80 Jahre „Crosière Jaune“ – die Gelbe Kreuzfahrt

Von Gerhard Prien – Auch große Automobil-Fans und speziell Liebhaber französischer Fahrzeuge wissen oft nicht, was sich hinter dem Begriff „Crosière Jaune“ verbirgt. Die Erklärung liefert Stephan Lützenkirchen, Direktor Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Citroën Deutschland GmbH: „Im Jahr 1931 führten wagemutige Citroën-Mitarbeiter in sieben Citroën 10 CV Halbketten-Fahrzeugen die so genannte Crosière Jaune – die Gelbe Kreuzfahrt – durch. Es handelte sich um eine Fahrt quer durch den asiatischen Kontinent auf der ehemaligen Seidenstraße von Beirut nach Peking vom 4. April 1931 bis zum 12 Februar 1932“. Damit feiert diese Fahrt jetzt ihr 80-tes Jubiläum.

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Aufsehen erregende Werbung

Schon in den Jahren 1924 und 1925 unternahmen André Citroën, Besitzer der gleichnamigen Automobil-Werke, und sein Expeditionsleiter Georges-Marie Haardt eine erste Fernfahrt: Die schwarze Expedition, die Croisière Noire. Bereits 1922 durchquerten seine Raupenfahrzeuge die Sahara. Daher weiß André Citroen, dass aufsehenerregende Expeditionen eine gute Werbung für seine Fahrzeuge sind. Bestärkt durch den überwältigenden[foto id=“371055″ size=“small“ position=“left“] Erfolg der ersten Reisen planen Citroën und Haardt eine weitere Fernfahrt. Zunächst ist eine Reise an den Südpol, eine „weiße“ Expedition im Gespräch – aber dann hat Louis Audouin-Dubreuil, einer der beiden Expeditionsleiter der früheren Fahrten, eine Idee. Er will auf den Spuren Marco Polos die Seidenstraße bereisen. Eine gelbe Kreuzfahrt, die Durchquerung Asiens, steht an. Die neue Fahrt, die auch als Expédition Citroën Centre-Asie bekannt wird, soll alle früheren Fahrten in den Schatten stellen. Die beiden Initiatoren schaffen es, verschiedene Künstler und Wissenschaftler für die Fahrt zu begeistern. Darunter beispielsweise Pierre Teilhard de Chardin (Geologe und Paläontologe), den Archäologen Joseph Hackin, den Geschichtsschreiber Georges Lefèvre, den Dokumentarfilmer André Sauvage, den Naturwissenschaftler André Reymond, den Kunstmaler Alexandre Iacovleff und Dr. Maynard O. Williams von der National Geographic Society.[foto id=“371056″ size=“small“ position=“right“]

Etliche Probleme gilt es vor Fahrtantritt zu lösen, sie sind technischer, logistischer und sogar politischer Natur. Männer reisen nach China, in die Sowjetunion und nach Persien, sie kundschaften befahrbare Wege aus und legen Depots für Benzin und Vorräten an. Die ursprüngliche Planung sieht eine Fahrt mit sieben Fahrzeugen vor. Von der russischen Regierung bekommen die Organisatoren der Reise jedoch keine Durchfahrtserlaubnis. So sind sie zur Überquerung des Himalaya-Gebirge gezwungen. Zwei Teams werden gebildet, die Gruppe Pamir und die Gruppe Chine. Die Pamir-Gruppe fährt im April 1931 in Beirut los, zur gleichen Zeit startet die Gruppe Chine in Peking. Geplant ist das Zusammentreffen beider Teams in Kashgar im Himalaya-Gebirge, von dort soll es gemeinsam zurück nach Peking gehen.

