Ford

50 Jahre Ford Taunus 12 M P4: Aufbruch in neue Technik

Einen großen technischen (Fort)Schritt vollzog Ford vor 50 Jahren mit dem Taunus 12 M P4. Das am 15. September 1962 präsentierte Modell wies zahlreiche neue Konstruktionsmerkmale für die Marke auf. Unter der Haube steckte ein neu entwickelter und besonders kompakter V4-Motor. Vor allem aber war der P4 der erste Ford mit Frontantrieb. Das Unternehmen war stolz darauf, dass der neue Taunus, dessen Prototypen unter dem Namen „Cardinal“ getestet wurden, keinen technischen Vorgänger hatte – und legte damals schon Wert auf Wirtschaftlichkeit. Die „12“ bezog sich auf seinen Hubraum von 1,2 Litern, das „M“ bedeutete nichts geringeres als „Meisterstück“ und „P4“ stand für das vierte Nachkriegsmodell.

Außer der Wirtschaftlichkeit gehörte beim neuen Taunus 12 M die Transportkapazität zu den wichtigsten Entwicklungskriterien. Dem Käufer sei „ein großzügiger Fahrgast- und Gepäckraum mitunter noch wichtiger als die Fahreigenschaften“, hatten damals die Marktforscher herausgefunden. Hervorragende Fahreigenschaften würden beim Stand der Technik „als selbstverständlich vorausgesetzt“.

Versuche bei Ford in den USA mit frontgetriebenen Prototypen hatten zu der Erkenntnis geführt, dass deren Fahreigenschaften „sehr wesentliche Vorteile“ aufwiesen. Schon André Citroen hatte den Traction Avant mit der Feststellung gepriesen, dass ja auch ein Pferd eine Kutsche zieht und nicht schiebt. Von heutigen Maßstäben noch weit entfernt war allerdings die Gewichtsverteilung des P4: 61 Prozent ruhten auf der Vorderachse und 39 Prozent auf der Hinterachse. Die Ingenieure durften damals jedoch stolz darauf sein. Erreicht wurde das Verteilungsverhältnis, weil der kompakte V-4-Motor vor der Vorderachse angeordnet werden konnte. Er nahm außerdem nur etwas mehr als halb soviel Platz in Anspruch, wie der bisher im 12 M eingebaute seitengesteuerte Reihenmotor, dessen Grundkonzeption auf das Jahr 1935 zurückgeht.

Bei der Entwicklung des Triebwerks hatten laut Ford über 30 Millionen amerikanische V8-Motoren „Pate gestanden“. Der P4 war ursprünglich von Ford USA für den dortigen Markt entworfen worden, um dem VW Käfer Paroli zu bieten. Doch die Amerikaner verzichteten auf eine Produktion des Motors und leiteten die Konstruktionspläne über den Atlantik an die europäischen Kollegen weiter. Der V4 leistete in der Grundversion 40 PS bei 4500 Umdrehungen in der Minute und erreichte 78 Newtonmeter Drehmoment bei 2400 U/min. Als Normverbrauch wurden 7,5 Liter pro 100 Kilometer angegeben. Für den Spurt von null auf 100 km/h benötigte der Wagen 28 Sekunden. Neben dem 40-PS-Basistriebwerk mit 1,2 Liter Hubraum gab es den V4 in zwei 1,5-Liter-Versionen mit 50 (12 M) beziehungsweise 55 PS (12 M TS), wobei Letztere zum Modelljahr 1964 durch eine stärkere 65-PS-Ausführung ersetzt wurde. Damit beschleunigte der Taunus in 17 Sekunden auf Tempo 100 und erreichte eine Dauergeschwindigkeit von 140 km/h.

Der Innenraum bot fünf Personen Platz. Die breiten Türen erlaubten nicht nur bequemes Ein- und Aussteigen, sie fielen auch „mitternachtsleise“ ins Schloss. Die Sitze waren mit einer auf die Außenfarbe abgestimmten Stoff-/Kunststoff-Kombination überzogen. Der Instrumentenbereich mit einem quer verlaufenden, bis 140 km/h reichenden Tachometerband sowie Blinker-, Öldruck-, Ladestrom- und Fernlichtanzeige lagen breit im Blickfeld des Fahrers. Durch zwei Sperrklappen vor den Vordersitzen konnte Frischluft zugeführt werden, und die Sonnenblenden waren gepolstert.

Mit acht Varianten konnte sich auch die Farbvielfalt sehen lassen, sogar eine Zwei-Ton-Lackierung gehörte zum Lieferprogramm. Hinzu kam ein üppiges Sonder-Ausstattungsprogramm. Bestellbar waren Stoßstangenhörner mit Gummipuffern, ein abwaschbarer Kunststoffhimmel, Rückfahrscheinwerfer, ein Zigarrenanzünder (nicht Zigarettenanzünder!), Armlehnen und Aschenbecher im Fond sowie elegante Weißwandreifen.

Außer dem Zweitürer stand die klassische Limousine auch in einer viertürigen Version zur Verfügung, darüber hinaus boten die Kölner eine dreitürige Kombivariante an und sogar ein Coupé aus dem P4. Hierfür nahmen sie die Limousine mit zwei Türen als Basis, verkürzten das Dach und schufen dadurch völlig neue Proportionen mit einer flach abfallenden Heckscheibe.

