Bergrennen Kassel: Der Besuch der alten Wagen

Wenn Vorkriegs-Bugatti auf Opel Manta trifft: Rennen für historische Autos haben Konjunktur. Auch beim ältesten Bergrennen Deutschlands in Kassel haben sich zahlreiche Old- und Youngtimer getroffen.

Der Drehzahlmesser zeigt 6 000 Umdrehungen pro Minute. Mit quietschenden Reifen katapultiert sich der Manta von Opel-Pressechef Frank Klaas auf die holperige Strecke. Nach einem kurzen Drift verschwindet der Opel brüllend im Wald des Bergparks. Willkommen beim Herkules Bergpreis in Kassel – dem ältesten Bergrennen Deutschlands.

Bereits von 1923 bis 1927 stand der grüne Hügel am Fuß des Wahrzeichens Herkules weniger für Ruhe und Beschaulichkeit als für quietschende Reifen, lautstarke Motoren und die Jagd nach der schnellsten Runde. Lange bevor die internationale Rennelite – darunter so berühmte Namen wie Rudolf Caracciola, Karl Kappler, Carl Jörns und Fritz Rosenberger – ihre Rundstreckenschlachten auf der Avus in Berlin oder dem Nürburgring austrug, jagte sie in Kassel Zehntelsekunden hinterher.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Wiedergeburt: zwischen 1951 und 1954 wurden Motorradrennen ausgetragen.Mehr als 50 Jahre nach dem Abwinken des letzten Rennens ging es im Jahr 2005 zum ersten Mal wieder auf die historische Strecke – dank Organisator Heinz Jordan und seinem Team. „Zur Premiere kamen 20 000 Zuschauer, vor zwei Jahren waren es schon 50 000″, sagt Jordan. Die Zahl wurde in diesem Jahr noch einmal deutlich übertroffen. 60 000 Zuschauer sollen den Bergpreis besucht haben. Jordan ist sich sicher, dass das Rennen in Kassel daher das am besten besuchte in ganz Deutschland ist. Immerhin kamen 60 Autos[foto id=“88882″ size=“small“ position=“right“] und 20 Motorräder in diesem Jahr nach Kassel.

Im Prinzip dürfen alle Autos mitfahren, die älter als 30 Jahre sind. Die Organisatoren sortieren das Starterfeld jedoch. „Uns ist wichtig, dass immer Originalautos der historischen Rennen mit dabei sind“, sagt Jordan. Im Mittelpunkt des diesjährigen Rennens stand die Marke Bugatti, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert. In den vergangenen vier Wochen hatte Jordan eine Ausstellung mit Exponaten der berühmten Sammlung der Brüder Schlumpf aus Mulhouse organisiert. Darunter der T57 von Pierre Michelin und der Privatwagen von Jean Bugatti. „Das kostete viel Überredungskunst und ist eine kleine Sensation“, sagt Jordan. Die meisten von ihnen sind Prototypen und damit Einzelstücke – und haben in den vergangenen 50 Jahren das Museum nie verlassen. Kein Wunder, dass Jordan den Wert der Autos im zweistelligen Millionenbereich schätzt. Doch es geht in Kassel auch deutlich bodenständiger.

Die in den vergangenen Monaten stark gebeutelte Marke Opel ist bereits zum dritten Mal dabei und mit acht Autos und zwei Motorrädern nach Kassel gekommen. „Die Zuschauer freuen sich einfach, wenn Rennlegenden wie Jockel Winkelhock oder Jochen Berger mit den alten Rallye-Autos an ihnen vorbeidonnern“, sagt Pressechef Frank Klaas. Heimlicher Liebling der Zuschauer war der Opel Grand Prix Rennwagen von 1914. Mit einem Flugzeugmotor und 14 Litern Hubraum ist er zwar nahezu unfahrbar – dafür gefiel der Wagen den Zuschauern aber mit besonders lautem Gebrüll. Lange bevor der alte Rennbolide zu sehen war, konnte man ihn hören. Opel ist übrigens der einzige Hersteller, der sich in diesem Jahr beim Rennen in Kassel beteiligt.

Volkswagen, vor zwei Jahren noch mit einem Team der Autostadt dabei, hatte eine Teilnahme in diesem Jahr abgesagt. Für die meisten Fahrer ist Kassel mehr als nur ein Termin im Kalender. „Ich fahre sechs bis acht Bergrennen im Jahr“, sagt Werner Kirchner. Er besitzt mehrere Oldtimer und war mit einem Bentley Mk. VI Tourer nach Kassel gekommen. Für ihn ist der Herkules Bergpreis so etwas wie das „Deutsche Goodwood“. Das Original, das Goodwood Festival of Speed in England, ist die weltgrößte Rennsportveranstaltung für [foto id=“88883″ size=“small“ position=“left“]historische Rennwagen.

Auch Bernd Hänßler aus Hannover ist mit seinem Bugatti aus dem Jahr 1925 viel unterwegs. „Bis zu zehn Veranstaltungen besuche ich im Jahr“, sagt er. Darunter so prominente Rennen wie der AvD-Oldtimer-Grand-Prix auf dem Nürburgring oder das Klassiker- und Motorradfestival Schloss Dyck. „Mittlerweile steht Kassel aber fest in meinem Kalender.“ Die Nähe zu den Zuschauern, die PS-Gespräche mit anderen Teilnehmern und der Kurs durch den Kasseler Bergpark sind die Gründe, auch in diesem Jahr wieder am Herkules Bergpreis teilzunehmen. Bereits am Freitag hatten sich die Fahrer getroffen, um ihre Fahrzeuge der Öffentlichkeit vor dem Schloss in Wilhelmshöhe zu präsentieren.

Am Samstag startete das Fahrerfeld mit einem Le-Mans-Start in der Kasseler Innenstadt Richtung Bergpark. Tausende Zuschauer bewunderten die alten Wagen an der Strecke. Und wie schon in den 20er Jahren ging es um Sekunden. Doch während damals die schnellste Runde zählte, mussten die Fahrer in diesem Jahr möglichst gleichmäßige Rundenzeiten fahren. Nicht ganz einfach mit den alten ungenauen Tachometern. Trotzdem trennten die Besten im Ziel nur wenige hundertstel Sekunden.

Gewonnen hat in diesem Jahr der Berliner Filmproduzent York-Fabian Raabe auf einem Mini Cooper. „Das war ein hartes Stück Arbeit“, sagt er. Weil die Getriebeübersetzung nicht original gewesen sei, habe er die Rundenzeiten nach Gefühl und Drehzahlmesser fahren müssen. Hänßlers Bugatti ist nicht der einzige, der beim Rennen startete. Auch einige der Prototypen der Schlumpf-Ausstellung durften beim Bergpreis an den Start gehen. Für den weißen Typ 35 mit der Startnummer 26 war es ein Heimspiel: Mit dem 215 km/h schnellen Roadster hat Karl Kappler bereits im Jahr 1927 in Kassel gewonnen.

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