Fahrbericht

BMW G 310 R: Klein, aber extrem fein

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"Das ist eine vollkommene, hundertprozentige BMW." Was immer jeder einzelne darunter genau verstehen mag - Stephan Schaller, Leiter BMW Motorrad, hat mit dieser Behauptung in jeglicher Hinsicht recht. Als erste kleine BMW seit Jahrzehnten mit nur 313 ccm Hubraum überrascht die neue G 310 R bei ersten Testfahrten auf ganzer Länge, und zwar positiv: Der Motor erweist sich als erstaunlich quirlig, das Fahrwerk gibt sich selbst bei forscher Fahrweise angenehm neutral, die Verarbeitung überzeugt in jeder Hinsicht. Und all das bietet BMW ab 1. Oktober 2016 zum fair klingenden Preis von 4.750 Euro an. Damit bleiben die Bayern nicht nur unter der magischen 5.000er-Marke, sondern unterbieten die direkte Konkurrenz deutlich - die Kawasaki Z 300 etwa kostet immerhin 5.195 Euro. Die Gegend rund um den oberbayerischen Ammersee: Immer wieder verwöhnen langgezogene Kurven die Fans der schnell von links nach rechts wechselnden Schräglage. Aus engeren Ecken heraus ist Druck auf der Kette gefragt, wenn man solche Straßenläufe mit dem Motorrad richtig genießen will. Kaum zu glauben, aber wahr: Mit den 25 kW/34 PS der kleinsten BMW seit langer Zeit hat man hier richtig Spaß. Zwar liegt die Spitzenleistung erst bei 9.500/min und somit fast bei Höchstdrehzahl an, und maximale 28 Newtonmeter Drehmoment entstehen auch erst 2.000/min früher. Dennoch hängt der Einzylinder gut am Gas und werkelt quicklebendig vor sich hin, wenn man ihm die nötige Drehzahl gönnt. Er harmoniert weitgehend mit dem Sechsgang-Getriebe. Nur die oberen beiden Gängen scheinen etwas kurz übersetzt, so dass der 313er-Motor im 6. Gang bei 80 km/h schon 5.000/min dreht. Und manchmal lässt sich im Stand der Leerlauf regelrecht bitten, ehe er zwischen 1. und 2. Gang einrastet. Das Triebwerk schluckt nur unter extremem Einsatz der Gashand mehr als 4,0 Liter auf 100 Kilometer. Im Normalfall wird man immer bei beachtlichen 3,2 Liter landen und kommt selbst mit dem bescheiden wirkenden 11-Liter-Tank fast 350 Kilometer weit. Dabei klingt der Single auch noch knackig. Ungewöhnlich: Da der Zylinderkopf um 180 Grad nach hinten verdreht ist, liegt der Ansaugtrakt vorn, der Auspuff hinten. Das ermöglicht geradlinige Wege für Frischgas und Abgas sowie eine platzsparende Bauweise. Die deshalb mögliche lange Hinterradschwinge bringt den kurzen, für hohe Agilität sorgenden Radstand mit sich. Dies und hochwertige Komponenten wie eine Upside-down-Galbel vorn summieren sich in vorbildlichem Fahrverhalten. BMW hat bei der Entwicklung seines nunmehr kleinsten Motorrads offenbar an den richtigen Stellen gespart: Die G 310 R entsteht beim indischen Kooperationspartner TVS in Bangalore. Die Inder bauen 3 Millionen motorisierte Zweiräder pro Jahr. Über intensive Qualitätssicherung haben Abgesandte aus dem Berliner BMW-Hauptwerk über Jahre hinweg dafür gesorgt, dass die indischen Hallen jetzt ein markentypisches Produkt verlässt. Die BMW G 310 R glänzt, wo man auch hinsieht, mit sehr guter Verarbeitung - unter anderem mit auffallend sauberen Schweißnähten. Das Fahrgefühl auf