart-Modellen auch die neue B-Klasse Electric Drive, die in Deutschland noch nicht auf dem Markt ist.
Zu den sympathischen Usancen der Silvretta zählt auch, dass die E-Autos nicht verschämt am Schluss leise und unbemerkt Start-Portal und -Fahne passieren mussten, sondern bunt gemischt mit Vorkriegs-Bentleys, Aston Martins, betagten Käfern und Skodas sowie vielen Porsches der unterschiedlichsten Bauart selbstbewusst in den Vordergrund rückten. Man teilt sich sogar einige Etappen wie die große Silvretta-Hochalpenstrasse, deren Kehren sich auf über 2.000 Meter hinauf schlängeln oder die Bergtour auf das Furkajoch mit rund 1.700 Metern. Wobei sich hier Vergangenheit und Zukunft [foto id=“518445″ size=“small“ position=“left“]wundersam verschränken. Hat der Pilot des Alvis Silver Eagle Special von 1936 bergauf seine Kühlertemperatur zunehmend kritisch im Blick, so beäugt man besorgt am Volant des Smart Brabus wie die ursprüngliche Start-Reichweite von 103 Kilometern Kurve um Kurve auf ein Viertel zusammenschnurrt.
Die gute Nachricht: Wo es bergauf geht, folgt auch irgendwann die Fahrt talwärts. Die Batterie rekuperiert rasch einen Teil ihrer verlorenen Energie. Zu den Besonderheiten des Smart in der Brabus-Version zählen neben der sportlich schwarz-grünen Lackierung auch die Paddles am Lenkrad. Man wählt mit ihnen keine Gänge, denn der Automatik-Smart kennt nur D wie Drive, dafür kann man mit den Wippen den Grad der Energierückgewinnung steuern. D plus optimiert die Ladestärke über die Bremskraft, bei D minus befindet sich das Fahrzeug ohne mechanische Widerstände im Segelmodus und entlastet so die Batterie. Zwei Rundanzeigen auf dem Armaturenbrett geben Auskunft darüber sowie über den Gesamtladestand der Batterie.
Für die E-Autos gab es sogar eine eigene Effizienzwertung, die souverän von einem Volkswagen LX1 gewonnen wurde. Mögen die Kids am Straßenrand auch wenig elektrisiert gewesen sein, der Smart Brabus hat erstaunlicherweise das Potenzial zu einem Reisewagen im Stil eines Gran Turismo. Dank einer ausgeklügelten Technik an den Paddles kann man Reichweiten bis zu 135 Kilometern generieren (zumal kaum Platz für die Last des Gepäcks ist). Dafür hatte man dann aber[foto id=“518446″ size=“small“ position=“right“] wenig innere Ruhe, um die Schönheiten der Landschaft ringsum und die Leistungen der Straßenbauer bei der Erschließung der Alpen zu würdigen. Durch das geöffnete Dach strömte das kräftige Parfum vergangener Automobilistentage, während der geräusch- und geruchlose Smart hart am Fahrtwind Richtung wiedergeladener Batterie segelte. Es sprach für die Geduld anderer Mitstreiter, dass sie hinter einer achtsam rollenden Kugel hinterherfuhren ohne zu hupen.
Konventionell angetriebene Teilnehmer peilten die nächste Tankstelle an, der Stromer kalkulierte Kilometer bis zur rettenden Steckdose. Ein Tankvorgang, der hier rund fünf Stunden dauern kann. Bei den Wertungsprüfungen in denen in einer bestimmten Zeit eine definierte Strecke gefahren werden muss, punktete der Smart bei der Lichtschranke mit seinen sportlich kurzen Überhängen. Viele Beifahrer in den Klassikern, die auch das Navigieren nach Roadbook übernehmen, arbeiten mit Stoppuhren. Im Smart erleichterte zwar zeitgemäß ein iPad mit programmierten Prüfungsprofilen und akustischer Ansage die Arbeit, aber verschätzen kann man sich hier genauso wie in einem kostbaren, historischen Ferrari. Ein durchaus klassenloser Verdruss.
Im Smart Fortwo Cabrio mag ein Antrieb der Zukunft montiert sein, aber dieses Modell reiht sich bereits in die Wartschleife auf den Youngtimer-Status ein. In über 20 Jahren wird es dann dafür soweit sein. Aber in wenigen Monaten steht bereits die nächste Generation an.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 08.07.2014 aktualisiert am 08.07.2014
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