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Da baut man ein Auto wie ein kleiner Paukenschlag. Schließlich ist es damals im Jahr 1973 das erste Serienfahrzeug mit einem Abgasturbolader. Und dann kommt die Ölkrise dazwischen. Mit einem Verbrauch, der gut über die 20-Liter-Marke schießen konnte, hatte dieser kleine BMW 2002 Turbo danach keine Chance mehr.
Wie ein würdiger Urvater der heute ganz selbstverständlich aufgeladenen Limousinen, Cabrios und Kombis wirkt er nun wirklich nicht. Knackig, kompakt geschnitten, dazu noch eine Frontschürze wie aus dem Motorsport und angenietete, stark gewölbte Kotflügel: rein optisch war dieses Exemplar aus der 2002-Familie bereits ein schwarzes Schaf. Kurzfristig hatte man [foto id=“484013″ size=“small“ position=“left“]bei BMW den Schriftzug mit dem Reizwort Turbo spiegelverkehrt am Körper des kleinen Wilden angebracht damit man im Rückspiegel erkennen konnte, wer einem da im Nacken sass. Das hatte seinerzeit sogar eine Debatte im Bundestag zur Folge.
Zumindest was das Baujahr betrifft, ist der Halbstarke von damals inzwischen längst selbst zum Oldie gereift und als Exponat der technischen Historie fast schon wieder politisch korrekt. Zur sechsten Auflage der Hamburg-Berlin-Klassik durfte er nun wieder auf die Straße losgelassen werden. Bei der beliebten Rallye im Norden, die diesmal in umgekehrter Reihenfolge von der Bundeshauptstadt über Schwerin nach Hamburg führte, reihte er sich in ein Teilnehmerfeld, zu dem neben BMW-Legenden wie dem Vorkriegsrennwagen 328 oder einer Rarität wie dem 328 Touring Roadster Berlin Rom auch seltene Schönheiten wie ein Lagonda LG 6, Coupés wie der Iso Grifo (1969) oder der Jensen C-V8, der ebenfalls Mitte der sechziger Jahre entstand, zählten.
Anders als bei den modernen elektronisch geregelten Turbos, die teils mit zwei Ladern schon bei niedrigen Drehzahlen ruhig und sanft anblasen, braucht der 2002 mindestens 4.000 Umdrehungen, um dann unvermittelt wie eine Rakete nach vorne zu schießen. Auf einer Anzeige in der Mittelkonsole kann man verfolgen, wie Ladedruck aufgebaut wird. Irgendwann springt der Zeiger vom weißen Feld in den optimalen kleinen grünen Bereich, um dann im warnenden Orange abzuregeln. Bleibt man beharrlich auf dem Gas und dreht weiter auf, kommt mit der typisch mechanischen Verzögerung auch jener vielbeschworene Turbomoment inklusive Pfeifton. Kein Wunder, dass sich der Rabauke aus München in seiner besten Zeit wie ein Terrier kaum [foto id=“484014″ size=“small“ position=“right“]von anderen Sportwagen abschütteln ließ. Ein Vergnügen, für das man damals – nur – umgerechnet rund 9.400 Euro hinblättern musste.
Mit 1.080 Kilo war der 02-Turbo ein Leichtgewicht, dessen Vierzylinder 125 kW/170 PS entwickelte und über die Kurbelwelle beachtliche 240 Nm Drehmoment an die Hinterachse schickte. Zwar verfügt er über ein Vierganggetriebe, aber die optimale Leistung liefert er im zweiten und dritten Gang. Straff und ein wenig bockig fuhr er während der Rallye über die Kopfsteinpflaster der schönen östlichen Alleen, krallte sich kompakt in die Kurven und röhrte vergnügt vorbei an idyllischen Landschaften. Am zweiten Tag der Fahrt wurde auch der Turbolader geschmeidiger, weil endlich wieder gefordert. Als Halbstarker quittierte er den Ausflug aus dem Bestand der BMW Classic bisweilen auch mit Fehlzündungen.
Nicht alle der gut 180 gemeldeten Fahrzeuge dieser Oldtimer- und Youngtimer-Ausfahrt waren so kostbar noch so majestätisch entrückt wie die Rolls-Royce oder Bentley, die durch die Weiler Mecklenburg-Vorpommerns oder Schleswig-Holsteins vorbeiflüsterten. Der Charme dieser Rallyes ist ja das geradezu klassenlose Nebeneinander von Zeitzeugen wie beispielsweise Opel Kadett und VW Käfer, von Skoda Tudor 1101 (1948) und Willys Overland MB-Jeep (1943), von Aston Martin neben Alfa Romeo und Chevrolet neben Jaguar. Und wie bei den vielen Rallyes, die inzwischen den Sommerkalender der stolzen Besitzer füllen, ging es auch hier nicht um das Ausspielen von PS und Leistungsgewicht, sondern um Gleichmäßigkeit und den geschickten Umgang mit den Stoppuhren. Bei den Wertungsprüfungen, die den malerischen Verlauf der Strecke mit [foto id=“484015″ size=“small“ position=“left“]Adrenalin würzten, waren vor allem die Rechenkünste des Beifahrers gefragt. Wie schnell darf man fahren ohne anzuhalten, wenn es gilt so und so viele Meter in einer exakten Zeitvorgabe zu meistern? Was sind zum Beispiel 0,055 Stunden?
Die vielen Zuschauer am Straßenrand und auf den Marktplätzen, die engagiert jeden edlen Oldtimer oder die teilnehmende Prominenz wie Kochstar Horst Lichter und Olympiasieger Katharina Witt und Andre Lange bejubelten, hatten nicht immer Augen für den 02-Turbo, schließlich passierte er mit der Startnummer 64 die Etappenziele nach den spektakulärsten Meilensteinen der Mobilität. Als hätten sie es aber irgendwie vorher geahnt, bauten seine Schöpfer seinerzeit eine zusätzliche Fußhupe ein. Dieser Wow-Effekt, der während der Rallye Erwachsene aufschreckte und Kinder regelrecht verzückte, ist bei heutigen BMW-Modellen leider nicht mehr erhältlich. Selbst in Dörfern, die mit Plakaten eine Verkehrsberuhigung forderten, sorgte der weißblaue Hupenschreck für Verzückung. Für den Konvoi der Vergangenheit nehmen sich eben alle eine Auszeit von den Problemen der Gegenwart.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 24.09.2013 aktualisiert am 24.09.2013
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