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Autonomes Fahren
Längst sind automatische Steuerungssysteme in der Luft und auf dem Wasser alte Hüte. Kaum ein Pilot mag auf die Assistenz eines künstlichen Kollegen verzichten. Schätzungen zufolge werden heute mehr als 95 Prozent aller Flüge von Autopiloten absolviert. Linienpiloten greifen allenfalls bei Start und Landung selbst zum Steuerknüppel. Gleiches gilt im nassen Element: Vom Weltumsegler bis zum Tankerkapitän würde sich heutzutage kaum ein Seemann mehr im Traum einfallen lassen, ständig auf hoher See selbst Kurs zu halten. Auch auf festem Boden ist die Automatik im Kommen. Seit Jahren arbeitet die Automobilindustrie weltweit daran, dass auch ihre Produkte nicht nur den Weg allein finden, sondern ihn auch weit sicherer bewältigen können als das der Mensch schafft.
Volkswagen zum Beispiel treibt die Technologie des automatischen Fahrens schon seit 15 Jahren voran. Bereits 2005 kurvte ein Touareg-Prototyp „Grand Challenge“ automatisch über einen Geländeparcours. Inzwischen stellt autonomes Fahren heute selbst im komplexen Stadt- und Überlandverkehr kein prinzipielles Problem mehr dar.
Das zeigte etwa Mercedes-Benz im August 2013. Damals bewältigte ein seriennaher Mercedes-Benz S 500 „Intelligent Drive“ die rund 100 Kilometer lange Route von Mannheim nach Pforzheim, die Bertha Benz 1888 als erste automobile Fernfahrt der Geschichte zurückgelegt hatte, komplett autonom. Und zum Auftakt der „Consumer Electronics Show“ im amerikanischen Las Vegas legte ein Audi A7 namens „Jack“ Anfang Januar dieses Jahres die rund 900 Kilometer von der kalifornischen Universitätsstadt Stanford bis zum Convention Center in der Spielerstadt (fast) selbstständig zurück. Gleichzeitig rollte der Zukunfts-Mercedes F 015 automatisch über den berühmten Strip von Las Vegas.
Gegenüber der Technik dieser Prototypen gerät ein herkömmliches Fahrerassistenzsystem erheblich ins Hintertreffen, weil sie dem Menschen am Steuer weitgehend – in Zukunft wahrscheinlich ganz – die Arbeit abnehmen kann. Das dient sowohl der Bequemlichkeit als auch der Sicherheit im Verkehr. „Wer nur an die Technik denkt, hat noch nicht erkannt, wie das autonome Fahren unsere Gesellschaft verändern wird. Das Auto wächst über seine Rolle als Transportmittel hinaus und wird endgültig zum mobilen Lebensraum“, erläutert Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG und Leiter Mercedes-Benz Cars. Sein Kollege Ulrich Hackenberg, bei Audi als Vorstandsmitglied für die Fahrzeugentwicklung verantwortlich, macht darauf aufmerksam, dass „weltweit 90 Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr durch menschliches Fehlverhalten verursacht“ werden.
Bevor allerdings hierzulande, wo es als Patent-Motorwagen 1885 immerhin das Licht der Welt erblickte, das Auto selbstständig unterwegs sein darf, müssen Politiker und Juristen eine Reihe von Hindernissen niederreißen. Zur Zeit nämlich dürfen Fahrzeuge in Deutschland völlig autonom in der Öffentlichkeit nur höchstens zehn km/h fahren. Verantwortlich dafür ist das 1968 von den Vereinten Nationen beschlossene sogenannte Wiener Abkommen, in dem festgelegt ist, dass Fahrer oder Fahrerin immer volle Kontrolle über den Wagen haben muss. Autonome Fahrzeuge befinden sich mit dieser Vorschrift auf Kollisionskurs. Zwar wurde mittlerweile der 8. Artikel der Wiener Konvention dahingehend erweitert, dass automatisierende Systeme zulässig sind, aber nur, wenn sie vom Menschen jederzeit abgeschaltet werden können.
Diese Regel erinnert angesichts der fast marktreifen Auto-Roboter an den Red Flag Act, der in Großbritannien zwischen 1865 und 1896 galt. Dieses Gesetz schrieb vor, dass auf der Insel ein Fahrzeug ohne Pferde maximal vier Meilen pro Stunde schnell sein durfte (innerhalb geschlossener Ortschaften nur zwei Meilen), von jeweils zwei Personen geführt und von einem mit einer roten Flagge bewaffneten und voraus eilenden Fußgänger begleitet sein musste. Genutzt hat die Vorschrift nichts. Alleine 1875 starben 1589 Menschen bei Unfällen mit Dampfwagen oder Lokomobilen.
