Porsche

Allradlenkung bei Porsche – Um die Ecke gedacht

Der Allradantrieb hat sich im Pkw längst durchgesetzt. Die Allradlenkung hingegen ist weiterhin eine Nischen-Technik. Nun versucht Porsche mit dem 911 Turbo einen neuen Anlauf.

Die Vorteile mitlenkender Hinterräder sind unbestritten: Sie erhöhen die Wendigkeit, sorgen für stabilere Kurvenlage, bieten eine Sicherheitsplus bei hohen Geschwindigkeiten und mindern zudem den Reifenverschleiß. Vor allem die drei ersten Punkte machen sie für Sportwagen besonders attraktiv. So verspricht sich auch Porsche von seiner sogenannten Hinterachslenkung vor allem mehr Fahrdynamik. Quasi als Nebeneffekt soll sich der immerhin rund 165.000 Euro teure Supersportwagen auch leichter ohne Beulen in enge Parklücken quetschen lassen.

Das Funktionsprinzip ist einfach. Anstelle der Spurlenker an der Hinterradaufhängung kommt beim 911 Turbo links und rechts ein elektromechanischer Motor zum Einsatz, der die Räder um bis zu 2,8 Grad schwenken kann. Mit bloßem Auge ist das kaum zu sehen, vom Fahrersitz aus soll der Effekt jedoch deutlich zu spüren sein. Bei Geschwindigkeiten bis 50 km/h schlagen die Hinterräder entgegen dem Lenkeinschlag an der Vorderachse ein, was den Wendekreis deutlich reduziert. Der Fachmann spricht von einer virtuellen Verkürzung des Radstandes um 25 Zentimeter. Man kann sich das grob so vorstellen wie bei einem Sattelschlepper, der um die Kurve fährt. Dadurch, dass der Anhänger dabei abknickt, rücken Vorder- und Hinterachse in der Luftlinie enger zusammen. Beim Porsche Turbo ist die Verringerung des Wendekreises beim Einparken aber nur ein Teileffekt. Stärker kommt die erhöhte Agilität bei der Fahrt in engen Kurven zum Tragen.[foto id=“465145″ size=“small“ position=“right“]

Bei höherem Tempo ab 80 km/h folgen die Hinterräder hingegen mit ihrem Einschlag der Vorderachse. Dadurch verlängert sich der Radstand beim Turbo virtuell um 50 Zentimeter und die Fliehkräfte werden minimiert – gut für Spurstabilität und schnelle Kurvenfahrten. Allein von der Hinterachslenkung verspricht sich Porsche zwei Sekunden Zeitvorteil auf der Nordschleife des Nürburgrings. Unterm Strich soll der neue Turbo mit seinen bis zu 412 kW/560 PS die Strecke in weniger als 7:30 Minuten schaffen.

Porsche ist aber längst nicht der einzige Hersteller, der auf Allradlenkung setzt. Bereits 1987 warteten die Mittelklasselimousine Mazda 626 und das Coupé Honda Prelude mit einer ähnlichen Technik auf, kurz darauf bot sie das Sportcoupé Mazda MX-6 als Option. Das System funktionierte zuverlässig, war aber teuer und wurde kaum nachgefragt. Wohl auch, weil es sich bei den japanischen Modellen nicht unbedingt um besonders sportliche Autos handelt. Zudem kam bald Konkurrenz aus einer unerwarteten Ecke. Denn ab Mitte der 90er-Jahre war mit dem elektronischen Schleuderschutz ESP plötzlich eine Technik verfügbar, die bei deutlich geringeren Kosten ähnliche Sicherheitsvorteile bot wie die Allradlenkung. Diese verschwand für die nächsten Jahre in der Schublade.

Einen neuen Anlauf gab es Mitte der 2000er-Jahre. Renault etwa bietet die Technik seit 2005 im l Coupé an, Nissan-Tochter Infiniti führte sie kurz darauf bei seinem Mittelklasse Coupé G37 ein. Auch bei BMW ist die Technik als Option für die aktuellen Modelle der 5er- und 7er-Reihe zu haben. Bis zu 1.950 Euro werden für die sogenannte Integral-Aktivlenkung fällig.

Aktuell tritt die Allradlenkung aber wieder in Konkurrenz zu einer Technik mit ähnlichen Vorteilen: dem sogenannten Torque Vectoring. Um das Auto in Kurven beweglicher zu machen wird dabei nicht die Radstellung geändert, sondern lediglich das Drehmoment variabel zwischen den Rädern einer Achse verteile. Bei Kurvenfahrten etwa wird das äußere Rad mit mehr Kraft versorgt, wodurch ein Lenkeffekt eintritt. Ähnlich wie beim ESP, nur umgekehrt, da das langsamere Rad nicht gebremst wird, sondern das schnellere mehr Kraft erhält. So dreht sich das Fahrzeug williger in die Kurve. Die Technik ist unter anderem bei Audi, Alfa Romeo und BMW zu haben.

Ob sich die Allradlenkung diesmal in der Breite durchsetzt, ist angesichts der Alternativen also zumindest ungewiss. Für besonders schnelle Fahrzeuge ist die Technik aber eine Option. Wer nicht bis zum September warten will, um sie im Porsche Turbo zu testen, kann bereits heute den Porsche GT3 fahren. Das rennstreckenoptimierte Nischenmodell verfügt bereits über die gleiche Technik.

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