Ärgernis Effizienzlabel – Online-Kfz-Börsen nicht betroffen

Holger Zehden – Seit dem 1. Dezember 2011 gilt nun die neue Pkw-Energieverbrauchskennzeich-nungsverordnung (Pkw-EnVKV). Von nun an muss die Energieeffizienz von Neuwagen klar und farblich gekennzeichnet sein. Doch anstatt für Transparenz zu sorgen, poliert die Deutsche Automobillobby damit das Image ihrer Sprit-Fresser auf und Händler müssen die schlampige Arbeit des Gesetzgebers ausbaden. Nach aktueller Interpretation der Verordnung durch auto.de sind Online-Kfz-Börsen jedoch nicht von der Pkw-EnVKV betroffen.

Unbestimmte Rechtslage[foto id=“390441″ size=“small“ position=“right“]

Steht ein Neuwagen beim Händler auf dem Hof, muss dieser seit dem 1. Dezember 2011 über ein vorgegebenes Infoblatt verfügen, welches deutlich macht, in welche Effizienzklasse der Wagen fällt. Für das Internet gibt es aktuell jedoch keine derart klare Regelung seitens des Gesetzgebers. Bei Neuwagen-Angeboten im Netz muss die Effizienzklasse erst im „virtuellen Verkaufsraum“ kenntlich gemacht werden. Wo dieser genau beginnt, wurde bisher jedoch nie klar definiert. „Es gibt bisher keine Legaldefinition für den Virtuellen Verkaufsraum“, erklärt Fachanwalt für Verkehrsrecht Umut Schleyer aus Berlin. „Als Legaldefinition bezeichnet man die Definition eines Rechtsbegriffs durch den Gesetzgeber. Durch diese soll im Gesetzestext klargestellt werden, wie ein unbestimmter Rechtsbegriff zu verstehen ist. Beispiele aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch sind zum Beispiel: Was sind Sachen, im Sinne des Gesetzes. Oder, wie definiert man Fahrlässigkeit. Für den virtuellen Verkaufsraum wurde dies bisher versäumt“, so Schleyer weiter.

[foto id=“390443″ size=“small“ position=“left“]Über die Kennzeichnungspflicht bei Internetverkäufen wollte daher selbst das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BmWI) auf auto.de Anfrage keine Antwort geben. Stattdessen verwies man auf den Fragen und Antwortkatalog der Deutschen Energie-Agentur (dena), die durch das BmWI gefördert wird.

Aktuelle Auffassung für Internetverkäufe

Auf Grundlage der von der dena gemacht Angaben, sind wir daher aktuell der Auffassung, dass Online-Börsen wie auto.de nicht von der Kennzeichnungspflicht betroffen sind. Denn laut Fragen und Antwort Katalog der dena (Stand 01.12.2011) ist diese nur verpflichtend, wenn „ein konkretes Angebot eines Händlers oder Herstellers mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit eingestellt wird oder der Verbraucher mittels interaktiver Elemente die Möglichkeit der Inaugenscheinnahme eines nach seinen Vorstellungen konfigurierten Pkw-Modells besitzt“. Beides trifft auf auto.de nicht zu. Stattdessen handelt es sich lediglich um „unverbindliche Informationsangebote, die einer konkreten Auswahlentscheidung vorgelagert sind.“ In diesem Fall ist laut dena „eine Angabe der Effizienzklasse einschließlich der grafischen Darstellung nicht zwingend erforderlich.“ Denn für den Kauf oder die genaue Inaugenscheinnahme müssen die Händler direkt kontaktiert werden.

Dennoch ist auto.de bestrebt, die Kennzeichnung der Energieeffizienzklasse von Neuwagen in absehbarer Zeit in die Fahrzeugbörse zu integrieren. Dadurch sollen zum einen die Informationen für Kunden weiter verbessert werden, zum anderen soll damit zukünftigen Gesetzesänderung vorweg gegriffen werden.

Vorsicht vor Formfehlern

Doch auch im realen Verkaufsraum ist Vorsicht geboten. Denn das Format und Aussehen der Kennzeichnung von Effizienzklassen an Fahrzeugen ist in der Pkw-EnVKV exakt definiert. Daher bietet auto.de diese Formblätter für alle Klassen (A+ bis G) direkt als PDF zum Download an.

