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Alltagstest: BMW S 1000 R – Aggressiver Straßenkämpfer

Wer behauptet, BMW kann nur brav? Schon der Supersportler S 1000 RR ließ auch diejenigen Herzen höher schlagen, die sich optisch und akustisch vor der Eisdiele gerne aufplustern. Aus jenem Sportler haben die Münchener einen unverkleideten Streetfighter gemacht – mit breitem Lenker, kaum Verkleidung, und natürlich allen technischen Finessen, die auch den Supersportler und dessen edle Schwester HP4 auszeichnet.

Und mehr noch: Denn das aus eben jener HP4 bekannte semiaktive Fahrwerk hielt auch in die Nackte Einzug. Ist das Basismodell der S 1000 R für 12.800 Euro lediglich mit ABS und automatischer Stabilitätskontrolle ASC sowie den beiden Fahrmodi Road und Rain versehen, so liefern die beiden aufpreispflichtigen Pakete Dynamic und Dynamic Pro für 1.700 Euro zusätzlich die Traktionskontrolle DTC oder das erwähnte elektronisch verstellbare Fahrwerk DDC. Eine durchaus lohnenswerte Investition, ermöglicht es dem Fahrer doch, das Fahrwerk per Knopfdruck auf alle möglichen Fahrzustände anzupassen.[foto id=“515231″ size=“small“ position=“right“]

Wählen kann man unter „soft“, „normal“ und „hard“. Hierbei werden vorn nicht nur die Federbasis, sondern auch die Zug- und Druckstufe verstellt, während hinten lediglich Federbasis und Druckstufe angepasst werden. Das Ganze lässt sich nochmals unterteilen in Solo- und Soziusbetrieb. Was zunächst etwas kompliziert klingt, hat man nach einigen Touren schnell im Griff, und man darf getrost davon ausgehen, dass nur wenige Exemplare ohne die Zusatz-Pakete über den Ladentisch gehen werden. Zumal der Basispreis ja kein allzu tiefes Loch in die Börse reißt, und auf dem Gebrauchtmarkt wohl kaum andere Maschinen als mit Vollausstattung nachgefragt werden.

Rein optisch kann die R die Verwandtschaft zur RR kaum leugnen, doch BMW hat viel gefeilt, um die Nackte auf ihre Bestimmung als Streetfighter vorzubereiten. Auffälligste Änderung: Dem Motor wurde ein neuer Charakter anerzogen. Er leistet nominell etwa 30 PS weniger als in der RR, dafür bringt er in niedrigeren Drehzahlbereichen mehr Power. Er dreht deshalb weniger und riegelt bereits bei 11.900 Touren ab. Damit schafft man etwa 260 km/h Topspeed, was vollkommen ausreicht – auf einer Unverkleideten möchte man eigentlich auch nicht schneller fahren.[foto id=“515232″ size=“small“ position=“left“]

In der Praxis entwickelt die S 1000 R enorme Kräfte im mittleren Drehzahlbereich, die gegebenenfalls von der Elektronik kanalisiert werden. Unterstützt werden sie von einer etwas kürzeren Übersetzung und dem perfekt arbeitenden Getriebe mit dem wunderbaren Schaltautomat, der beim Hochschalten das Ziehen der recht festen Kupplung überflüssig macht.

Die Aufmerksamkeit der Umwelt erringt man indes akustisch. Denn der aggressive Motorsound ist – auch mit Serienauspuff – spürbar lauter als bei der RR, klingt herausfordernd und für BMW-Verhältnisse schon frech. Im Schiebebetrieb vor der Kurve brabbelt der Motor-Auspuff-Verbund zudem wild vor sich hin, und man muss wirklich manchmal auf das Emblem schauen, um sich zu vergewissern, dass man tatsächlich auf einer BMW sitzt. Unglaublich, was die Hersteller alles durch die Homologation bekommen.

Die Kurven, auf die man so zubrabbelt, bereiten dank der vielen Technik, vor allem aber durch die Ausgewogenheit des Fahrwerks, der effektiv zupackenden Bremsen (aus der RR) und den Pirelli Diablo Rosso Corsa wenig Probleme. Die R lässt sich handlich auf Linie bringen, der sie gnadenlos exakt folgt, bevor das Zucken der rechten Hand wieder für den enormen Vortrieb sorgt, der hinter den 160 PS lauert. Die aufrechte Sitzhaltung und der breite Lenker begünstigen die exzellente Steuerbarkeit der Münchnerin; das semiaktive Fahrwerk sorgt dafür, dass man den Straßenverhältnissen stets optimal angepasst ist.[foto id=“515233″ size=“small“ position=“right“]

Im Vergleich zur RR neu gezeichnet wurden die Armaturen, die nun auch eine Tankanzeige beinhalten und auch sonst alle wichtigen Informationen liefern bis hin zur Anzeige der Heizgriffe. Bei bestimmten Lichtverhältnissen und für große Piloten ist sie allerdings an den Rändern schlecht abzulesen. Ansonsten ist die Bedienung von Fahrwerk, Heizgriffen und Tempomat selbst erläuternd und mit dem Daumen der jeweiligen Hand leicht auszuführen.

Rein optisch dürfte sich der eine oder andere am etwas irren Blick der beiden Scheinwerfer stören; man mag sich damit trösten, dass man sie als Fahrer ja nicht sieht. Und kann sich voll auf das Kurvenwedeln konzentrieren, an dessen Ende wir einen durchschnittlichen Verbrauch von 6,2 Liter auf 100 Kilometer gemessen haben, was angesichts der Fahrleistungen und dem Fahrspaß durchaus angemessen erscheint. Und die Eisdielen-Klientel setzt sowieso ganz andere Prioritäten.

Steckbrief BMW S 1000 R

Motor Flüssiggekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, vier Ventile pro Zylinder, Hubraum 999 ccm, Leistung 118 kW/161 PS bei 11.000/min, Drehmoment 112 Nm bei 9.250/min, Sechsganggetriebe, Kette
Fahrwerk Brückenrahmen aus Aluminium, Upside-Downgabel, Ø 46 mm, Zug- und Druckstufe einstellbar (mit DDC: Dämpfung elektronisch einstellbar); hinten Aluminium-Zweiarmschwinge mit Zentralfederbein, Zugstufe einstellbar (mit DDC: Dämpfung elektronisch einstellbar); Doppelscheibenbremse vorn 305 mm, hinten 276 mm, ABS serienmäßig, teilintegral und abschaltbar
Maße und Gewichte Radstand 1.439 mm, Sitzhöhe 820 mm, Gewicht vollgetankt 207 kg, Tankinhalt 17,5 Liter
Messwerte Höchstgeschwindigkeit 258 km/h, Beschleunigung 0 – 100 km/h: 3,3 sek, Verbrauch: 6,3 Liter/100 km
Preis 12.800 Euro

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