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Oldtimertreffen
Ausnahmezustand in Cernobbio: Bekleidungsgeschäfte der lombardischen Kleinstadt legen Panama-Hüte in die Auslage, Buchläden locken Kunden mit Bildbänden über historische Pkw. PS-gesättigter Kolonnenverkehr schlängelt sich im Schritttempo die Uferstraße am Comer See entlang. Auf dem weitläufigen Anwesen der Villa d’Este ist es wiedermal soweit: Das automobile Schaulaufen des Concorso d’Eleganza ist im Gange.
Vor 89 Jahren fand die Veranstaltung zum ersten Male statt, was damals faszinierende Neuwagen waren, sind heute nicht weniger faszinierende Oldtimer. Doch Neuwagen gibt es immer noch, sogar solche, die es (noch) gar nicht gibt: Prototypen und Konzeptfahrzeuge machen einen erheblichen Teil der gezeigten Preziosen aus. Vor allem aber geht es um eines: Schönheit. Das Publikum stimmt mit ab und vergibt den Coppa d'Oro, den goldenen Pokal, den das optisch und emotional ansprechendste Fahrzeug, das schönste im Reigen der Schönen gewinnt.
Wie alle bedeutenden Oldtimer-Veranstaltungen der Welt hat auch der Concorso d’Eleganza bescheiden begonnen. Mit dem Wachstum kam die Professionalisierung, seit 13 Jahren ist die BMW Group Classic gemeinsam Veranstalter mit dem Grand Hotel Villa d’Este. Es überrascht deshalb nicht, dass der Münchener Konzern das Spektakel zu Füßen des Monte di Lenno nutzt, um Konzept- und Serienautomobile einem ebenso fachkundigen wie zahlungskräftigen Publikum zu präsentieren. Am Eröffnungstag erstmals live zu sehen war der Rolls-Royce Cullinan, das erste allradgetriebene Fahrzeug der Marke, für das die Edelschmiede schon mehrere hundert Bestellungen in den Büchern hat und der damit bald zum erfolgreichsten Modell in der 114-jährigen Geschichte der britischen BMW-Tochter wird.
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Eine „neue Interpretation von Luxus“ stellt nach Ansicht des Ausrichters das Concept-Car M8 Gran Coupé dar. Erst kürzlich war das Licht der Öffentlichkeit auf die Neuauflage der 8er-Baureihe (G17) gefallen, und dass die viertürige Version in ein Serienfahrzeug mündet, kann als wahrscheinlich angesehen werden. Da auch Zweiräder seit Jahrzehnten zu den Schaustücken des Concorso gehören, gibt das Motorrad Concept 9 Cento einen Ausblick auf ein Adventure-Sport-Modell für die neue Mittelklasse. Durch reichliche Verwendung von CFK-Werkstoffen und Aluminium soll es Leichtigkeit und Agilität verbinden mit dem Fahrkomfort für ausgedehnte Touren und bietet lange Federwege.
Eine dicke Menschentraube hat sich um ein flaches, rotes Objekt versammelt, hundertfach klicken Kameraauslöser, nur vereinzelt ist zwischen den Leibern ein Stück Scheinwerfer oder eine Kotflügelrundung zu sehen. Keinen Steinwurf entfernt, stehen Rolls-Royce und Packard aus den 30ern, ein Ferrari GTO, ein bildschönes Corvette-Coupé, mehrere Jaguar und Bugatti, die viel weniger Neugier erzeugen. Erst beim Nähertreten offenbart sich die Anziehungskraft des kleinen Coupés, es ist ein Alfa Romeo 33/2 Stradale aus dem Jahr 1968, am zweiten Veranstaltungstag prämiert mit dem Coppa d'Oro.
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Etwas abseits verfolgt Albert Spiess das Schauspiel mit einer Mischung aus Stolz und Vergnügen. Ihm gehört der Zweisitzer, und er kann sicher sein, dass das Publikumsvotum seinen Oldtimer nicht unverdient getroffen hat. Der Alfa 33 Stradale ist nicht nur ein erfolgreicher Rennwagen – zum Beispiel auf der legendären Targa Florio in Sizilien – gewesen, sondern er zählt auch zu den gelungensten Kreationen der Marke. Harmonie im Design, Leistung auf der Straße und aus heutiger Sicht unvergleichliche Exklusivität vereinigen sich in diesem Sportwagen. Dass er einen zwei Liter großen Acht-Zylinder-Motor mit 230 PS besitzt, und zu besten Zeiten 260 km/h lief, spielt für die Schaulustigen eher eine untergeordnete Rolle.
