Auto-Tuning: Seit sechs Jahrzehnten wird frisiert

Früher hieß es „frisieren“, heute „tunen“. Durch diesen Vorgang werden Serienautos individualisiert. Äußerlich an der Karosse, unter dem Blech, im Innenraum und natürlich in puncto Motorleistung kennt Tuning keine Grenzen. Vor 60 Jahren hat es mit einem Käfer-Spoiler angefangen. Inzwischen erzielt die Branche einen Jahresumsatz von rund 4,5 Milliarden Euro.

Tuning, tunen, getunt – diese Anglizismen haben heute einen festen Platz im Sprachgebrauch von Auto-Enthusiasten. Wörtlich übersetzt heißt „tunen“ im Deutschen “ fein abstimmen“, „einstellen“ oder „abstimmen“. Früher war auch der Begriff „frisieren“ gebräuchlich. „Tuning“ bedeutet heute mehr als allein das Steigern der Motorleistung; zumindest in unserer deutschen Begriffsauffassung beinhaltet es auch die Veränderungen an Fahrwerk, Optik und Innenraumgestaltung.

Der erste deutsche Tuner verblüffte 1952 das Publikum anlässlich des Genfer Automobilsalons: Der damals 45-jährige Karl Meier präsentierte sein „Tiefensteuer“, ein wuchtiger Frontspoiler aus Aluminium, der natürlich am Käfer von Volkswagen montiert war. Meier gründete die Firma Kamei, bis heute ein renommierter Anbieter für hochwertiges Zubehör. Der Erfolg von Kamei war unaufhaltsam und hat schnell seine Nachahmer gefunden.

So bot nicht nur die Optik oder Ausstattung des Käfers genügend Ansatzpunkte für Verbesserungen und Ergänzungen, sondern auch die Technik selbst. Als ein Tuner der ersten Stunde gilt Oettinger, damals wie heute im hessischen Friedrichsdorf [foto id=“428498″ size=“small“ position=“left“]beheimatet und von Gerhard Oettinger gegründet. Mit 1,6 Litern Hubraum, geänderten Vergasern, größeren Ventilen, schärferen Nockenwellen und 50 PS war der „Kugelporsche“ schon auf dem halben Weg zum richtigen Sportwagen.

Tuning ist keine spezielle Domäne der Deutschen: Der gebürtige Wiener Karl Abarth ist 1946 nach Italien gegangen und hatte bei der Renn- und Sportwagenschmiede Cisitalia gearbeitet, bevor er sich 1949 mit einem eigenen Unternehmen selbständig gemacht hat. An seine „frisierten“ Autos – zumeist Fiat-Modelle – hat er sein Signet gepappt, einen Skorpion, den er gewählt hatte, weil es sein Sternzeichen war. Karl nannte sich selbst Carlo und hieß bald der PS-Zauberer von Turin. Ab 1953 schuf Abarth auch eigene Autos, meist auffallend geformt und nur in geringen Stückzahlen produziert. Eine erste Serienfertigung begann ab 1956 mit einem getunten Fiat 600, wobei nebenher noch die Produktion der beliebten, leistungssteigernden Abarth-Auspuffanlagen lief. 1971 verkaufte der damals 63j-Jährige sein Werk an Fiat. Nach dem Ende der Serienfertigung führte Fiat den Namen Abarth für seine sportlichen Spitzenmodelle weiter.

In Amerika hat Tuning eine noch ältere Tradition. In den Zwanzigern benötigten Schnapsschmuggler während der Alkohol-Prohibition leistungsgestärkte getunte Autos, um sich von der Polizei bei Verfolgungsjagden absetzen zu können. Zu den bekanntesten Tunern der US-Szene gehört Ford-Spezialist Shelby oder Callaway Motors, ein Unternehmen, das sich auf die Corvetten von Chevrolet spezialisiert hat. Unter japanischen „Auto-Friseuren“ hat sich unter anderem Toyota-Haustuner Gazoo einen internationalen Namen verschaffen.

Als Amadeo Gordini von Renault den Auftrag erhielt, auf Basis der Dauphine ein siegfähiges Rallye-Auto zu entwickeln, begann eine erfolgreiche Partnerschaft. Amadeo Gordini wurde der erste Werkstuner der Automobilhistorie. Beim viertürigen Renault Dauphine – als Nachfolger des 4CV von 1956 bis 1968 gebaut – steigerte Gordini die Leistung von 26,5 PS auf bis zu 36 PS aus 850 ccm Hubraum. [foto id=“428499″ size=“small“ position=“right“]Für den Automobilsport wurde 1959 eine Rallye-Dauphine (R1093) mit 49 PS und 5-Gang-Getriebe entwickelt. 1969 gliederte Renault die Firma Gordini vollständig in das Unternehmen ein

Nicht alle Tuner konnten sich im Markt auf Dauer etablieren. König Specials in München musste ebenso nach kurzen spektakulären Erfolgen schließen wie Chris Hahn in Hamburg mit seiner „Stylinggarage“. Seit den Sechzigern wuchs der Wunsch nach Individualisierung und mehr Leistung aber immer stärker. Der Käfer ging, der Golf kam, mit ihm wuchsen Abt, Hartmann oder Nothelle zu international bekannten Namen. Steinmetz und Irmscher überarbeiten seit Jahrzehnten Opel. Hans-Werner Aufrecht und Erhard Melcher knöpften sich 1967 im schwäbischen Affalterbach den ersten Mercedes vor. Ihre Marke AMG schaffte es zum eigenständigen Fahrzeughersteller für Mercedes. Burkhard Bovensiepen nahm die lokale Nähe zum Münchener Hersteller BMW zum Anlass, um BMW-Fans unter dem Namen Alpina noch mehr Freude am Fahren zu bereiten. Alpina trägt sogar das Signet eines eigenständigen Herstellers. Zu den Großen und Erfolgreichen der Branche zählen heute auch Brabus in Bottrop, BMW-Schnitzer in Aachen oder der Allgäuer Porsche-Spezialist Ruf. Insgesamt rund 400 Firmen zählen heute zur nationalen Tuning-Branche, die jedes Jahr ab Ende November mit der Essen Motor Show ihre Weihefestspiele zelebriert.

UNSERE TOP-ANGEBOTE FÜR SIE

MEHR ERFAHREN AUS DEM BEREICH NEWS

Die Transformation: Mit Kia in Walla Walla

Die Transformation: Mit Kia in Walla Walla

Tesla liefert mehr Reichweite

Tesla liefert mehr Reichweite

Elektrischer Familienfreund zum Sparkurs

Elektrischer Familienfreund zum Sparkurs

zoom_photo