Kein Wunder, dass deutsche Autounternehmen mit ihren automatischen Wagen und damit zugleich mit einer Vielzahl von Arbeitsplätzen für diese Projekte ins Ausland abwandern. Seit September vergibt Kalifornien zum Beispiel Lizenzen für das Testen von autonomen Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen. Bisher gab es diese nur im Nachbarstaat Nevada, dessen Straßen vor allem durch die Wüste führen. Michigan und Florida schlossen sich an. Einzige Vorsichtsmaßnahme: Jedes einzelne Testfahrzeug muss mit 55 Millionen Dollar versichert sein.
Andere Länder, andere Sitten: Die USA haben das Wiener Abkommen gar nicht erst unterschrieben, Schweden interpretiert es auf seine Weise. So werden in Göteborg ab 2017 rund 100 autonom fahrende Volvos mit staatlicher Unterstützung unterwegs sein – auf Autobahnen ebenso wie im Stadtverkehr – und nicht nur autonom fahren, sondern auch autonom parken. Der Test soll dazu führen, dass es in Schweden in einigen Jahren keine Verkehrstoten mehr gibt, was sich die EU schon bis 2020 zum Ziel gesetzt hat. Ähnliche Projekte stehen in China, Großbritannien, Indien, Russland und Singapur unmittelbar vor der Tür oder sind bereits im Gange.
Deutsche Autobosse blicken auf die Entwicklung jenseits unserer Grenzen mit Besorgnis. „Unsere Ministerien müssen handeln, sonst fahren wir hinterher“, sagt Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg im Interview mit der „Wirtschaftswoche“. „Wir meinen, die Behörden überzeugen zu können, dass pilotiertes und vollautonomes Fahren im Sinne der Verkehrssicherheit sinnvoll ist.“
Insgesamt wächst der Druck der Autobauer auf die Politik, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Die Bundesregierung müsse noch in diesem Jahr gesetzliche Voraussetzungen zur Erprobung solcher Autos schaffen, forderte beispielsweise Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche auf dem Neujahrsempfang seines Konzerns in Berlin. Die deutsche Industrie weiche zur Zeit noch für Probefahrten in die USA aus. „Ich hoffe sehr, dass sich das 2015 ändert“, sagte Zetsche. Er befürchte gravierende Nachteile für die deutsche Autoindustrie, wenn die Regierung nicht tätig werde.
Noch besser wäre Testen über nationale Grenzen hinweg. „Während hierzulande noch geredet wird, fahren uns die USA davon: Nevada ist längst nicht mehr der einzige Bundesstaat, in dem autonome Autos auf die Highways dürfen“, schimpft Zetsche. „Deutschland braucht nicht nur die Fähigkeit zur Innovation, sondern auch die Offenheit für Innovation.“ Auch VW-Chef Martin Winterkorn schließt sich der Klage an.
Die Zeit eilt tatsächlich, denn weltweit stehen autonom fahrende Autos kurz vor der Marktreife oder bereits in den Startlöchern. Audi will laut Hackenberg „schon in den kommenden Jahren einen hochautonomen Wagen auf den Markt“ bringen. Elmar Degenhart, Chef des Zulieferers Continental, prognostiziert im Jahr 2020 die Möglichkeit autonomen Fahrens bis zu einer Geschwindigkeit bis 120 Km/h. Auch Daimler glaubt bis dahin an die Einführung eines sich „hochgradig autonom bewegenden“ Vehikels (Zetsche).
Doch wer haftet bei Unfällen mit diesen Autos? Was passiert, wenn die Technik versagt? Noch hat darauf niemand eine Antwort. Der Jurist Professor Eric Hilgendorf von der Universität Würzburg glaubt: „Nach gegenwärtiger Rechtslage sind Fahrzeuge ab einem gewissen Autonomiegrad gar nicht zulassungsfähig.“ Weil die technische Entwicklung den rechtlichen Rahmen längst verlassen hat, sind die Juristen jetzt besonders gefordert. Den Datenschutz, die Produkthaftung sowie das Straßenverkehrsrecht betrachtet Hilgendorf als deren Arbeitsschwerpunkte in den kommenden Jahren.
geschrieben von AMP.net/Sm veröffentlicht am 20.01.2015 aktualisiert am 20.01.2015
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