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Alfa Romeo
Keine 60 Jahre brauchte es, um aus einem ehemaligen Formel-1-Weltmeister eine bedauernswerte Nischenmarke zu machen. Gefühlt ist die Marke fast genauso sportlich wie Porsche, doch in Deutschland ist der Absatz mit verbliebenen zwei Modellen auf weniger als die Hälfte des Vorjahresvolumens geschrumpft. Allenfalls mit Realitätsverweigerung können die Alfisti den Mythos von der stolzen Sportwagenmarke aufrechterhalten. Doch Alfa Romeo will die Wende schaffen. Das neue Coupé 4C bietet erstaunliches Potenzial dafür.
Der Alfa Romeo 4C basiert auf der Kunst des Weglassens. Pferdestärken sind nur eine wichtige Kenngröße im Sportwagenbau. Noch wichtiger ist das Gewicht, weshalb in allen Rennsport-Disziplinen vorgeschrieben wird, wie viel Kilogramm die teilnehmenden Fahrzeuge mindestens auf die Waage bringen müssen. Erreichen sie das Sollgewicht nicht, müssen sie zum Rennen zusätzliche Pfunde mit an Bord nehmen. Wer weglässt, verbessert also die Relation zwischen Masse und Antriebskraft. Nach diesem einfachen Prinzip funktioniert der neue Alfa Romeo, und das Ergebnis ist ein Spaßmacher, wie es ihn auf dem Pkw-Sektor schon lange nicht mehr gab.
„895 Kilogramm, trocken“ lautet das offizielle Statement des Herstellers. Für die Praxis bedeutet das: Sind Treibstoff, Schmiermittel und Fahrer an Bord, [foto id=“488049″ size=“small“ position=“left“]kann man unter einer Tonne bleiben. Dieser Masse stehen 177 kW / 240 PS gegenüber, zubereitet in vier turbo-beatmeten Zylindern mit zusammen 1750 Kubikzentimetern Hubraum. Dieses Volumen hat Tradition bei Alfa, schon das Modell 6C von 1929 nutzte einen Motor dieser Größe. Das bei 2100 Umdrehungen erreichbare maximale Drehmoment liegt bei 350 Newtonmetern, was nahezu dem Niveau eines Porsche Cayman S entspricht. Der Motor ist direkt hinter den Sitzen eingebaut, was zu einer Last von etwa 60 Prozent des Gesamtgewichts auf die angetriebene Hinterachse führt.
Der knapp vier Meter lange und 1,86 Meter breite 4C verlangt eine gewisse Beweglichkeit, um sich unter das 1,18 Meter niedrige Dach zu ducken. Nah am Asphalt richtet sich der Fahrer auf anschmiegsamen Sportsitzen ein. Da der 4C ausschließlich mit dem Doppelkupplungsgetriebe TCT lieferbar ist, bestimmt ein robuster Handbremshebel die Szenerie zwischen den Polstern. Die Einrichtung ist spartanisch. Handschuhfach und Mittelkonsole fehlen ebenso wie Abdeckungen für Schraubenköpfe oder klassische Rundinstrumente. Alle relevanten Informationen vermittelt ein Monitor, der je nach gewähltem Fahrmodus in[foto id=“488050″ size=“small“ position=“right“] unterschiedlichem Farbdesign erstrahlt. Zugschlaufen ersetzen herkömmliche Türgriffe, an Schwellern und Türrahmen erinnert Sichtkarbon an die Leichtigkeit des Seins.
Das Monocoque aus Verbundwerkstoff wird in Italien gebacken, die Crashzonen vorn und hinten sowie Streben und Dachhaut sind aus Aluminium, die Karosserie aus Kunststoff. Der ursprünglich aus der Giulietta QV stammende Motor erhielt einen Aluminiumblock und wurde so um 22 Kilogramm erleichtert. Doch der schmale Vierzylinder kann fauchen wie ein großer, erst recht, wenn man die optionale Sportauspuffanlage für 700 Euro extra bestellt. Das akustische Erlebnis ist vielversprechend, an das, was man auf wenigen Kilometern Rundstrecke erleben kann, kam es aber nicht heran.
Es ist Mode geworden bei Autoherstellern, ihre neuen Produkte mit „Fahrspaß pur“ zu bewerben. Hätte es jedes Mal gestimmt, müsste man nur noch grinsende Autofahrer antreffen. Jeder weiß, dass dies nicht der Fall ist. Wenn auch Alfa Romeo nun diesen Slogan verwendet, ist deshalb Skepsis angeraten. Bis zur zweiten Kurve dürfte es im Schnitt dauern, bis sie verflogen ist. Der 4C stürmt so gewaltig und unter Zurücklassung von kernigen Fanfarenstößen los, dass es eine wahre Pracht ist. Da auf eine Servolenkung verzichtet wurde, stört nichts den griffigen Kontakt zur Straße, jedem noch so geringen Einschlag folgt die gewünschte Richtungsänderung im Millisekundenbereich.
