Im Prinzip gut

Andre´s Auto Welt: Ford Focus – Dreizylinder? Vielleicht, niemals!

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Um Phobien zu heilen, wird einem geraten, sich mit seinen Geistern auseinanderzusetzen. Mein Geist sind Dreizylindermotoren! Mit Graus erinnere ich mich an Polo, Fabia und Co., deren Brennkammern das Fehlen des vierten Zylinders jämmerlich beklagten. Es war Anfang der 2000er Jahre, als ich ein Sprichwort aus meinem Sprachgebrauch streichen musste: Aller guten Dinge sind eben nicht drei! Mit dieser gefestigten Meinung nehme ich mir den Ford Focus 1.0 EcoBoost eine Woche lang zur Brust. Die Motorisierung war mir grundsätzlich egal, ich wollte wissen, ob Ford seinen Kritikern Gehör geschenkt hat.
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Mein erster Eindruck

Viel Chrome, tolle Farbe und die getönten Scheiben machen was her. Das Auffälligste ist sein neues Gesicht aber darüber lasse ich mich gleich aus. Am Zündschlüssel unseres Testwagens lässt sich sofort erkennen, dass Keyless Go an Bord ist und hier fällt mir die nächste Neuerung auf: Es fehlt der schwarze Knopf am Türgriff! Dieser wurde durch eine Sensortaste ersetzt, welche faktisch unsichtbar in einer gut fühlbaren Mulde versteckt ist. Mit dem Öffnen der Tür schiebt sich ganz sachte der Türkantenschutz über den Falz. Clevere Lösung und gut investierte 150€ Euro. (Ersatz kostet nur 25€)
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Innenraum - Das Auge nimmt Platz

Ein Radio gehört auch im Focus nicht zur Serienausstattung und so entscheidet der Geldbeutel, ob in der Mittelkonsole ein viel zu kleines Display schimmert oder ob man auf das deutlich bessere 20,3 cm Touchscreen-Navi blickt, wie es in unserem Testwagen verbaut ist. Und es fällt auf, dass es weniger Tasten und Knöpfe gibt. Die inflationäre Tastenorgie des Vorgängers ist vorbei, dafür liegen die Rundinstrumente noch immer sehr tief im Armaturenbrett. Auch das asymmetrische Design der Mittelkonsole wurde beibehalten. Fazit zum ersten Eindruck: Nett gemacht! Da geht noch was.
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Die ersten Meter

Ich hatte eine klare Vorstellung, wie sich der Dreizylinder anhören muss, wie er auf Gasannahme anspricht und dass sich das Anfahren aus viel Gas und wenig Kupplung zusammensetzen würde.
Alles falsch! Kupplung treten, Startknopf drücken und….. Kein rütteln, kein schütteln, kein von mir so verachtetes Dreizylinder knurren. Oha!
Das Anfahren geschieht so präzise, wie ich es von einem VW Golf gewohnt bin. Die Gasannahme erfolgt gefühlvoll und das Spiel mit der Kupplung ist hervorragend. Vielleicht wisst Ihr was ich meine, wenn ein Auto einem zum Anfänger abstempelt, weil Gas und Kupplung so gefühllos sind, als ob sie nichts miteinander zu tun haben wollten. Im Focus fühlt sich das richtig gut an und der Eindruck verstärkt sich im Stadtverkehr.

Raus aus der Stadt

Im Stadtverkehr schlägt sich der Focus super. Keine Anfahrschwäche, ein knackiges Getriebe und eine gefühlvolle Lenkung runden den ersten positiven Eindruck ab. Also geht es raus auf die Landstraße und mit dem Ortsausgangsschild kommt der nächste „aha Moment“. Das sind nur 100 Pferdchen? Erstaunlich gut zieht der kleine 1.0 Liter Motor bis auf Landstraßentempo durch. Allerdings zeigt sich schnell, dass das Getriebe nicht ganz zum Charakter des Motors passt. Das gibt es nur im Fünf-Gänge- Menü, obwohl der Motor locker einen sechsten Gang vertragen könnte und nebenbei bemerkt, finde ich es unzeitgemäß. Auch die Lenkung zeigt nun eine gewisse Nervosität in der Mittelstellung. Nichts dramatisches, aber doch spürbar empfindlicher auf kleinste Lenkbewegungen.

