493 kW / 670 PS im Heck des Ferrari 488, 397 kW / 540 PS bis 449 kW / 610 PS an gleicher Stelle der zweiten Generation des Audi R8. Der Aston Martin Vulcan darf seine 588 kW / 800 Pferdchen ausschließlich auf Rundstrecken ausleben. Brabus befeuert seine neue Topversion des S-Klasse-Coupés mit 625 kW / 850 PS: Der 85. Genfer Automobilsalon, der am 5. März seine Pforten für Besucher öffnet, schwelgt in Leistung und Luxus. Doch nicht nur die Mobile der Schönen und Reichen dürfen PS-Orgien feiern. Auch die Großserienhersteller brennen bei Studien und Neuheiten ein Feuerwerk der bürgerlichen Boliden ab.
Da darf sich ein Ford Focus RS mit 320 PS produzieren, der Audi A3 RS mit 270 kW / 367 PS, der Honda Civic Type R mit 206 kW / 280 PS oder der Opel Corsa OPC künftige Kunden mit 152 kW / 207 PS locken. Der preiswerte Kraftstoff verführt die Branche zum Rückfall in alte Sünden: Energiesparen war gestern.
46,25 Dollar sind der magische Betrag, um den derzeit die Autoindustrie und ganze Volkswirtschaften kreisen. Die umgerechnet 39,50 Euro waren vergangene Woche in London für ein Barrel Rohöl der Sorte „Nordsee Brent“ fällig. Nie zuvor in diesem Jahrhundert waren 158,98 Liter Öl (entspricht einem Barrel) so preiswert. Förderländer stöhnen unter dem Preisverfall. In Norwegen haben die drastisch gesunkenen Erlöse aus der Förderung bereits mehr als 10 000 Arbeitsplätze vernichtet, Russlands Kreditwürdigkeit ist auf Ramschniveau gesunken, und die Mullahs in der iranischen Staatsführung wittern im Preisverfall „eine Verschwörung gegen die islamische Welt.“
Des einen Leid, des anderen Freud. Autofahrer auf der ganzen Welt begeistern die tiefen Spritpreise, die positiven Impulse für viele nationale Konjunkturen sind unverkennbar, und die Autoindustrie profitiert vom Sexappeal großer und leistungsstarker Fahrzeuge. Dem kurzen Gedächtnis der Konsumenten sei Dank. Vollkommen vergessen ist das Krisenjahr 2008, als der Ölpreis die Marke von 150 Dollar pro Barrel riss und drohte auf die 200 Dollar zu marschieren. Damals mussten Messe-Premieren in puncto Leistung in Sack und Asche gehen und um jeden Tropfen Verbrauchssenkung ringen.
Nun darf erst einmal wieder gebolzt werden. Den Trend zu Selbstbewusstsein und Status läutete bereits die erste wichtige Automesse des Jahres, die Detroit-Motorshow im Januar ein. Nun geht die Party in Genf weiter.
Audi tritt mit der Studie Prologue Avant an, einem Kombi, nein besser: einem Shooting Break, der den A8 zum A9 befördert, der sich über 5,11 Meter streckt und die Autowelt auf das Vokabular der künftigen Designsprache der Marke einschwört. Mercedes-Benz überlässt die besten Bühnenplätze der Spaß-Tochter AMG. Die enthüllt ihre Interpretation des CLA Shooting Brake (265 kW / 360 PS). Neu sind auch die AMG-Beiträge zur C-Klasse. Mit 350 kW / 476 PS so stark wie keine C-Klasse zuvor. Alpina will mit dem B6, seiner Interpretation des BMW 6er-Gran Coupé glänzen, das 441 kW / 600 PS aus seinem aufgeladenen 4,4-Liter-V8 mobilisiert.
Mercedes hat für den Dauerbrenner G-Modell ein neues Paket geschnürt. Der G 500 4x4² verdoppelt quasi das bereits legendäre Vermögen des Off-Roaders über Stock und Stein zu fahren. Vorausgesetzt genügend solvente Genf-Besucher skandieren „Haben wollen!“, geht das Modell Ende des Jahres für rund 300 000 Euro in Kleinserie. Mit 310 kW / 422 PS sollen dann auch fast senkrechte Felswände kein unüberwindliches Hindernis für den Kraxler mehr errichten.
Bei den deutschen Premium-Herstellern verhält sich BMW antizyklisch. Der neue 2er Gran Tourer soll den Bayern den Markt der Familien-Vans mit Frontantrieb, variablem Innenraum und sieben Sitzen erschließen. Das Facelift des 1er qualifiziert die kleinste Baureihe der Marke zum Messe-Star. Porsche rückt den Cayman noch ein Stückchen näher an den 911. Das Topmodell des „kleinen“ Porsche bietet als GT4 extreme Sportlichkeit auf Basis von 283 kW / 385 PS.
Die Exoten und extrem Getunten gehören zu Genf wie der See, das Verkehrschaos und Preise, die den Messebesucher selbst am Würstelstand in Schnappatmung versetzen. McLaren toppt mit dem 675LT seine Straßensportler. Der Name ist Programm: 497 kW / 675 PS. Der Supersportler P1 reißt die 1000-PS-Hürde, damit der Augenkontakt zum Ferrari FXX K mit seinen 1050 PS Systemleistung erhalten bleibt. Das neue Lotus-Lebenszeichen ist der aufgefrischte Evora mit 294 kW / 400 PS.
Geht es denn gar nicht eine Nummer kleiner? Natürlich drehen sich in Genf wichtige Neuheiten für Menschen ohne private Rennstrecken im persönlichen Immobilienportfolio. Bei Opel steht beispielsweise der kleine Karl im Rampenlicht. Ein neuer Mitspieler bei den Kleinsten vom Schlage VW Up und Toyota Aygo, noch unterhalb des Adam angesiedelt. Der Familienliebling Touran geht bei VW in die zweite Runde: Mehr Platz und Allradantrieb sowie Doppelkupplungsgetriebe als Option. Der Klassiker Sharan tritt mit Facelift an. Skoda stellt den neue Superb als Weltpremiere vor, sportlich fit getrimmte Sondermodelle des Fabia und natürlich auch ein Modell, das dem inoffiziellen Genfer Party-Motto huldigt: der Oktavia RS mit 169 kW / 230 PS. Dagegen hält Seat mit dem Sportkombi Leon ST Cupra (195 kW / 265 PS und 206 kW / 280 PS).
Toyota schärft mit einem umfangreichen Facelift den Auris nach, damit sich der Kompakte künftig besser gegen die Platzhirsche des Segments aus Wolfsburg, Köln oder Rüsselsheim behaupten kann.
Wenn schon alternative Antriebe mit Sparpotential, dann fühlen sich die Neuheiten mit Hybridantrieb höchstem Fahrspaß verpflichtet. Die Europapremiere des Honda NSX dreht sich um einen Hybrid-Supersportler mit 368 kW / 500 PS Systemleistung. Volkswagen präsentiert die Studie Sport Coupé Concept GTE. Der Ausblick auf den neuen CC verfügt als Antrieb über einen Plug-in-Hybrid mit V6-Benziner und zwei Elektromotoren mit rund 257 kW / 350 PS Systemleistung.
Der Genfer Autosalon verspricht für seine kalkulieren mehr als 700 000 Besucher ein fröhliches Autofest, eine PS-Party der Superlative. Freilich gilt für auch für die fröhlichste Fete der Grundsatz: Je toller die Party, desto größer der Kater – denn das Menetekel an der Wand kennen alle: 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer Flottenverbrauch in fünf Jahren.