Planung mit Hindernissen

Aber bereits in der Planungsphase scheitert die Expedition beinahe. Die Weltwirtschaftskrise geht auch am Citroën-Konzern nicht spurlos vorbei. Einige Ingenieure zetteln eine Intrige gegen Citroën und Haardt an.[foto id=“371057″ size=“small“ position=“left“] Sie wollen die „Vergeudung“ von Finanzmitteln durch das Prestige-Projekt stoppen. In der Firma übernimmt die Bank Lazard das Ruder. André Citroën hat keine Macht mehr in seiner eigenen Firma, George-Marie Haardt soll, die Arbeiten am Vorhaben mit sofortiger Wirkung einstellen. Aber er denkt nicht im Traum daran, das großartige Projekt aufzugeben. Im Verborgenen wird weiter gearbeitet und entwickelt. Mitte 1930 kommt der Umschwung, André Citroën kann sich der Vertreter der Lazard-Bank entledigen. Und es bedarf nur weniger Argumente von Haardt, um Citroën von der Wiederaufnahme des Projektes zu überzeugen.

So geht unter der Leitung von Georges-Marie Haardt und Louis Audouin-Dubreuil die Gruppe Pamir am 4. April 1931 von Beirut aus mit sechs Kettenfahrzeugen Citroën Kégresse Typ P17, einem Kettenfahrzeug Citroën Kégresse Typ P14 und sieben Anhängern auf die Reise. Die Gruppe Chine, unter Leitung von Victor Point, startet am 6. April von Tien Tsin aus mit sieben Kettenfahrzeugen Citroën Kégresse Typ P21 plus Anhängern, vier LKW Typ C6F und zwei Drech Motorrädern. Die Fahrzeuge P14, P17 und P21 sind Militärversionen der Halbketten-Fahrzeuge, die auch für den zivilen Einsatz gebaut werden.[foto id=“371058″ size=“small“ position=“right“]

Unter keinem guten Stern

Aber die Expedition steht unter keinem guten Stern. In Afghanistan herrschen Unruhen, die Provinz Sin Kiang ist abtrünnig geworden und die Chinesen untersagen der Expedition die Durchfahrt durch ihr Staatsgebiet. Praktisch die gesamte Reise ist von Kriegen und rebellierenden Volksgruppen überschattet. Fast unüberwindliche Hindernisse stellen sich den Expeditionsteilnehmern in den Weg, etwa die Durchquerung der Wüste Gobi. Die Erfahrungen der vergangenen Fahrten erweisen sich dabei als ausgesprochen hilfreich. Doch absolut neue Probleme und Schwierigkeiten, die sich die Mitglieder der beiden Gruppen vor Reiseantritt kaum vorstellen konnten, gilt es bei der Überquerung des Himalaya-Gebirges zu meistern. Die Bergpassagen sind extrem steil, die weichen Böden bieten den Fahrzeugen kaum Halt. Die Trampelpfade sind oft zu schmal für die Mobile, sie müssen zerlegt und kilometerweit getragen und wieder zusammengebaut werden.

[foto id=“371059″ size=“small“ position=“left“] Die extremen klimatischen Bedingungen sorgen für zusätzliche Strapazen. In der Nacht sinken die Temperaturen zeitweise auf minus 30 Grad, die Motoren laufen in den extremen Frostnächten durch, sonst würden sie einfrieren. Für die Teams werden Reparaturen und Wartungsarbeiten zur Tortur. Die beiden Gruppen treffen Anfang Oktober 1931 wieder aufeinander. Allerdings nicht, wie geplant in Kashgar, sondern in in der Taklamakan-Wüste, in Aksu. Dort hat die Gruppe Chine in der Nähe ein Lager errichtet. Vier neue Raupenfahrzeuge stehen da für die Fahrt nach Peking bereit. Die Zahl der Expeditionsteilnehmer hat sich verringert, denn einige Männer sind bereits auf dem Rückweg nach Frankreich. Sie führen die unterwegs angelegten Sammlungen und Dokumentationen mit sich.

