Bye, bye Defender

Abschied nach 68 Jahren: Im Januar verlässt der letzte Defender Solihull

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Es wird geschraubt, gebohrt, gehämmert und genietet – seit 67 Jahren. Auch heute noch kommen beim Bau des Defender im Jaguar-Land-Rover-Werk im britischen Solihull nur marginal Roboter zum Einsatz, das meiste am legendären Geländewagen ist wie seit dem 28. Juni 1948 Handarbeit. Aber nicht mehr lange: Im Januar wird die Produktion eines der letzten automobilen Dinosaurier nach dann fast 68 Jahren unwiederbringlich zu Ende gehen. Ob er möglicherweise eines Tages noch einmal auf einem fernen Kontinent wieder zum Leben erweckt wird, steht zwar im Raum, ist aber nicht entschieden. Auch in Großbritannien können Traditionen nicht ewig halten, wie man zuletzt beispielsweise am Aus der weltberühmten Doppeldecker-Busse gesehen hat, die modernen Pendants weichen mussten. Dass es der Defender, wie er seit 1990 heißt (vorher schlicht Land Rover), überhaupt bis ins Jahr 2016 schaffen würde, grenzt beinahe an ein Wunder. Immer wieder wurde in jüngster Zeit das Aus für die Automobillegende ein wenig hinausgezögert, die ihr Debüt am 30 April 1948 auf der Autoshow in Amsterdam gab. Das Problem neuer Abgasnormen ließe sich im Zweifelsfall sicher noch relativ einfach lösen. Es ist aber vor allem der strenger gewordene Fußgängerschutz, der dem Land Rover die Zukunft verbaut. Und damit er bleiben kann, was er ist, muss er sterben. Immerhin kam das automobile Relikt zuletzt noch auf eine Jahresproduktion von rund 16 000 Exemplaren. Weltweit sollen noch 66 Prozent aller jemals gebauten Land Rover (Defender) im Einsatz sein. Land Rover tut gut daran, erst einmal eine Lücke zu lassen und nicht unmittelbar einen Nachfolger zu präsentieren. Vor vier Jahren zeigte Land Rover auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt die Studie DC 100 als Vision eines künftigen Defenders. In der Fertigungshalle in Sollihull ist eine kleine „Celebration Line“ eingerichtet, ein Raum, in dem die Teilnehmer von Werksbesichtigungen die Geschichte des rollenden Urgesteins nachverfolgen können. In einer Ecke finden sich jede Menge Zettel mit Kommentaren der Besucher über ein künftiges Modell. Nicht selten steht dort sinngemäß zu lesen: Baut den Defender einfach weiter. Fans, die sich dem Unweigerlichen fügen, wollen zumindest, dass ein eventuelles Nachfolgemodell genauso robust, clever und einfach konstruiert ist.
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Einfache Konstruktion, gut im Gelände

Einfach konstruiert: Genau deshalb können auch noch fast sieben Jahrzehnten kaum Arbeitsschritte von Robotern übernommen werden. Der Land Rover wurde 1948 entwickelt und seine Konstruktion erfordert es nach wie vor, dass er auch weitestgehend so zusammengebaut wird wie in seinem Geburtsjahr. So wurde beispielsweise zwar nahezu alle zehn Jahre die Fahrzeugtür leicht verändert (zuletzt 2003 mit dem Einbau elektrischer Fensterheber), aber auch eine Tür aus diesem Jahr kann theoretisch noch an einem Land Rover der Serie II (ab 1958) passen. Die viele „Man Power“ erlaubt es außerdem, auf die vielen verschiedenen Karosserie- und Chassis-Varianten flexibel zu reagieren. Die größten Herausforderungen für die Ingenieure bei der behutsamen Weiterentwicklung waren eher Kleinigkeiten wie der Einbau einer Klimaanlage. Das Allradmodell, mit dem der damalige Nobel-Pkw-Hersteller Rover, den Willys Jeep aus den USA noch besser machen wollte, ist längst Kult. Auch beim Defender wird Deutschland dem Ruf gerecht, eine Autonation zu sein. In keinem anderen Land Europas, mit Ausnahme des Heimatmarktes Großbritannien, ist die Nachfrage zuletzt so groß gewesen wie hier. Der deutsche Importeur steht schon seit etlichen Wochen mit leeren Händen da. Wer nicht spätestens im September einen bestellt hat, kann einen neuen Defender hierzulande nur noch mit sehr viel Glück bei einem Händler finden. Den zweimillionsten in Solihull gebauten Land Rover hat das Unternehmen in dieser Woche beim traditionsreichen britischen Auktionshaus Bonhams versteigert. Das Fahrzeug war seinem neuen Besitzer aus Katar 400.000 Britische Pfund wert. Die umgerechnet 551 000 Euro Erlös führt Land Rover zwei karitativen Einrichtungen zu, die seit langem Partner der Marke sind: die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften sowie die Tierschutzorganisation „Born Free Foundation“. Das Fahrzeug zeichnet sich unter anderem durch eine in den Kotflügel gravierte Karte der Red Wharf Bay aus: In den Sand der walisischen Bucht war das Design des Klassikers vor fast sieben Jahrzehnten entworfen worden. Das in satiniertem Indus Silver lackierte Fahrzeug wird durch „No 2,000,000“-Embleme an der Karosserie, im Innenraum und an den Kopfstützen als Unikat ausgewiesen. Im Interieur findet sich außerdem eine Plakette, auf der sich alle an der Produktion beteiligten Defender-Fans mit ihrem Autogramm verewigt haben. Auch das Nummernschild „S90 HUE“ ist eine Besonderheit: Es erinnert an das erste Vorserienmodell mit dem Kennzeichen „HUE 166, das als „Huey“ eine Ikone der Land-Rover-Geschichte ist. Die Gesamtzahl von mehr als zwei Millionen Defender entstand nicht nur in Solihull. Denn der Land Rover wurde in seiner nahezu sieben Jahrzehnte langen Historie auch in anderen Ländern von Mexiko und Südafrika über die Türkei bis Indien und Australien in insgesamt 45 verschiedenen Fabriken gebaut. Dazu kommen noch einige Lizenzprodukte, von denen der spanische Santaner der bekannteste sein dürfte. Auch die ehemaligen Tempo-Werke in Hamburg montierten in den 1950er-Jahren 250 Exemplare. Mit finalen Zahlen hält sich Jaguar Land Rover bis zuletzt zurück – denn noch sind es ja ein paar Tage bis zum allerletzten Defender aus Solihull.

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