Continental-Hauptversammlung: Die Musik spielt in Asien

An den Anfang eines guten Referates gehört ein Gag, sagte sich offenbar Elmar Degenhardt, der Vorstandsvorsitzende der Continental AG in Hannover. So stellte er heute in Hannover seinem Bericht auch diese Frage vor der Hauptversammlung voran: Wer Winter- und Sommerreifen nutzt, der hebe den linken und den rechten Arm. Und hunderte Armpaare gingen in die Luft. Was wäre das für ein Bild gewesen, wenn man hätte fotografieren dürfen: Die Aktionäre ergeben sich dem Vorstand.

Kritische Fragen kamen dennoch in der Aussprache über den Degenhardt-Bericht. Doch von der Kampfstimmung gegen den Großaktionär Schaeffler in den Hauptversammlungen der beiden zurückliegenden Jahre war nur noch wenig übrig. „Ich merke, dass Sie heute besser gelaunt sind, als vor einem Jahr“, stellte Elmar Degenhardt, Vorstandsvorsitzender der Continental AG, gleich zu Anfang dazu fest. Die Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2010 ließen kaum Kritik zu. Im vergangenen Jahr hatte Continental den Umsatz um rund zehn Prozent auf 28,5 Milliarden Euro steigern können. Das operative Konzernergebnis (EBIT) stieg 2010 um rund drei Milliarden Euro auf 1,9 Milliarden Euro. Conti konnte die Netto-Finanzschulden auf nun 7,3 Milliarden Euro senken.

Das erste Quartal 2011 lief ebenfalls gut. Um ein Fünftel stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 7,3 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) liegt in den ersten drei Monaten mit knapp 634 Millionen Euro um rund 140 Millionen Euro über dem Wert in den ersten drei Monaten des Vorjahres. Vorstandsvorsitzender Degenhardt erwartet auf der Basis dieser Zahlen für das Gesamtjahr 2011 Rekordzahlen. Da mault ein Aktionär nicht, auch wenn Degenhardt keine Dividende für 2010 zahlen will. Das Geld soll seiner Meinung nach in den Abbau der Schulden aus dem Kauf von Siemens-VDO fließen.

Mit weniger Schulden und mehr Cash flow will Continental die Schlagkraft entwickeln, die das Unternehmen haben will, um seine Ziele zu erreichen. Die sind ehrgeizig, trotz der Unsicherheiten durch Währungskrise, Rohstoffpreiserhöhungen und den Folgen des japanischen Desasters.

Degenhardt sieht die Chancen der Continental weit im Osten, in Asien. „Dort spielt die Musik. Dort liegen die wesentlichen Schwerpunkte für unser zukünftiges Wachstum“, ruft er den Aktionären zu. Schon 2010 habe der Konzern in Asien beim Umsatz um nahezu die Hälfte zugelegt und über vier Milliarden Euro umgesetzt. „Und wir geben dort weiter Gas.“ In China will Conti überproportional profitabel wachsen, aber auch in Indien, Brasilien und Russland.

Die Automotive-Divisionen der Conti haben für Asien die Zielvorgabe erhalten, schrittweise von derzeit 21 Prozent Umsatzanteil auf 30 Prozent zu steigern. Auch die Reifen-Divisionen leben mit einer ähnlichen Vorgabe. Im chinesischen Hefei lief Anfang des Jahres das neue Reifenwerk an, und in Indien will das Unternehmen den Reifenproduzenten Modi kaufen. Auch ohne diesen Zukauf verfügt Continental in Asien heute bereits über rund 40 Produktionsstätten und 30 Vertriebsbüros. 25 000 der rund 150 000 Conti-Mitarbeiter schaffen heute schon in Asien.

Dabei will Continental in der Region für die Region arbeiten. „Wir wollen vor Ort entlang der gesamten Wertschöpfungskette agieren“, sagt Degenhardt. „Von der Forschung und Entwicklung über den Einkauf, die Fertigung bis zum Vertrieb.“

Was sein Credo („Erschließung neuer Märkte durch Investitionen in neue Werke“) für die Produkte bedeuten kann, wird deutlich, wenn Degenhardt die Megatrends beschreibt, die sich Conti zunutze machen will. An erster Stelle nennt er den Trend zu Autos für den kleinen Geldbeutel. Das Beispiel vom indischen Einsteiger-Auto Tata Nano steht im Raum, wenn er sagt, Continental entwickelt „für jedes Fahrzeug und jeden Markt passende Lösungen, um die unterschiedlichsten Anforderungen unserer Kunden abzudecken“. Und er besteht darauf, dass auch die Autos für den kleinen Geldbeutel den drei anderen Megatrend gerecht [foto id=“356444″ size=“small“ position=“left“]werden müssen: Sicherheit, Informationsmanagement und Umwelt.

In China sieht Degenhardt einen der Leitmärkte für die Elektromobilität. Dort unterstützt die Regierung die Einführung der neuen Antriebstechnologie seit 2010 und noch für weitere neun Jahre mit jeweils einer Milliarde Euro pro Jahr. Daran will die Conti teilhaben. Degenhardt weist aber auch darauf hin, dass der Verbrennungsmotor noch nicht am Ende seiner Entwicklung steht. Bis zum Jahr 2020 hält er Verbrauchsreduzierungen beim Benzin- und Dieselmotor von bis zu 50 Prozent für möglich und warnt: „Je besser wir es schaffen, den Verbrennungsmotor umweltfreundlicher zu gestalten, desto schwerer wird es der Elektromotor haben.“

Ihm kann das einerlei sein. Continental steht auf beiden Beinen. So wird man in Zusammenarbeit mit dem Großaktionär Schaeffler noch in diesem Jahr einen innovativen Turbolader präsentieren und ist stolz darauf, ebenfalls noch in diesem Jahr den ersten kompletten elektrischen Antriebsstrang für das Serienfahrzeug eines europäischen Automobilherstellers zu liefern.

Für 2011 erwartet der Konzern einen Umsatzzuwachs um zehn Prozent auf mehr als 28,5 Milliarden Euro. Die Konzernmarge soll mit 9,7 Prozent auf dem Vorjahresniveau bleiben, und die Schulden sollen um mindestens 500 Millionen Euro angebaut und auf deutlich unter sieben Milliarden Euro sinken.

Und in den Dax aufsteigen möchte Degenhardt auch. Mit dem Verkauf von großen Conti-Aktienpaketen der Schaeffler-Banken hat sich der frei handelbare Anteil auf knapp 40 Prozent erhöht, was eine Bedingung für die Wiederaufnahme in den Dax darstellt. Das sieht Degenhardt als Ziel und nimmt es als Kompliment, dass die Ratingagentur Moody’s zum ersten Mal seit der VDO-Akquisition die Bewertung der Continental angehoben hat. Auch ein Schritt nach vorn.

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