Renntaxi R8 LMS
Rahels Job in Portimão ist von besonderer Art. Sie spielt „Taxifahrerin“. So nennt man das, wenn in den GT-Boliden eigens ein Beifahrersitz installiert wird, damit die Rennfahrer Gäste über den Rundkurs chauffieren können. Auch der Audi R8 LMS auf Basis des aktuellen R8-Serienmodells ist neu und hat gleich einen mehr als bemerkenswerten Einstand gegeben: überlegener Sieg vor wenigen Wochen beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring gegen namhafte Konkurrenz.
Ein Grund mehr für Audi, auch dieses Modell zum Pressetermin auf der Rennstrecke vorzufahren und seine Performance erleben zu lassen. Denn die Basis des LMS ist vergleichsweise seriennah. Mehr als 50 Prozent Gleichteile zum Straßenfahrzeug zeigen zugleich, wie Audis sein bisher schnellstes Serienfahrzeug in Richtung Sportlichkeit getrimmt wurde. Gemeinsam ist die Motorbasis des 5,2 Liter V10-Saugmotors, der allerdings wegen der reglementskonformen Restriktoren je nach Rennserie „nur“ zwischen 500 und 580 PS auf die Hinterachse des LMS bringt. Prinzipiell identisch ist auch die Karosserie mit ihrem Materialmix aus Aluminium im Audi Space Frame ASF und superleichten Kohlefaser CFK-Strukturkomponenten für höchste Verwindungssteifigkeit beispielsweise im Mitteltunnel, an Rückwand und B-Säule. Dennoch hat der LMS nochmal abgespeckt und ist mit 1225 Kilogramm Homologationsgewicht über 300 Kilo leichter als die Straßenversion, zum Beispiel wegen einer neuen Karosserie aus CFK.
Luxus fehlt natürlich, dafür gibt’s den vorgeschriebenen stabilen Überrollkäfig, durch den ich mich nun im Rennanzug plus Helm und Genickstütze auf den Beifahrersitz zwänge. Rahel Frey sitzt schon in ihrem „Audi Protection Seat PS 1“, der nunmehr – wie auch in den Le Mans Prototypen – im R8-Renner verwendet wird und zur Erhöhung der Steifigkeit fest mit dem Chassis verbunden ist. Verstellbar hingegen das Fußhebelwerk und das halboffene kleine Lenkrad, das sich genauso wie die Armatureneinheit doch sehr vom Serienfahrzeug unterscheidet.
Rahel lächelt, reckt den Daumen hoch und gibt dem Serviceteam Anweisung, den R8 LMS von den in der Karosserie integrierten Lufthebern zu lassen, auf denen er in Boxengasse auf mich gewartet hat. Rrumms, der LMS setzt auf dem Asphalt auf, der V10 brabbelt und vorsichtig rollt Rahel bis zum Startpunkt. Fahne oben und Gas, der Vorwärtsdrang des R8 drückt mich fest in den Sitz. Kein Wunder bei einem Beschleunigungsvermögen von weniger als drei Sekunden für den Sprint von Null bis Tempo 100. Rechtskurve, Linkskurve, scharfe Rechtskurve. Rahel spielt entspannt mit den Schaltwippen des Sechs-Gang-Getriebes und gibt auf der folgenden, nur wenige hundert Meter kurzen Geraden richtig Stoff. Bis zum Scheitelpunkt der nächsten scharfen Linkskurve erreicht der R8 LMS locker Tempo 230, faucht und brüllt. Ich fühle mich dennoch entspannt, weil meine Taxi-Driverin offenbar alles im Griff hat.
Beim späteren Selbstversuch mit einem Serien R8, mit dem ich an gleicher Stelle vielleicht keine 150 km/h erreiche, wird mir klar, welche Kunst es ist, richtig schnell und dennoch sicher unterwegs zu sein. Anbremsen, einlenken, gasgeben, flüssig schalten und sechs Kurven weiter ist der LMS schon wieder in der Boxengasse der 4684 Meter langen Rennstrecke. Einmal noch über den an Gefäll- und Steigungsstrecken reichen Parcours. Ich fühle mich durchaus geborgen im ziemlich harten Rennsitz mit perfekter Seitenführung und guten Möglichkeiten, mich mit den Beinen gegen die Fliehkräfte von teils mehr als 2 g zu stemmen. Aber ich muss ja auch nicht noch mit der Pedalerie spielen und den R8 LMS immer an der Ideallinie entlang über die Strecke prügeln.
Als wir wieder aussteigen, frage ich Rachel, wie eigentlich ihr als Rennfahrerin der neue R8 LMS gefällt. Denn sie ist in ihren Serien noch mit dem „alten“ Modell unterwegs. Rahel lächelt: „Der neue R8 LMS ist viel straffer, viel direkter als das Vorgängermodell. Der Grenzbereich ist viel schmaler geworden. In seiner Gesamtabstimmung geht alles viel stärker in Richtung DTM-Auto. Wenn man das aber beherrscht, ist es ein absolut phantastisches Fahrerlebnis.“