Nur acht Stück sind davon je gebaut worden. „Unverkäuflich“, sagt Albert Spiess knapp und wehrt damit jeden Versuch ab, den Wert des Sammlerstücks zu taxieren. Doch wenn die Aussage zutrifft, die einem deutschen Besitzer solch eines Alfa zugeschrieben wird und der unmittelbar nach der Prämierung davon erfuhr, dann bekommt man eine Idee, welche Werte am Concorso-Wochenende im Park am Seeufer versammelt sind. „Unter 30 Millionen würde ich meinen nicht weggeben“, soll er spontan gesagt haben, eine Summe, die Kenner der Auktionsszene durchaus für realistisch halten.
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Wer sich der Pflege automobiler Kulturgüter verschreibt, dem fehlt es gewöhnlich nicht an finanzieller Unabhängigkeit. Albert Spiess besaß ein Unternehmen der Lebensmittelbranche, seitdem er es verkauft hat, widmet er sich komplett seiner Oldtimersammlung. Für ihre Verwaltung hat er eigens eine Firma gegründet, eine Teilzeitkraft kümmert sich darum. Diskretion gilt in der Welt historischer Fahrzeuge ebenso viel wie Geld, weshalb der Eigner des prämierten Alfa sich auch nicht zum Umfang seiner Besitztümer äußern möchte: „Kein Kommentar. Nächste Frage bitte.“
Es steht außer Zweifel, dass er mit seinen Vorräten allein eine veritable Ausstellung beschicken könnte. „Man hat immer zu wenig Platz“, ist seine Erfahrung. Den Schwerpunkt hat er auf italienische Fabrikate gelegt. Seine Bekanntschaft mit dem ehemaligen Aston-Martin-Chef Ulrich Bez machte ihn auf die vom italienischen Designsudio Zagato veredelten Modelle aufmerksam. So kamen Exemplare der britischen Marke hinzu. Mittlerweile hat sich allerdings ein gewisser Sättigungsgrad eingestellt. Erweitern will der 68-jährige Enthusiast seine Bestände nicht mehr, „nur noch verbessern“. Was einst aus der Sammlung wird, ist noch nicht entschieden. Zwar teilt seine Frau die Leidenschaft für noble Karossen, aber „unsere Kinder sind die Autos“.
Außer den Reichen und Schönen finden sich zum Schaulaufen in den Parkanlagen von Villa d'Este und Villa Erba auch zuverlässig Vertreter jener Spezies ein, die diesen Status anstreben, ohne ihn bereits in Reichweite zu haben. Die Vielfalt der Hutkreationen auf weiblichen wie männlichen Köpfen könnte bald das Niveau der Rennwoche in Ascot erreichen. Nicht immer sind diese und andere modische Gewagtheiten von Geschmackssicherheit geprägt, so dass unbedarfte Besucher den Titel der Veranstaltung versehentlich mit „Konkurs der Eleganz“ übersetzen könnten.
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Missverständnisse beim Betrachten der prunkvollen Karossen sind durchaus nicht selten, denn der Aufwand, mit dem vermögende Zeitgenossen schon in den 30er Jahren ihre Kaleschen noch opulenter gestalten ließen, kann heutiges Vorstellungsvermögen schnell übersteigen. So schwärmte ein Schaulustiger angesichts eines Rolls-Royce Phantom von 1929, der später von Nelson Rockefeller genutzt wurde, von den „schönen Messingsapplikationen“ an Kühler, Spiegeln und Radabdeckungen. Offenbar war ihm entgangen, dass alle sichtbaren Metallteile an diesem Fahrzeug vergoldet sind.
Einen Hauch von Hollywood durchwehte den Concorso d’Eleganza schon immer, dieses Jahr ist dem Filmthema eine eigene Teilausstellung gewidmet. Die Leinwandagenten James Bond und Ethan Hunt bedienten sich für ihre halsbrecherischen Asphaltjagden gern aus dem Portfolio der Bayerischen Motoren Werke, auch die Comedygestalt Mr. Bean. Anhand von Originalrequisiten lässt sich hinter spektakuläre Einstellungen und Inszenierungen blicken, was letztlich auch zur Entzauberung von Actionsstars beitragen kann. Tom Cruise zum Beispiel brauchte für eine Szene in „Mission Impossible“ gar nicht besonders gut Motorrad fahren zu können. In einem an Stelle des Vorderrades mit dem Krad fest verschraubten Stahlkäfig sorgte ein Stuntman für die atemberaubenden Schräglagen.
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geschrieben von AMP.net/jri veröffentlicht am 28.05.2018 aktualisiert am 28.05.2018
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