Der Motor

wurde dreimal mit dem „Engine of the Year Award“ ausgezeichnet. Zu Recht? Seine Kraft schöpft er aus 170 Nm Drehmoment und diese steht sehr früh (ab 1.500 U/min) zur Verfügung. Zum Vergleich: Der alte 2.0 Liter Motor aus dem Focus I, mit 130 PS, hatte ein vergleichbares Drehmoment. Eine erstaunliche Entwicklung! Allerdings verlangt der Focus frühes schalten, da im oberen Drehzahlbereich keine Leistung mehr zu erwarten ist. Seine Charakteristik entspricht der eines Dieselmotors. Der Verbrauch eher nicht.
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Verbrauch

Wahrscheinlich hätte ich den Benzindurchfluss auf unter 6 Liter drücken können aber dafür hätte ich mich in meinem Fahrstil einschränken müssen und das wollte ich nicht! Das Auto soll sich nach mir richten und nicht umgekehrt! So standen am Ende 6,2 Liter im Langzeitverbrauch auf der Anzeige und das ist für dieses Motörchen zu viel. Im Gebirge war es ein Liter mehr je hundert Kilometer.

Zwischenruf

Die Politik verlangt von den Autoherstellern die CO2 Reduzierung ihrer Flotten. Diesen Umstand nehmen die Hersteller zum Anlass, mir als Kunden zu erzählen, dass ich jetzt ein sparsames Auto haben will. Klar will ich das, das wollte ich schon immer aber ich zahle dafür nicht jeden Preis! Elektro, Hybrid, Zylinderabschaltung und Downsizing heißen die „Sparmaßnahmen“ und zu letzterer gehören Motoren, deren Sparpotenzial nur auf dem Prüfstand entwickelt wurde. Dem Hersteller reicht das, der Kunde muss sehen, was er daraus macht!

Das Fahrwerk

galt im Focus immer zu den Besten seiner Klasse. Es ist gut, kommt aber nicht an das meines Vergleichs-Golf heran. Im Focus erwähnte meine Beifahrerin: „Oh, ich hätte einen Sport-BH anziehen sollen“. Ja, das Fahrwerk ist straff abgestimmt aber nicht unkomfortabel. Kopfsteinpflaster meistert es ebenso tadellos, wie schnell gefahrene Kurven. Der Focus lässt sich schwer aus der Ruhe bringen, was dem sicheren Fahrgefühl sehr zuträglich ist. Aber: Es fehlt ein verstellbares Fahrwerk á la Golf. Leider gibt es das auch gegen Aufpreis nicht und so geht (in meiner Welt) die Fahrwerkswertung klar an den silbernen Golf VII. Im direkten Vergleich ist der Golf feiner abgestimmt. Die Karosserie des Focus kränkt etwas, was im Golf nicht spürbar ist.
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Ausstattung

