Der Bremsweg wir oft unterschätzt
So dreht die bunt gemischte Truppe eine Runde nach der anderen und übt das richtige Bremsen für den Ernstfall. Der tritt zwar bei Caravans und Reisemobilen eher selten auf, denn rein statistisch gesehen sind schwere Unfälle mit Freizeitfahrzeugen selten. Aber etwas Übung kann nicht schaden, um auf Gefahrensituationen vorbereitet zu sein. Denn bei Freizeit-Fahrzeugen ist das Fahrverhalten schon etwas gewöhnungsbedürftig. Schließlich fährt es sich mit einem Wohnmobil oder mit einem Wohnwagen am Haken anders als mit dem vertrauten Pkw. Größe und Gewicht der Mobile – und der dadurch verlängerte Bremsweg – werden oft unterschätzt. Außerdem erschwert der gegenüber normalen Pkw höhere Schwerpunkt schnelles Ausweichen bei plötzlich auftretenden Hindernissen. So kann ein Reisemobil bei zu hohen Kurvengeschwindigkeiten auch eher kippen als ein normales Auto. Und im Fahrverhalten entspricht ein Wohnmobil eher einem Klein-Lkw denn einem Pkw. Mit diesem Wissen im Hinterkopf tasten wir uns bei stetig gesteigertem Tempo an den Bremsschlag heran. Übung macht auch hier den Meister.
Bevor die Instruktoren des ADAC uns mit den Fahrzeugen auf die Trainingspiste des Fahrsicherheits-Zentrums lassen, stehen diverse Trockenübungen an. Sind Sitz und Rückenlehne richtig eingestellt – passt der Abstand zum Lenkrad, wie sieht es mit der Lage des Sicherheitsgurtes aus? Da muss sich der ein oder andere von der lieb gewordenen „liegenden“ Sitzposition verabschieden. Denn bequem ist nicht gleich sicher sitzen. Also: Beine deutlich anwinkeln, die Rückenlehne in einem Winkel von etwas mehr als 90 Grad positionieren, die Handgelenke erreichen bei ausgestrecktem Arm den oberen Rand des Lenkrads. So ist es richtig, so hat man auch genügend Kraft für den Bremsschlag. Der klappt nur, wenn man „voll in die Eisen geht“. Dabei presst man sich automatisch in den Sitz. Wer dabei wegrutscht, weil der ausreichende Halt fehlt, hat beim Bremsvorgang schlechte Karten. Wir sitzen mittlerweile alle richtig, der Bremsschlag klappt immer besser. Wir trainieren mit unterschiedlichen Fahrzeugen, mit Caravan-Gespannen, mit zum Reisemobil umgebauten Vans, Kastenwagen mit Hochdach und „ausgewachsenen“ Alkoven-Wohnmobilen.
Mit den Mobilen geht es weiter zur nächsten Station. Dort geht es spektakulär zu, denn wir trainieren jetzt die schnelle Kurvenfahrt. Und damit auch das Beherrschen der schweren Fahrzeuge bei plötzlichem Ausbrechen des Mobils. Da kommt es schon mal zu ungewollten Pirouetten – und lautem Gröhlen der anderen zusehenden Trainierenden. Wenn ein Gespann zum Pendeln kommt, muss es wieder stabilisiert werden. Das geschieht durch sofortiges vom Gas gehen und kurzes, aber heftiges bremsen, wenn der Anhänger wieder hinter dem Zugfahrzeug durchschwingt. Wichtig ist es, die Lenkung dabei völlig ruhig zu halten. Eine Gespannstabilisierung wird mittlerweile von immer mehr Caravan-Herstellern angeboten, optional oder in Serie. Ein solches System erkennt bei Gespannen frühzeitig das gefürchtete Schlingern des Caravans und baut es durch gezielte Bremsen- und Motoreingriffe ab. Es ist beeindruckend zu „erfahren“, was die Systeme im Einsatz leisten. Und auch das Herantasten an den Punkt, an dem die Fahrzeuge ausbrechen, ist für den Alltagsbetrieb überaus sinnvoll.
Nächster Punkt: einparken. Hier machen sich die Abmessungen der Fahrzeuge bemerkbar. Und bei den größeren Mobile, den „Nasenbären“, die fehlende Rücksicht durch teilweise nicht vorhandene Heckfenster. Da wird Einparken dann – ohne Rückfahrkamera – schon schwierig. Der Instruktor rät: „Es ist keine Schande, wenn man den Beifahrer zum Einweisen aussteigen lässt.“ Ansonsten gilt: Stärkerer Lenkradeinschlag, dann klappt es auch mit einem größeren Bogen und der Parklücke.
Noch einen Tick kniffliger ist die anstehende Rückwärtsfahrt mit dem Wohnwagen-Gespann. Und als ob das alleine nicht schon schwierig genug wäre, geht es auch noch durch eine S-Kurve, von rot-weiß-gestreiften Pylonen gesteckt. Dabei ist es – theoretisch – recht einfach. Denn der Wohnwagen lenkt beim Einschlagen des Caravans in die entgegengesetzte Richtung. Und mit den Rückspiegeln muss man eben immer fein darauf achten, in welche Ecke nun das Heck des Wohnanhängers läuft. Theoretisch eben. Praktisch ist die Übung für (beinahe) alle Teilnehmer recht knifflig – und die Übung, für die am meisten Zeit gebraucht wird. Millimeterarbeit ist angesagt, mit hoch konzentriertem Gesicht kurbeln die Fahrer an den Lenkrädern. „Abkuppeln und zurückschieben wäre einfacher“, flucht so mancher der Teilnehmer schwitzend.
Feucht geht es bei der nächsten Trainingseinheit zu. Auf der nassen Ebene, die eine glatte Fahrbahn simuliert, wird das Bremsen geübt. Das bringt Fahrpraxis für winterliche Straßenbedingungen. Mit unvermutet aufsteigenden Wasserfontänen wird das Ausweichen vor plötzlich auftauchenden Hindernissen geübt – anfangs nicht immer zur Zufriedenheit des Instruktors.
Nach einem ereignis- und lehrreichen Tag sind sich alle Teilnehmer einig: Das Training hat etwas gebracht. Entsprechende Kurse zur sicheren Beherrschung von Reisemobil und Caravan-Gespann bieten verschiedene Automobilclubs sowie die Hersteller von Reisemobilen und Wohnwagen an. Die Preise liegen bei etwa 200 bis 400 Euro – gut investiertes Geld.
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