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Überfall und Schusswechsel

Die Rückfahrt nach Peking gestaltet sich schwierig, denn kriegerische Auseinandersetzungen verhindern eine freie Fahrt. Die Expeditionsgruppe wird unter Bewachung gestellt, sie kann nur noch stark eingeschränkt agieren. Der Konvoi quält sich durch unwirtliche Landschaften. [foto id=“371061″ size=“small“ position=“right“]Ein schnelles Vorankommen ist unmöglich, immer wieder kommt es zu Zwischenfällen. Am 9. Januar 1932 überquert die Wagenkolonne das Eis des zugefrorenenen Gelben Fluss. Audouins Halbkettenfahrzeug bricht durch das Eis, die Bergung dauert einen ganzen Tag. Auf dem Weg nach Peking wird der Expeditionskonvoi überfallen und in einen Schusswechsel verwickelt. Anfang Februar erreicht die Expedition Bailingmiao und trifft dort den Pantschen-Lama, eines der beiden Oberhäupter des tibetischen Buddhismusmus. Expeditionsleiter Haardt ist krank, in quält ein ununterbrochener Husten.

Die Moral innerhalb der Truppe ist am Nullpunkt. Einige der Teilnehmer sind dem Wahnsinn nahe, alle sind völlig erschöpft. Es gelingt dem Leiter der Expedition aber immer wieder, die Männer zu motivieren und voranzutreiben. [foto id=“371062″ size=“small“ position=“left“]Das Ziel heißt Peking – und am 12. Februar 1932 ist es dann endlich – nach mehr als 12.000 Kilometern – geschafft. Die Männer haben ihren Albtraum hinter sich und kommen in eine lebendige Großstadt, in der sie schon sehnsüchtig von einigen Hundert Europäern erwartet werden. Der französische Gesandte empfängt die Expeditions-Teams mit Champagner, vom vorbereiteten Büfett ist schon nach kurzer Zeit nichts mehr übrig. Für George-Marie Haardt ist Peking jedoch nur ein Etappenziel. Bereits kurz nach der Ankunft in Peking informiert er Louis Audouin-Dubreuil über seinen Plan. Er will auf dem Seeweg nach Indochina zu gelangen und auch dieses Land bereisen.

Tod des Expeditionsleiters

Mitten in die Vorbereitungen für die Fortsetzung der Expedition platzt die Nachricht vom Tode des Expeditionsleiters. Georges-Marie Haardt stirbt am 16. März 1932, [foto id=“371063″ size=“small“ position=“right“]die Expedition befindet sich kurz vor Hongkong, an den Folgen einer schweren Lungenentzündung. Dennoch geht die Unternehmung weiter. Das Schiff mit den Fahrzeugen und den Teams trifft Mitte März 1932 in Hanoi ein. Vor den Männern liegen noch rund 1.700 – und damit die letzten – Kilometer. Genau ein Jahr, nachdem die Croisière Jaune in Beirut aufbrach, sticht der Expeditionstrupp am 4. April von der Küste Indochinas aus in See – in Richtung Frankreich. Am 29. April 1932 kehren die Teilnehmer der Reise an Bord der Félix-Roussel in ihre Heimat zurück, an Bord sind auch die sterblichen Überresten von Georges-Marie Haardt. Die Expedition Citroen Centre Asie, eines der wohl härtesten Abenteuer seiner Zeit, ist zu Ende.

Ausstellung in der Heimat

Schon Mitte Juni 1932 eröffnet im Ausstellungspalais der Citroën-Werke eine große Ausstellung, die großes Interesse in der Bevölkerung findet. Kein Wunder, denn in Frankreich berichteten vier große Tageszeitungen ständig über den Fortgang der Expedition. [foto id=“371064″ size=“small“ position=“left“]Und André Citroën drängt – nach Rückkehr der Expeditionsgruppen – auf eine rasche Ausstellung über die Fahrt. Die Weltwirtschaftkrise hat auch Frankreich erfasst, Citroën will unbedingt belegen, dass sich die enormen Ausgaben und Strapazen gelohnt haben. Obendrein gelangt die Fahrt in die französischen Kinos und wird dort zum Kassenschlager. Der offizielle Bericht zur Expedition erscheint im Juli des Jahres 1933, im Jahr 1935 folgt das Reisetagebuch von Audouin-Dubreuil.

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