Brief aus New York: GM unter heftigem Beschuss – aber die Verkaufszahlen stimmen

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Die Affäre um 2,6 Millionen in die Werkstätten zurückgeholte GM-Fahrzeuge entwickelt sich für den Konzern zum Drahtseilakt. Zweimal musste die frischgebackene GM-Chefin Mary Barra vor dem Kongress antraben, um sich den Fragen der Politiker zu stellen. Und denen ging es vor allem darum, an einem angeblich skrupellosen und gierigen Unternehmen ein Exempel zu statuieren – sowie sich für den nächsten Wahlkampf als gnadenlose Aufklärer zu positionieren. Und so glichen die Fragen, mit denen Frau Barra konfrontiert wurde, wie ein Ei dem anderen – benötigt doch jeder Politiker seinen persönlichen Videoclip.

Der Zeiger auf der Empörungsskala schlug übrigens zuverlässig mit höchster Amplitude aus, wenn die Rede auf die Entschädigungszahlungen kam. Der tatsächliche Erkenntniswert der Anhörung hielt sich dagegen in Grenzen, und tatsächlich hat GM die internen[foto id=“506562″ size=“small“ position=“right“] Untersuchungen noch gar nicht abgeschlossen. Frau Barra hat deshalb mit ihren Antworten, die zumeist im Allgemeinen verharrten, auch alles richtig gemacht. Und nicht nur dies: Sie hat als Aufklärer den bekannten Anwalt Feinberg angeheuert, der in der Politik hohes Ansehen genießt; sie hat sich öffentlich zur Verantwortung des Konzerns bekannt; und sie hat Hinterbliebene besucht.

Denn es hat 13 Opfer gegeben, die mit dem Auslöser des Rückrufs in Zusammenhang gebracht werden: Bei einigen Modellen neigt das Zündschloss unter Schlageinwirkung zum Zurückspringen, wodurch das Auslösen der Airbags verhindert werden kann. Es steht allerdings keineswegs fest, ob der Airbag in den wenigen Fällen die tödlichen Verletzungen verhindert hätte – denn die Unfälle waren teilweise von sehr hohen Aufprallgeschwindigkeiten geprägt. Und da zudem teils auch noch Alkohol im Spiel war, präsentierten sich die Szenarien ursprünglich – und eigentlich auch noch heute – als unübersichtlich und unklar. Klar ist dennoch schon heute, dass GM sich auf Entschädigungszahlungen in Höhe von einer Milliarde Dollar, vielleicht auch ein Mehrfaches dieser Summe, einstellen muss.

Es bleibt abzuwarten, ob sich das Image von GM von diesem Schlag rasch erholen kann – oder ob das Kesseltreiben jetzt erst richtig losgeht. Sollte letzteres der Fall sein, sind drastische Auswirkungen nicht mehr ausgeschlossen. Der hervorragend informierte Branchenbeobachter Peter De Lorenzo malt auf seinem Blog „autoextremist.com“ bereits das Orakel einer Zerschlagung des Konzerns an die Wand. Und er wirft noch eine andere Frage auf: Was wusste der abgelöste GM-Chef Dan Akerson von dem bevorstehenden Skandal, und wie hat er den Konzern darauf vorbereitet? Es dürfte ihre Gefühlslage akkurat widerspiegeln, wenn GM-Urgestein Mary Barra die Vorgänge um den Rückruf vor dem Kongress als „verstörend“ und „inakzeptabel“ charakterisiert.

GM führt die Charts an[foto id=“506563″ size=“small“ position=“left“]

Wenigstens zeigte sich die Kundschaft bisher gänzlich unbeeindruckt. Der Marktanteil von GM auf dem US-Markt lag im März bei 16,7 Prozent, gefolgt von Ford mit 15,8 Prozent und Toyota mit glatten 14 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat verbesserte sich GM damit um beachtliche 4,1 Prozentpunkte, Rückruf hin oder her. Interessanterweise gehörten Hyundai und Kia zu den Verlierern, und auch Volkswagen bewegte sich mit einem Marktanteil von 3,3 Prozent nur seitwärts.

Heruntergebrochen auf die Modellreihen setzte es für GM allerdings eine herbe Enttäuschung. Hier liegt Ford mit über 70 000 Einheiten der F-Serie unangefochten in Führung und das, obwohl der schwere Pickup ein Auslaufmodell ist und im Herbst ersetzt werden soll. Die nagelneue Silverado-Baureihe von Chevrolet musste sich hingegen sogar auf Platz drei verweisen lassen, vom Ram Pickup aus dem Chrysler-Konzern. Das Bild korrigiert sich zwar, wenn die baugleichen GMC-Sierra-Modelle auf den Chevrolet Silverado addiert werden. Doch selbst gemeinsam kommen die neuen GM-Pickups nicht an die Ford F-Serie heran.

Nach den drei schweren Pickups von Ford, Chevrolet und Ram folgt in der Zulassungsstatistik erst auf Platz vier ein Personenwagen: der erfolgsverwöhnte Toyota Camry. Ihm folgen auf Platz fünf und sechs der schwungvoll gezeichnete Nissan Altima sowie der früher einmal auf den Spitzenplatz abonnierte Honda Accord. Erst auf Rang sieben kommt mit dem Ford Fusion der erste Personenwagen amerikanischer Provinienz.

Das Erfolgsrezept des Camry besteht darin, nirgendwo anzuecken; die Toyota-Entwickler haben die Empfehlungen der geschäftstüchtigen Berater von J.D. Power und der Verbraucher-Bibel „Consumer Reports“ getreu umgesetzt und in Blech gepresst. Herausgekommen ist eine zuverlässige und preiswerte Stufenheck-Limousine bar jeden Charakters. Beim Nissan Altima polarisiert wenigstens die Form, und der Honda Accord beweist in vielen Details, dass die Marke in Sachen Fahrfreude und Präzision weiterhin eine Sonderstellung besitzt.

Modelle mit deutschen Wurzeln spielen mit Ausnahme des Ford Fusion, an dessen Entwicklung Ford Köln beteiligt war, nur eine untergeordnete Rolle. Weder der US-Passat von VW noch der Buick Regal – ein leicht modifizierter Opel Insignia – können dem Platzhirschen gefährlich werden.

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