Formblatt Effizienzklasse A+
Formblatt Effizienzklasse A
Formblatt Effizienzklasse B
Formblatt Effizienzklasse C
Formblatt Effizienzklasse D
Formblatt Effizienzklasse E
Formblatt Effizienzklasse F
Formblatt Effizienzklasse G

Zusätzlich muss seit 1. Dezember 2011 ein Aushang am Verkaufsort deutlich sichtbar angebracht werden, der die CO2-Effizienzklassen, die Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs und der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen aller Personenkraftwagen enthält, die am Verkaufsort ausgestellt oder an diesem oder über diesen Verkaufsort zum Kauf oder Leasing angeboten werden. Des Weiteren sind Händler und Hersteller seit dem 1. Dezember 2011 dazu verpflichtet, einen einheitlichen Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch am Verkaufsort, an Kunden auf Anfrage unverzüglich und unentgeltlich auszuhändigen. Diesen Leitfaden können Sie ebenfalls hier auf auto.de herunterladen.

Augenwischerei statt Transparenz

Während nämlich Lobbyverbände wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) die Farbplakette als echten Mehrwert für den Kunden, Verbrauch und Umwelt bezeichnet, sehen viele dabei nur einen Versuch, das Image Sprit fressender Dickschiffe aus deutscher Produktion aufzupolieren. Denn anstatt den Verbraucher zu informieren verkompliziert das Pkw-Label den tatsächlichen Vergleich. Denn neben dem CO2-Ausstoß und dem Fahrzeugleergewicht rechnen Experten des Bundeswirtschaftsministeriums für jede Gewichtsklasse einen spezifischen Referenzwert ein, der auf Basis der Pkw-Neuzulassungen für 2008 ermittelt wurde.[foto id=“390444″ size=“small“ position=“right“] Damit wird ein Basis CO2-Ausstoß errechnet, von dem aus die Einteilung in die Effizienzklassen erfolgt. Als Beispiel: ein Neuwagen mit 1.500 Kilogramm – also ein Kompaktwagen wie etwa VW Golf, Ford Focus oder Opel Astra – hat als Referenzwert von 171 g CO2/km. Erreicht ein Pkw mit 1.500 kg Leergewicht genau diesen Wert, erhält er die Effizienzklasse E. Ist der CO2-Ausstoß geringer, erhält das Auto eine entsprechend bessere Einstufung. Stößt ein Fahrzeug bei gleichem Gewicht weniger als 120 g CO2/km aus, fällt es beispielsweise in Klasse A, bei weniger als 108 g CO2/km erhält es die Bestnote A+.

Aus diesem Grund schneidet ein Kleinwagen mit üppiger Sicherheitsausstattung (Beispiel Fiat 500; 140 g CO2/km, 1.005 kg Leergewicht) bei der Einstufung genauso schlecht ab wie ein mehr als doppelt so schwerer Geländewagen (z.B. Mercedes G-Klasse 295g CO2/kg, 2.590 kg): beide Klasse F. Dass die G-Klasse trotzdem bei jeder Fahrt doppelt so viel CO2 ausstößt wie der Fiat, geht dabei unter.

Heftige Kritik

Weil dadurch vornehmlich deutschen Dickschiffe profitieren steht das Energieetikett bei Umweltschützern und Importeuren heftig in der Kritik. Nach Ansicht des ADAC verwirrt es die Verbraucher, die sparsame Autos kaufen wollen. Auch den von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) versprochenen Anreiz für die Automobilindustrie, energieeffizientere[foto id=“390445″ size=“small“ position=“left“] Fahrzeuge in allen Klassen zu produzieren, ist mit der aktuellen Berechnung hinfällig. Denn um in die nächst bessere Effizienzklasse zu rutschen können die Hersteller die Fahrzeuge einfach noch schwerer machen. Extrembeispiel: Ein Leopard 2 Kampfpanzer kommt dank 62 Tonnen Gewicht trotz 410 Liter Verbrauch auf 100 km in die gleiche Effizienzklasse E wie ein VW Golf 1.4 (6,4 l/100km)

Da vor allem die Deutschen Marken besonders gewichtige Modelle verkaufen, haben Italien und Frankreich bereits Protest bei der EU eingereicht. Grund: der deutsche Energiepass verzerre den Wettbewerb auf dem Deutschen Automarkt zugunsten einheimischer Hersteller. Auch Grünen-Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin macht seinem Unmut Luft: „Die Bundesregierung ist einmal mehr vor der Automobil-Lobby eingeknickt.“ Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) spricht ebenfalls von einer „Mogelpackung“. Es gehe weniger um Klimaverträglichkeit, sondern um „die Befindlichkeit der deutschen Autoindustrie“.

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