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Zweistellige Zuwachsraten bei den Pkw-Verkäufen gehören selbst in China der Vergangenheit an. Das macht einige Bank-Analysten und Wirtschaftsbeobachter nervös. Nach Ansicht des Vize-Präsidenten der Volkswagen-Group China, Weiming Soh, ist der Markt dort „auf dem Weg in die Normalisierung“. Das bedeutet aber immer noch, dass die Wirtschaft in einem Maße wächst, wie es sich die Regierungen europäischer Staaten nur träumen lassen können: 8,1 Prozent ist für das erste Quartal 2012 angesagt. Jetzt hat die gemeinsam mit der Messe in Shanghai wichtigste Autoshow auf dem asiatischen Festland in Peking eröffnet und die Chefs der europäischen Hersteller schauen gebannt in die chinesischer Hauptstadt.
Was gerade in Deutschland wieder heiß diskutiert wird, ist auch für chinesische Autofahrer ein Dauerthema. Die Spritpreise sind seit 2003 in China auf einem permanenten Weg nach oben, liegen heute schon um 30 Prozent höher als in den USA. Das ist zwar noch nicht so viel, wie europäische Autofahrer an der Zapfsäule zahlen müssen, angesichts des viel niedrigeren Einkommensniveaus in China aber auch ein Indikator für möglicherweise rückläufige Nachfrage nach Pkw.
Allerdings ist das Potenzial des 1,3-Milliarden-Volkes gewaltig. Derzeit sind dort 476 verschiedene Pkw-Modelle auf dem Markt, dieses Jahr kommen mehr als 80 Modelle dazu. Und neue Marken stehen bereit, China zu erobern. Vor wenigen Wochen hat Seat mit großem Brimborium die Einführung des Modells Leon gefeiert. Der Ibiza wird folgen. Die spanische VW-Tochter hat dabei eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe als potenzielle Kunden im Auge. Insbesondere bei denjenigen chinesischen Männer und Frauen, die nach 1980 geboren sind, soll die Lust auf die in Europa zuletzt nicht großartig von Kundeninteresse verwöhnte Marke geweckt werden.
Die Truppe um den schottisch-stämmigen Seat-Chef James Muir soll einen Trend bei jungen Erwachsenen auffangen, der eine Abkehr vom bisher bevorzugten Lebensweg darstellt. Bislang wollten die aus ländlichen Gegenden Chinas stammenden, gut ausgebildeten Berufseinsteiger bevorzugt in Shanghai oder Peking ihre Karriere aufbauen. Heute suchen sie lieber in ihrer heimatlichen Region nach lukrativen Arbeitsmöglichkeiten. Diese Altersgruppe wird laut Weiming Soh in naher Zukunft rund 40 Prozent der potenziellen Autokunden ausmachen. Deren Mobilitätsbedürfnisse sollen analysiert und das Image der Seat-Marke in China entsprechend zurecht gebastelt werden. Dass die Metropolen an Bedeutung verlieren, ist schon jetzt daran abzulesen, dass Peking die einzige Region ist, in der die Volkswagen-Group 2011 einen Rückgang um zehn Prozent verzeichnen musste.
Eigentlich könnten sich die Verantwortlichen der Volkswagen-Group entspannt zurück lehnen, denn mit knapp 20 Prozent Marktanteil im inzwischen absatzstärksten Pkw-Verkaufsgebiet weltweit ist sie fast so stark wie in Deutschland selbst. General Motors und Hyundai folgen mit weiten Abstand. Bei den Premium-Marken hat Audi deutlich die Nase vorn und mit 313.000 Autos mehr Limousinen und SUV verkauft als im Heimatland. Mercedes und BMW liegen in respektvoller Distanz zu diesem Wert, verzeichnen aber auch Zuwächse.
Das „Land des Lächelns“ verändert sich derweil spürbar. Waren in der Vergangenheit vor allem die Regionen an der Ostküste zwischen den Zentren Shanghai und Shenzen die Motoren eines rasanten Aufstiegs, wird bald auch in der Autoindustrie ein Slogan an Bedeutung gewinnen, der aus der Gründerzeit der USA bekannt ist: „Go West“. In den Weiten des chinesischen Hinterlandes liegt das Potenzial, weiteren Absatz an Automobilen zu generieren. Die Hersteller tragen dem dadurch Rechnung, indem sie ihre Händlernetze stetig ins Innere der Volksrepublik ausdehnen.
Bekanntermaßen ist Volkswagen ein Konzern, der vom einfachst ausgestatteten Skoda Fabia bis zur Millionen-Karosse Bugatti Veyron alle denkbaren Wünsche nach automobiler Fortbewegung befriedigt. Skoda betrachtet etwa die Situation des Heimatmarktes als Ansporn für verstärkte Verkaufsanstrengungen in China. In Tschechien sind heute rund 500 Pkw je 1000 Einwohner registriert. In China ist es weniger als ein Zehntel davon. Deshalb präsentiert Skoda in Peking ein Konzept-Fahrzeug, „das perfekt zu China passt“.
Gleichzeitig mit den vielen Familien im Reich der Mitte, die sehnlichst das erste eigene Auto erwarten, gibt es die Wohlhabenden und Superreichen, die Volkswagen mit Bentleys und Bugattis mobil halten will. Einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey zufolge verfügen rund 80.000 Haushalte in China über ein frei verfügbares Vermögen von umgerechnet fünf Millionen Euro oder mehr. Sie zum Kauf (meist noch) eines Lamborghinis oder Bentleys zu veranlassen, sieht Weiming Soh als Aufgabe seiner Vertriebs-Strategen.
Was Bentley angeht, so hat China die USA mittlerweile als weltweit wichtigster Markt für die Luxus-Pkw aus dem englischen Crewe abgelöst. Und das, obwohl der chinesische Staat die Einfuhr derartiges Preziosen mittels hoher Steuern erschwert. Bentley unterhält in China jetzt den weltweit größten Verkaufs-Salon für die Marke. Lamborghini konnte seine Absatzzahlen von 28 Autos im Jahr 2007 auf zuletzt 342 mehr als verzehnfachen. Nur der extreme Bugatti bleibt auch unter chinesischen Bedingungen ein Exot. Vor kurzem erwarb ein steinreicher Hotelier aus Peking das erste und bisher einzige Exemplar in diesem Jahr. Das sei, so Weiming So, „weit weg von einer befriedigenden Zahl“.
geschrieben von auto.de/(afb/mid) veröffentlicht am 23.04.2012 aktualisiert am 23.04.2012
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