Weil der V4-Motor mit Getriebe, Differenzial, Antriebswelle und Kupplung eine Baueinheit bildete, ergab sich für die Passagiere ein ungewöhnlich großer Innenraum. Weder Getriebe- noch Kardantunnel schränkten im ebenen Wagenboden den Fußraum ein. Der Kofferraum bot mit 560 Liter Volumen ausreichend Platz für großes Gepäck.

„Die selbsttragende Karosserie ist für harte Beanspruchung gebaut. Sie ist dauerhaft und dröhnfrei. Der untere Teil der Karosserie erhielt einen Zinkstaubüberzug. Er verhindert vorzeitiges Rosten der von Schmutz, Nässe und Salz besonders betroffenen Karosserieteile“, verkündete Ford. Und weiter: „Die Linie des neuen Taunus 12 M ist elegant, ruhig und modern. Sie entspricht dem Geschmack unserer Zeit und unterstreicht die schnittige, lange und niedrige Form des Wagens. Kein Chrom und keine Karosserieschnörkel beeinträchtigen die klare Formgebung. Die Karosserie verdient die Prädikate ,individuell‘ und ,praktisch‘. Der Grill ist zwischen den beiden Scheinwerfern, die in den Kotflügel eingebaut sind, angeordnet. Er betont die sportliche Note des Wagens. Ovale Heckleuchten, ein überstehender Kofferraumdeckel und eine große, über die ganze Breite laufende Heckscheibe sind charakteristisch für die rückwärtige Partie des neuen 12 M.“

Ein weiteres stilprägendes Merkmal der Baureihe P4 bildete die markante „Bügelfalte“, die sich über die gesamte Seitenlinie des Fahrzeugs zog, zum Heck hin verbreiterte und schließlich in tropfenförmigen Rückleuchten mündete. Dass diese keine Blinkereinsätze in Orange aufwiesen, sondern in Rot [foto id=“420067″ size=“small“ position=“right“]aufschimmerten, ging noch auf die US-amerikanischen Wurzeln des 12 M zurück.

Dass der Ford Taunus 12 M das „M“ für „Meisterstück“ zu Recht trug, bewies er mit einer im wahrsten Wortsinn galaktischen Leistung, die ihm einen Platz in der automobilen „Hall of Fame“ einbrachte – nämlich einer sensationellen Langstreckenfahrt, die exakt der Entfernung zwischen Erde und Mond entsprach, wie es in einer Pressemitteilung vom 29. November 1963 hieß: „Der Taunus 12 M, der alle bisher existierenden Weltrekorde der Entfernung und Ausdauer gebrochen hat, brachte am Donnerstagabend, 28. November, 20 Uhr, die Distanz Erde-Mond hinter sich, die zu diesem Zeitpunkt genau 357 050 Kilometer betrug. Diese 357 050 Kilometer durchfuhr der Kölner Ford mit ein und derselben Maschine in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 105,15 km/h. Die Fahrt ging weiter. Am Freitagvormittag wurde den Männern in Miramas (eine Stadt in Frankreich in der Nähe von Marseille) klar, dass sie, wenn der Wagen so weiterliefe, niemals mehr zu ihren Weihnachtseinkäufen nach Hause kommen würden.“

So wurde der Rekordwagen mittags 12 Uhr 1 Minute und 39 Sekunden beim Kilometerstand von 358 273,8 angehalten. In 142 Tagen hatten sechs Fahrer 71 443-mal den 5,014 Kilometer langen Kurs von Miramas umkreist. Dabei stellten sie 145 Langstreckenrekorde auf. Dabei hatte es beinahe nach einem vorzeitigen Ende ausgesehen. Am 29. Oktober gegen 3 Uhr morgens war der Fahrer beim Kilometerstand von 284 275 durch die monotonen Runden eingenickt und von der Piste abgekommen, hatte sich überschlagen, war aber auf allen vier Reifen wieder auf der Strecke gelandet. Der unverletzte Fahrer schob den Havaristen aus eigener Kraft an den Kontrollpunkt – so verlangten es die strengen Bestimmungen des Automobilweltverbandes FIA, wenn das Projekt weitergehen sollte. Es ging tatsächlich weiter, wenn auch erst nach einer elfstündigen Reparatur mit bordeigenem Werkzeug – auch das eine FIA-Vorschrift. Der 12 M zog arg zerbeult, ansonsten aber ungerührt weiter seine Bahn.

Noch einmal – nun aber in Köln eher unwillkommene – Schlagzeilen zwei Jahre später. „Ford jagt den Käfer“, titelte die „Bild“-Zeitung 1965 und kündigte für das Frühjahr 1966 ein Nachfolgemodell mit 45 PS starkem 1,2-Liter- und 70 PS leistendem 1,5-Liter-Motor an. Ford dementierte heftig. „Berichte über eine Ablösung des Taunus 12 M durch ein neues Modell seien völlig unbegründet“, hieß es in einer Meldung des Frankfurter Wirtschaftsdienstes VWD vom 1. Dezember 1965. Das Fahrzeug, das sich einen festen Platz am Markt erobert habe, werde unverändert weiter gebaut werden, wurde Generaldirektor Robert G. Layton zitiert. Er wies außerdem auf den Schaden hin, der nicht nur dem Werk, sondern auch der gesamten Wirtschaft „durch die Verbreitung haltloser Gerüchte“ entstünde.

Der Nachfolger P6, um den sich die Gerüchte und eine phantasievolle Zeichnung in der „Bild“-Zeitung gerankt hatten, kam dann im September 1966 auf den Markt.

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