der "Drei Zehner", wie die neue Kleine im BMW-internen Jargon längst heißt, ist absolut befriedigend, ja erstaunlich. Fahranfänger dürften sich auf dem nur 158,5 Kilo leichten Hobel und mit 785 Millimeter Sitzhöhe ebenso wohl fühlen, wie die ältere Generation der Wiedereinsteiger. Erstaunlich: Selbst sehr groß gewachsene Biker kommen mit dem zierlich wirkenden BMWchen gut zurecht. Jüngere und Ältere also sollen mit Hilfe der günstigsten BMW seit langem neu dazu gewonnen werden, dazu weitere frische Kundschaft in neuen Regionen. Dazu gehört besonders Asien mit China, aber auch Amerika, vor allem mit Brasilien im Süden. So soll die neue G 310 R mit hohen Stückzahlen wesentlich dazu beitragen, dass BMW Motorrad das ehrgeizige Ziel von 200.000 Einheiten bis zum Jahr 2020 auch wirklich erreichen kann. Die Marschroute stimmt derzeit: Im ersten Halbjahr 2016 verließen über 80.000 BMW-Bikes die Werkshallen - das sechste Rekordjahr in Folge kündigt sich somit an für die erfolgsverwöhnte Motorradmarke.Der eigene Anspruch, die G 310 R habe Ähnlichkeit zum Power-Roadster S 1000 R mit 118 kW/160 PS, klingt zwar arg hochgegriffen. Aber: Auf den ersten Blick hält man die 34 PS-Maschine zumindest für eine F 800 R. Und einige Details erinnern tatsächlich frappierend an hubraum- und leistungsstärkere Markenschwestern. Im Vergleich zur Konkurrenz hinkt die kleine BMW zwar in Sachen Leistung etwas hinterher - zum Beispiel gegenüber den 44 PS der KTM 390 Duke. Aber Baureihenleiter Nikolaus Bauer betont, dass die KTM kein angepeilter Rivale sei. Ihre extrem dynamische Auslegung sei etwa von der aggressiven Sitzposition her auf eine sehr spezielle Zielgruppe ausgerichtet. Mit der G 310 R wolle BMW hingegen eine viel breitere potenzielle Kundschaft ansprechen - eher wie die Kawasaki Z 300, die bei nur 5 PS mehr Leistung deutlich mehr kostet. Nach unseren ersten Testfahrten könnte das sicherlich gelingen. Die Kombination aus quirligem Motor, souveränem Fahrwerk, hochwertiger Verarbeitung und reichhaltiger Ausstattung samt ABS, verstellbarem Federbein hinten und Ganganzeige ist überzeugend, besonders zum Preis deutlich unter 5.000 Euro. Wer momentan Wetten abschließen möchte, kann ruhig schon mal drauf setzen, dass BMW die 200.000er-Schallmauer in vier Jahren durchbricht - die neue kleine BMW aus Indien wird einen großen Anteil daran haben.

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Technische Daten BMW G 310 R

Motor: flüssigkeitsgekühlter Einzylinder-Viertakt-Motor
Hubraum: 313 ccm
max. Leistung: 25 kW/34 PS bei 9.500/min
max. Drehmoment: 28 Nm bei 7.500/min
Getriebe: klauengeschaltetes Sechsgang-Getriebe, Kette
Rahmen: Stahlrohrrahmen in Gitterbauweise
Fahrwerk Federung vorn: Upside-down-Telegabel 41 mm, hinten: Aluminiumschwinge mit direkt angelenktem Federbein
Bremsen: vorn Einscheibenbremse 300 mm, hinten Einscheibenbremse 240 mm, ABS
Reifen: vorn: 110/70 ZR17, hinten: 150/60 ZR17
Sitzhöhe: 785 mm
Tankinhalt: 11 l
Leergewicht: 158,5 kg
zul. Gesamtgewicht: 345 kg
Höchstgeschwindigkeit: 143 km/h
Kraftstoffverbrauch (WMTC): 3,33 l/100 km
Preis: 4.750 Euro

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