Es ist hilfreich, den Tacho im Blick zu behalten, denn unter fünf Sekunden ist im Normalfall die Hunderter-Marke passiert, willig und sensibel wartet die Fahrmaschine auf die nächsten Befehle des Piloten. Das TCT-Getriebe ist mit einem zusätzlichen Race-Modus ausgestattet, im Dynamik-Modus ist die Eingreifschwelle des ESP reduziert, so dass kontrollierte Drifts möglich werden. Obwohl leichtfüßig bis an die Grenze zur Nervosität vermittelt das Auto dem Fahrer jederzeit das Gefühl, die[foto id=“488052″ size=“small“ position=“right“] Angelegenheit voll im Griff zu haben. Die Rennflunder macht stets haargenau das, was von ihr erwartet wird, sei es bei gewagter Kurvenräuberei oder beim automatischen Herunterschalten nach kräftigem Druck aufs Bremspedal.
Die enormen Kurvengeschwindigkeiten stellen dem Lenker schon bald unerwartete Aufgaben: Nicht den 4C auf der Straße zu halten ist das Problem, sondern sich selbst aufrecht. Die Sportsitze sind zwar mit wulstigen Seitenpolsters stabilisiert, den dynamischen Möglichkeiten des Zweisitzers werden sie aber nur unvollkommen gerecht. So rassig spontan, agil, fahraktiv und unmittelbar in der Reaktion auf Gas und Bremse sind nur wenige Sportwagen dieser Leistungsklasse. Weil fast alle deutlich mehr wiegen.
Natürlich könnte man lamentieren, dass der 4C beim Anziehen der Spaß-Schraube nicht annähernd mit seiner vorgesehenen Sprit-Ration auskommt (6,8 Liter/100 km), sondern sich gern das Doppelte genehmigt. Oder man tadelt die kaum vorhandene Sicht nach hinten, die es sinnvoll erscheinen lässt, sich zum Einparken einen Einweiser mitzunehmen. Aber mal ehrlich: Da wird jahrelang gejammert, Alfa baue keine emotionalen Autos [foto id=“488053″ size=“small“ position=“left“]mehr, und wenn es dann da ist, will man es nach Vernunfts-Maßstäben messen?
Trübsal beim Kunden wird wohl weder von hohem Verbrauch noch von schlechter Sicht erzeugt, eher schon von der Verfügbarkeit des Objekts der Begierde. Mehr als 3.500 Exemplare pro Jahr gibt die Produktionskapazität nicht her, davon sind nicht mehr als 1.000 für ganz Europa vorgesehen. Im Automobilbereich hat Verknappung noch immer zu hoher Nachfrage geführt, auch der nicht gerade günstige Mindestpreis von 50.500 Euro wird daran nichts ändern. Viele von den Kunden, die dank guter Beziehungen auf der Zuteilungsliste stehen, wollen gewiss auch Ledersitze, größere Alufelgen, Karbonabdeckung an den LED-Scheinwerfern, die Lackfarbe Rosso Competitzione und den exakt für das 110-Liter-Gepäckfach designten Trolleykoffer haben wollen. Dann liegt der Preis bei 60.000 Euro. Na und? Für einen Alfa, der schon im Stand „Forza!“ schreit, ist das nicht zuviel.
Länge/Breite/Höhe (m): | 3,99/1,86/1,18 |
Motor: | Vierzylinder, Turbo-Benziner |
Hubraum: | 1742 ccm |
Leistung: | 177 kW / 240 PS bei 6000 U/min |
Maximales Drehmoment: | 350 Nm bei 2200 – 4250 U/min |
0 auf 100 km/h: | 4,5 s |
Höchstgeschwindigkeit: | 258 km/h |
Verbrauch (Schnitt nach EU-Norm): | 6,8 l |
CO2: | 157 g/km |
Abgasnorm: | Euro 6 |
Trockengewicht: | 895 kg |
Kofferraumvolumen: | 110 l |
Bereifung: | 205/45-R17 (vorne), 235/40-R18 (hinten) |
Basispreis: | 50.500 Euro |
geschrieben von auto.de/(ampnet/afb) veröffentlicht am 08.11.2013 aktualisiert am 08.11.2013
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