Concorso d’Eleganza: Geschichte und Geschichten

Schöne Landschaft, schönes Wetter, schöne Autos – schöne Geschichten. Wer mit seinem Oldtimer zum Concorso d’Eleganza an den Comer See geladen werden will, der braucht mehr als einen guten Restaurator.

Eines „seiner“ Autos

Aldo Brovarone strahlt. Der 83-jährige Italiener mit dem dichten Schnauzbart und den wilden grauen Haaren über der hohen Stirn sitzt als dritter Passagier mit in dem Cisitalia-Ford Cabrio, das beim Concorso d’Eleganza vor dem Haupteingang der Villa d’Este am Comer See auffährt. Der quirlige alte Herr strahlt nicht ohne Grund: Es ist eines „seiner“ Autos. Er hat es als Designer vor 58 Jahren maßgeblich mit entworfen, bevor es zu Ford in die USA gegangen ist. Nun ist das Cabrio zum ersten Mal wieder in die Heimat zurückgekehrt.

Geschichten wie die des Cisitalia-Ford 808XF von 1952, der heute ein kalifornisches Nummernschild trägt und einem kanadischen Sammler gehört, machen den besonderen Charme der ältesten und wohl auch berühmtesten europäischen Oldtimer-Veranstaltung aus. [foto id=“293280″ size=“small“ position=“right“]Das Cabrio hatte Ford 1951 bei der klammen italienischen Autofirma Cisitalia in Auftrag gegeben. Henry Ford II., selbst einer der ersten Besitzer eines Cisitalia 202, hatte der Legende nach seinem Vater Edsel auf dem Sterbebett versprochen, dessen Traum von einem Ford-Sportwagen mit italienischem Flair wahrzumachen. Der 3,7-Liter-Sechszylinder und die Technik sollten von Ford kommen, für das Design war Cisitalia zuständig. Einer der Designer des Cisitalia-Ford war der junge Brovarone, der später bei Pininfarina zu Weltruhm gekommen und bis 1988 dort Chefdesigner war. Von seinem Zeichenbrett stammen unter anderem der Lancia Gamma oder der Ferrari 365P Berlinetta Speciale.

Doch ein Cabrio und ein Coupé als Prototypen haben den Technikern bei Ford damals schnell gezeigt, dass die standardisierte Fließbandproduktion nicht mit der Handarbeit der italienischen Karosseriebauer zusammengehen würde. Da hatte auch nicht geholfen, dass Henry Ford II. angesichts des Prototypen befunden hatte: „Das beste italienische Auto, das ich je gesehen habe.“ Aus der Serienproduktion ist nichts geworden, Cisitalia ist pleite gegangen und kurze Zeit später hatte Ford den Thunderbird auf den Markt gebracht.

Die Mystik klassischer Automobile

Solche Geschichten sind gemeint, wenn der Veranstalter der Concorso d’Eleganza, der alljährliche Schönheits-Schau im Grand Hotel Villa d’Este am Comer See, selbstbewusst sagt: „Wir zelebrieren die Mystik klassischer Automobile.“ Neben Pebble Beach in Kalifornien gehört der Concorso, der jeweils am letzten Aprilwochenende eines Jahres stattfindet, zu den wichtigsten Oldtimer-Veranstaltungen der Welt. Entsprechend illuster ist der Fahrzeugpark – und die Auswahl der geladenen Gäste. Zumindest am Samstag. Am Sonntag dann rollen die Klassiker einen Steinwurf weiter zur Villa d’Erba, deren Park dann für das zahlende Publikum geöffnet wird.

Concorso in der Villa d’Este

Zum ersten Mal ist der Concorso in der Villa d’Este, einem ehemaligen Bischofspalast mit einem großen Park direkt am Seeufer, im Jahre 1929 veranstaltet worden. Damals sind viele der Prunkstücke, die hier heute mehr oder weniger lautstark über den Rasen knattern, noch nicht einmal in Blech gehämmert gewesen. Entsprechend ist es auch mehr darum gegangen, herausragende aktuelle Auto-Neuheiten zu prämieren. Als Siegestrophäe hatte der „Coppa d’Oro Villa d’Este“ gewunken. Bis 1949 hatte dieses Konzept funktioniert – dann hat das Fließband dafür gesorgt, dass es kaum noch prämierungswürdige Einzelstücke gab.

Wiederbelebt worden ist die Idee dann Mitte der 80er Jahre – als Schönheitskonkurrenz für edle Oldtimer und zunächst noch in eher lockerer Folge. Zur festen Institution hat sich der Concorso erst entwickelt, als 1999 BMW auf der Suche nach einem zugkräftigen Event die Schirmherrschaft übernommen hat. Bei dem durchweg fachkundigen Publikum, [foto id=“293281″ size=“small“ position=“left“]das aus der ganzen Welt zum Comer See anreist, ist die Veranstaltung auch deswegen besonders beliebt, weil man sich ohne große Absperrungen und auf Tuchfühlung mit den Autos bewegen kann. Anfassen gehört sich nicht – aber das ist auch schon so ziemlich die einzige stillschweigend vereinbarte Regel. Eingeladen worden sind in diesem Jahr insgesamt 105 Oldtimer und fünf Designprototypen. Wer hier mit seinem Oldtimer eine Chance haben will, der braucht ein perfekt auf den Originalzustand hin restauriertes Fahrzeug mit funktionierender Technik und eingebauter Ästhetik. Und eben einer spannenden Historie.

Ein weiteres Beispiel dafür ist der BMW 328 Mille Miglia von 1937. Er ist bis 1950 einer der in Europa erfolgreichsten Rennwagen gewesen und hat die 2-Liter-Klasse dominiert. 1939 baute BMW drei Stück davon auf – mit einem leichten, filigranen Rahmen, offener und stromlinienförmiger Karosserie und einem 96 kW/130 PS starken Sechszylindermotor. Nach diversen Umbauten und Starts bei der Mille Miglia hatte er ab 1945 eine Odyssee von Berlin über Moskau nach Riga hinter sich gebracht, bevor er wieder nach Deutschland zurück gekommen und sorgfältig restauriert worden ist.

Concept Cars

Seit 2002 sind am Comer See auch wieder Concept Cars zu sehen, die zum Teil speziell auf diesen Anlass hin entwickelt oder aufgebaut worden sind. BMW zum Beispiel feiert außer Konkurrenz die Weltpremiere des 328 Kamm Coupés. Das Original ist Anfang der 1950er [foto id=“293282″ size=“small“ position=“right“]Jahre nach einem Unfall verschrottet worden – nun haben die Münchner es für ihr Museum wieder auferstehen lassen. Ihm zur Seite stehen in diesem Jahr ähnlich seltene Einzelstücke. Dazu gehören ein zum Shooting Brake umgebauter Bentley Continental, ein goldener Ferrari P540 Superfast Aperta, der ein Auto aus einem Fellini-Film zitiert, ein Alfa Romeo TZ3 Corsa von Zagato und eher futuristisch anmutende Studien von Italdesign und Spardaconcept. Gewonnen hat den Coppa d’Oro Villa d’Este in diesem Jahr übrigens ein wunderschönes Cabrio: der Maserati A6GCS aus dem Jahre 1955. Aldo Brovarone wird das ganz besonders gefreut haben – auch dieser Maserati stammt aus seiner Feder.

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