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Der Ätna hat sich in dunkle Wolken gehüllt, die Straßen sind vom veritablen Sturzregen des Vortags noch gewässert und die Temperaturen liegen weit unterhalb zweistelliger Gradzahlen: alles andere als eine gute Voraussetzung für die Vorstellung der überarbeiteten Aprilia Dorsoduro 1200, dem Italo-Funbike mit 96 kW/130 PS starkem Zweizylinder-V-Motor und Landstraßen-sportlichem Fahrwerk.
Rassig fällt die Funbike-Optik aus, die sich auf eine schmale Sitzbank, eine puristische Silhouette mit seitlichen, kantigen Lufthutzen und avantgardistischen Handprotektoren reduziert. Versierten Dorsoduro-Kennern fallen das neue Strukturfinish der vorderen Radabdeckung und die modifizierten Kunststoffabdeckungen der Schalldämpfer sowie der leichtere Kennzeichenhalter aus Kunststoff auf. Die weniger Aprilia-Affinen finden im modernen Verbundrahmen aus Stahl-Gitterrohr mit Leichtmetall-Gussteilen ihren Hingucker. Das seitlich liegende Federbein mit gelber Feder unterstreicht den puren Technik-Look, den die edle Anmutung der goldenen Upside-Down-Gabel an der Front abrundet.
Inmitten des technisch angehauchten Ambiente findet sich das Herzstück des Landstraßenjägers, der potente flüssigkeitsgekühlte 90-Grad-V-Motor mit knapp 1 197 Kubikzentimeter Hubraum. Wird dieses hochmoderne Aggregat mit Vierventiltechnik, zwei obenliegenden Nockenwellen und doppelten Einspritzdüsen je Zylinder zum Leben erweckt, brabbelt es unheilverkündend aus den beiden Schalldämpfern unterm Heck. Jeder Gasstoß wird mit heiserem Bellen beantwortet, das nach mehr verlangt [foto id=“409832″ size=“small“ position=“left“]und zum Aufsitzen drängt – beachtliche 96 kW/130 PS Maximalleistung und ein bäriges Drehmoment von 115 Newtonmetern wollen hier eingesetzt werden.
Doch die Bedingungen legen Vorsicht nahe, also wird vor dem Losfahren aus den drei zur Verfügung stehenden Motorcharakteristiken sicherheitshalber der „Rain“-Modus aktiviert: Hier stehen lediglich 74 kW/100 PS zur Verfügung, das Ansprechverhalten fällt defensiv, aber auch etwas verzögert aus. Das macht nur wenig Spaß, und so schaltet man schon nach wenigen Kilometern auf „Touring“. Dann galoppieren alle 130 Cavalli, doch mit domestiziertem Einsatz. Ein Versuch im „Sport“-Modus entlarvt das wahre Gesicht der 1200er als aggressiv und angriffslustig. Dann beschleunigt die feurige Italienerin brachial, die Lastwechselreaktionen bei Gaswechseln fallen jedoch unangenehm ruppig aus.
Die Umsetzung der Gasgriffbefehle erfolgt bei Tour und Sport trotz elektronischer Ride-by-wire-Steuerung fast verzögerungsfrei, spontan und direkt. Der große V-Motor hängt prima am Gas. Besonders das enorm breite nutzbare Drehmoment ab 2 500 Umdrehungen macht Laune, und die fette Drehzahlmitte kann begeistern. Dass es oben herum nicht mehr ganz so spritzig zugeht, lässt sich da locker verschmerzen.
Ein weiteres elektronisches Helferlein ist die dreistufige Traktionskontrolle ATC, segensreiche Erfindung auf dem vom Ätna-Staub und dem Winterregen rutschigen Asphalt. Über den Bedienknopf am linken Lenkerende lässt sie sich einstellen oder ganz abschalten. In Stufe 1 greift die ATC für eine sehr sportliche Fahrweise recht spät ein, in Stufe 2 regelt sie schon früher und die Stufe 3 macht relaxtes Fahren möglich. Auf den Strecken rund um den 3 300 Meter hohen Vulkan flackert die gelbe Signalleuchte praktisch an jedem Kurvenausgang auf und kündet optisch den Regelvorgang an. Neu an der Traktionskontrolle ist die geregelte Wiederfreigabe des Drehmoments nach einem Wheelie entsprechend der eingestellten Stufe, was das Vorderradlupfen noch sicherer macht. Am Fuße des Ätna trägt die ATC jedoch in erster Linie dazu bei, [foto id=“409833″ size=“small“ position=“right“]das Drehmoment am Kurvenausgang fast bedenkenlos goutieren zu können.
