Alkohol und Drogen am Steuer – Schlüssel ist die Selbsterkenntnis

Rund 35.000 Menschen sterben jedes Jahr auf den Straßen Europas, davon allein ein Drittel als Folge von Alkoholeinwirkung. In Deutschland war laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes in 2009 jeder zehnte Verkehrstote Opfer eines Alkoholunfalls.

Jährlich müssen rund 100.000 Kraftfahrer ihren Führerschein wegen zuviel Promille am Steuer abgeben. Nach überhöhter Geschwindigkeit wird Trunkenheit in den Unfallstatistiken nach wie vor an zweiter Stelle geführt. Inzwischen kommen auch Drogen immer häufiger als Unfallursache dazu. Zwar sind die Zahlen dank verstärkter Bemühungen seit Jahren rückläufig, aber deswegen besteht – so die Verantwortlichen – noch kein Grund zur Entwarnung.

In einem Punkt waren sich die europäischen Experten, die kürzlich auf Einladung des Verbandes der TÜV (VdTÜV) in Den Haag beim 5. „Fit for Drive“-Kongress neueste Ergebnisse zu diesem Thema vortrugen, einig:

Bestrafung und Führerscheinentzug allein werden nicht mehr als zeitgemäßes Rezept betrachtet, um die traurige Statistik zu korrigieren oder Wiederholungstäter abzuschrecken. Genauso herrschen aber Zweifel über die Effektivität kurzzeitiger Therapieangebote für Alkoholsünder. Der Kongress bot nicht nur unterschiedlichen Ansätzen zur Prävention ein Forum, er zeigte auch, dass in den europäischen Ländern in Sachen Aufklärung und Bekämpfung von Trunkenheitsfahrten weitgehend gleiche Auffassungen herrschen. Allerdings müssen Pilotprojekte oft viele Instanzen in EU und Mitgliedsstaaten durchlaufen, ehe sie irgendwann rechtlich verbindlich umgesetzt werden können.

Ein Beispiel dafür liefern die Alkohol-Interlocks, wie sie heute in den USA und Australien und auch in Finnland und Schweden im Einsatz sind. Dabei handelt es sind fest in das Fahrzeug verbaute Atem-Alkoholmessgeräte mit Wegfahr- oder Zündsperre. Hat der Fahrer zuviel getrunken, bleibt das das Auto stehen. In Holland ist diese in Deutschland umstrittene Alkoholsperre seit 2010 Teil eines eigenen Rehabilitationsprogramms des niederländischen Verkehrsministeriums. Wie die Projektleiterin Desirée Schaap betonte, sind die Daten, die das Gerät speichert, wie auch der Alkolock selbst eine begleitende Maßnahme zu einem umfangreichen zweijährigen Betreuungsprogramm. Ziel: auch ohne die sperrende Technik nicht mehr rückfällig zu werden.

Auch in Frankreich dient, wie der Mediziner Charles Mercier-Guyon vom dortigen Verband für Verkehrssicherheit berichtete, diese Zündsperre allenfalls als Regulativ, das den Betroffenen – und andere Verkehrsteilnehmer – vor den Folgen des Alkoholgenusses schützt. Ziel ist auch hier eine differenzierte Analyse der Alkoholsündertypen, um sie dann behördlicherseits zu betreuen. Die Dauer der einzelnen Reha-Programme richtet sich nach der Schwere des Vergehens. Durch das Interlock-Programm will Frankreich die Rückfallquote um 60 bis 75 Prozent gesenkt haben. Seit März diskutiert die EU-Kommission darüber, die Alkoholtester gesamteuropäisch einzuführen.

In Deutschland, so Carina Kraus vom TÜV Nord, setzt man seit über 40 Jahren ebenfalls auf Hilfe zur Selbsthilfe bei der Bekämpfung der Trunkenheit. Beim grenzüberschreitenden Erfahrungsaustausch berichtete sie über das 1971 initiierte „LEER“-Programms, das nach Entzug des Führerscheins und der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (vulgo „Idiotentest“) wissenschaftlich begleitete Intensivkurse für die Betroffenen anbietet. Auch hier gehe es um eine Anleitung zur Einsicht und zum Umdenken.

Nicht nur Alkohol, sondern auch Drogen verändern die Wahrnehmung des Verkehrsgeschehens. Sie sind seit rund zehn Jahren immer häufiger Unfallursache. Um auch hier das Verhalten und dessen Ursachen zu verstehen, bestückte ein Forscherteam der Uni Würzburg fünf Jahre lang auffällig gewordene Drogenbenutzer mit Smartphones, um mehr über ihr Verhalten und ihre Selbsteinschätzung – auch als Autofahrer – zu lernen. Der TÜV Thüringen präsentierte beim Kongress mit „SPEED-02“ ein intensives Beurteilungs- und Gesprächsprogramm auf der Basis der MPU speziell für Cannabis-Rauschgift. Auch hier ließ sich der Erfolg an der niedrigen fünfprozentigen Rückfallquote messen – und an der hohen Zahl der Betroffenen, die schließlich ihren Führerschein wieder in Empfang nehmen konnten.

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