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Ein Blick aus den Fenstern des Dekra-Kongreßzentrums in dem kleinen Schwarzwaldort machte die aktuelle Situation augenfällig: in kurzen Abständen donnerten große Lkw mit Anhänger oder Auflieger vorbei und wirbelten gehörig Herbstlaub auf. Seit 1992 hat die Transportleistung auf den Straßen um weit über 70 Prozent zugenommen, nicht zuletzt wegen der Just-in-Time-Logistik und einer zunehmend rollenden Lagerhaltung.
Auch Konsumenten erwarten heute, dass die Lebensmittelregale immer bestückt sind und die Online-Bestellung innerhalb kurzer Zeit ausgeliefert wird. Trotzdem ist die Zahl der bei Lkw-Unfällen Getöteten im Jahr 2010 auf ein Allzeittief von 859 gefallen. Was den Experten, die von der Dekra zum 8. Internationalen Symposium in Altensteig-Wart eingeladen wurden, Sorgen bereitet, ist hingegen die Zunahme der Schwerverletzten sowie der Anteil von Sattelschleppern und schweren Lkw ab zwölf Tonnen. Beim Thema „Sicherheit von Nutzfahrzeugen“ bilden inzwischen moderne Fahrerassistenzsysteme einen Schwerpunkt, denn durch sie lassen sich Unfälle entweder ganz vermeiden oder die Folgen wenigstens mindern.
Hinkten die Lkw gegenüber den Personenwagen bei der serienmäßigen Ausstattung mit der Bremshilfe ABS noch hinterher, holten sie bei der Antriebsschlupfregelung (ASR) auf. Bis 2015 schreibt die EU sogar bei allen neuen Lkw ESP vor. Spurverlassenswarner und ein vorausschauendes Notbremssystem gehören ein Jahr später zu den Vorgaben. Seit der Jahrtausendwende lassen sich Assistenten aller Art ordern, die der Pkw-Kunde auch aus seiner Optionsliste kennt: ESC, Abstandsregeltempomat Adaptive Cruise Control (ACC), Totwinkel-Assistent, Bremsassistent mit Vollbremsung im Notfall oder Abbiegeassistent. Obwohl Hersteller wie Mercedes-Benz, MAN, Scania oder Volvo teilweise diese aktiven Wächter einzeln oder als Paket anbieten, werden sie von den Transportunternehmen noch nicht in dem Umfang geordert, wie sich das die Unfallforscher wünschen würden. Diese zusätzliche Investition kann je nach Anbieter über 10.000 Euro kosten.
Dabei lässt sich bei diesem einmaligen Preis langfristig Geld sparen. Das ist das Ergebnis des ersten europaweit angelegten Feldversuchs euroFOT, das Sicherheitsexperten von MAN beim Symposium vorstellten. Über ein Jahr waren 971 Lkw von unterschiedlichen Herstellern unterwegs, mit einer Gesamtfahrleistung von 35 Millionen Kilometern. An Bord: die aktuellen Fahrerassistenzsysteme (FAS). Nicht nur, dass 95 Prozent der 1.068 befragten Berufsfahrer angaben, sich subjektiv „sehr sicher“ gefühlt zu haben. Mehr noch: durch Hilfen wie ACC und Bremsassistent sparten sie sogar ein bis zwei Liter Sprit auf 100 gefahrene Kilometer ein. Angesichts weiter steigender Kraftstoffpreise vielleicht das beste Argument für mehr Sicherheit an Bord. In den USA ist übrigens die Ausrüstung der rollenden Überlandriesen deutlich besser, wie man bei Mercedes-Benz von der Tochter Freightliner weiß.
Die Unfallforscher der Versicherer (GDV) haben ihrerseits Lkw-Haftpflichtfälle studiert und errechnet, welches Vermeidungspotenzial Assistenzsysteme besitzen. Als Grundlage dienten ausschließlich die Versicherungsdaten und nicht die offiziellen Gesamtstatistiken. Aber auch dieser Ausschnitt zeigt, was möglich ist. Ein automatisches Notbremssystem, das nicht nur bewegte, sondern zum Beispiel auch ruhende Fahrzeuge am Stauende erkennen kann, könnte den klassischen Auffahrunfall um zwölf Prozent senken. Ein Abbiegeassistent und ein intelligenter Rückfahrassistent könnten fünf Prozent der Unfälle vermeiden helfen. Kleine Zahl mit großer Wirkung: rund 70 Prozent der Lkw-Unfälle innerorts ereignen sich zwischen Lastwagen und Radfahrern oder Fußgängern. Neben den berüchtigten Auffahrunfällen mit Pkw bei denen das kleinere Fahrzeug auch immer das höhere Risiko trägt, zählen Abkommen von der Fahrbahn und Spurführungsunfälle zu den häufigsten Gefahren.
Neben crashoptimierten Fahrerkabinen und der Aufrüstung mit schützender Technologie bleibt auch für Spezialisten noch der schwer zu kalkulierende Faktor Mensch. Vor zehn Jahren startete der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) die Kampagne „Hat´s geklickt“, weil gerade die Kapitäne der Landstraße es mit der Gurtpflicht sehr locker nahmen. Waren es damals gerade 10 Prozent, die sich anschnallten, sind es heute immerhin 83 Prozent, wobei die Fahrer der schweren Lkw sich immer noch seltener anbinden. Traumzahlen wie bei den Pkw-Insassen mit knapp 98 Prozent erreichen allenfalls die Piloten von Lieferwagen. Aber nachdem auch bei den großen Trucks die Rückhaltesysteme wesentlich komfortabler geworden sind, hoffen die Experten auf ein Umdenken.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 12.11.2012 aktualisiert am 12.11.2012
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