Auf diesem verwinkelten Kurvengeläuf erfreut das Dorsoduro-Fahrwerk dank neuer Räder mit besonderer Agilität: Satte 2,3 Kilo sparen die neuen Leichtmetallfelgen an rotierenden Massen und entsprechenden Trägheitskräften ein, die 1 200er-Maschine lässt sich mit spielerischer Agilität in sämtliche Ecken einlenken und durch gemeine Wechselkehren hetzen. Insgesamt spart die neue Dorsoduro drei Kilo gegenüber der Vorgängerin ein und bringt sie beim Trockengewicht von 209 Kilo bis auf ein Kilo an die 750er Dorsoduro heran, die nur 208 Kilo wiegt. Damit einher geht eine sanftere Grundabstimmung der komplett einstellbaren Federelemente. An Stabilität hat die Neue jedoch nichts eingebüßt. Führen die aufgeschnallten Pirelli Diablo Rosso II bei langsamer Fahrt noch ein leicht gewöhnungsbedürftiges Eigenleben, so liegt die Aprilia bei zunehmendem Tempo sehr nachvollzieh- und kontrollierbar. Dann sorgen auch die knackigen, aber nicht durchweg transparent agierenden Brembo-Stopper für einen artgerechten Fahr- und Stoppgenuss, dank abschaltbarem Bosch-ABS gerade auf dem schlüpfrigen Terrain ein vertrauenerweckendes Sicherheitsfeature. Übrigens nicht nur hierzulande – auch im Heimatland Italien – wird die Dorsoduro 2012 nur noch mit ABS und ATC ausgeliefert, nachdem im Vorjahr dort die ABS-Auslieferungsquote unerwartete 80 Prozent betrug.
Komfort ist relativ – die aufrechte, Lenker-orientierte Sitzposition ist ideal zum Angasen im Kurvenrevier, aber keineswegs langstreckentauglich. Soziuskomfort? Spielt eine untergeordnete Rolle. Reichweite? Bei 15 Liter Tankvolumen und einem exorbitanten Durst sollte man sich vor Antritt der Fahrt über die Dichte des Tankstellennetzes erkundigen. Aber: Dieses Motorrad will gar kein Kompromiss für ein möglichst großes Publikum sein. Die Dorsoduro 1200 ist durch und durch unvernünftig und nur etwas für Menschen, die ein grandioses sportliches Fahrerlebnis auf der Landstraße suchen, Wert auf edle Details und sauberes Finish bei innovativen Technologien legen und den Euro nicht zweimal herumdrehen wollen. Für diese exklusive Klientel gibt es kaum eine Alternative zur 12 990 Euro teuren Aprilia Dorsoduro 1200.
Straßenmotorrad | |
Antrieb: |
flüssigkeitsgekühlter 90-Grad-Zweizylinder-Viertakt-V-Motor, dohc, vier Ventile je Zylinder |
Hubraum: | 1 197 ccm |
Bohrung x Hub: | 106,0 x 67,8 mm |
max. Leistung: | 96 kW/130 PS bei 8 700 U/min |
max. Drehmoment: | 115 Nm bei 7 200 U/min |
elektronische Kraftstoffeinspritzung, geregelter Katalysator, Sechsganggetriebe, Hybridrahmen aus Stahl-Gitterrohr und Alu-Gussprofilen, Upside-Down-Telegabel, Aluminium-Zweiarmschwinge mit seitlich montiertem Federbein, Doppelscheibenbremse vorn, Einzelscheibe hinten, ABS | |
Reifen: | vorn 120/70 ZR 17, hinten 180/55 ZR 17 |
Sitzhöhe: | 870 mm |
Tankinhalt: | 15 Liter |
Trockengewicht: | 209 kg |
Preis: | 12 990 Euro |
geschrieben von auto.de/(rkm/mid) veröffentlicht am 13.03.2012 aktualisiert am 13.03.2012
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