Unser Testwagen hat einen Listenpreis von 29.245€. Das sind stolze 10.785€ über dem Basispreis und erklären sich durch die wirklich umfangreiche Ausstattung. Mit dabei sind Sportsitze, die den Namen nicht verdient haben! Sie sind nicht unbequem aber sie sind den Aufpreis nicht wert. Was sein Geld wert ist, ist der Active Park Assist. Da der Focus nach hinten etwas unübersichtlich ist, sollte man wenigstens eine Einparkhilfe an Bord haben. Ebenfalls empfehlenswert: die Bi-Xenon-Scheinwerfer mit Kurvenlicht. Sie bieten eine sehr gute Ausleuchtung, ohne Flecken oder Dunkelstellen. Und in der Dunkelheit überrascht auch die Ambiente-Beleuchtung durch zig Farben, die für den Innenraum gewählt werden können. Schade nur, dass die Instrumentenbeleuchtung ihr gewöhnungsbedürftiges Türkis beibehält. Der beleuchtet Schalthebel und die Einstiegsleisten runden das Lichtkonzept ab. Das Navigationsgerät lässt sich angeblich über die Sprache steuern. Ich habe es irgendwann aufgegeben, Frau Ford wollte mich einfach nicht verstehen. Der Monitor ist angenehm groß, deshalb verstehe ich nicht, warum einige wichtige Touchfelder so klein ausgefallen sind. Hier muss nachgebessert werden! Die Materialauswahl im Innenraum ist grundsätzlich in Ordnung. An einigen Stellen wurde zwar sehr empfindliches Plastik verbaut aber dafür gibt es an der Verarbeitung nichts zu meckern. Leider bestechen auch die Türablagen durch nacktes Plastik, da wo der Golf mit Filz aufwartet. Kleinigkeiten aber am Ende ist es die Summe derer, die den Volkswagen wertiger machen.
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Das Platzangebot

geht in Ordnung. Im Fond hat man etwas weniger Platz als im Golf bei gleicher Sitzeinstellung. Dafür nehmen beide Kofferabteile ein ähnliches Volumen auf, auch die Zuladung liegt mit ca. 590kg gleichauf.
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Design

Mein Nachbar tut mir leid. Sein Focus ist noch kein Jahr alt, neben dem Facelift wirkt er aber deutlich in die Jahre gekommen.
Zumindest von vorn! Unser Redakteur bezeichnete es als „etwas überarbeitet“ aber ich bezeichne es als Gesichts-OP. Ja, so fügt sich der Focus in die neue Welt des Markendesign ein. Aber woher kenne ich diesen Grill? Aston Martin, Ur-Mini, Hyundai, Audi…. Irgendwo hab ich das schon mal gesehen. In meinen Augen sucht der Ford Focus noch immer seine Identität.

Wenn und Aber

Der Motor hat mich überrascht aber ich ziehe einen Vierzylinder mit Zylinderabschaltung vor. Der verzichtet nur hin und wieder auf Brennraum, statt dauerhaft. Ich traue dem Winzling einfach keine Laufleistung zu, lass mich aber gern eines Besseren belehren.
29.245€ Listenpreis sind fair. Ein vergleichbarer Golf kostet mind. 7.000€ mehr, was sich zusätzlich verschärft, da bei Ford schon seit Jahren kein Mensch mehr Listenpreise zahlt. Aktuell würde dieser Focus, ohne Zusätzliches verhandeln, 25.245€ kosten. Aber liebe Leute, diese Preisnachlässe fallen einem beim Wiederverkauf auf die Füße. Jede Medaille hat eben zwei Seiten. Außerdem möchte Ford seinen Focus alle 20.000km, oder jährlich, in seiner Werkstatt sehen. Ist das noch zeitgemäß oder tatsächlich der Grund für das gute Abschneiden bei der Hauptuntersuchung?

Fazit

Ganz objektiv betrachtet bekommt man mit dem Focus Turnier eine grundsolide Familienkutsche, die mit dem Facelift gereift ist. Der 100PS – Dreizylinder-Motor ist ein guter Einstiegsbenziner, den man unbedingt mal gefahren sein muss, bevor man ihn ablehnt. 2016 könnte der MK IV auf den Markt kommen, und dann wird Ford sich den Innenraum annehmen. Der neue S-Max wäre ein gutes Vorbild.

—-

Kraftstoffverbrauch (in l/100 km nach VO (EG) 715/2007): 5,9 (innerorts), 4,2 (außerorts), 4,8 (kombiniert); CO2-Emissionen: 109 g/km (kombiniert). CO2-Effiziensklasse: A.

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