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Alles im Griff: Das Lenkrad als Schaltzentrale
Dutzende kleine Knöpfe, blinkende Lichter und viele merkwürdige Hebel: Wer sich heute in ein Rennauto setzt, der muss vorher erst einmal einen Kurs in Lenkrad-Technik absolvieren. Denn die Zeiten, in denen das Lenkrad im Motorsport nur die Richtung vorgeben musste, sind lange vorbei. „Es erinnert mich ein bisschen an ein Smartphone“, sagt Formel-1-Pilot Nico Rosberg. Sein Mercedes-Team kann aus 100 verschiedenen Ansichten wählen, um alle wichtigen Daten des Lenkrads im Auge zu behalten. Da stößt mancher Rennfahrer schnell an seine Grenzen. „Im Simulator habe ich so viele Anweisungen von meinem Renn-Ingenieur bekommen, dass ich mir das alles gar nicht merken konnte“, gibt Rosberg zu.
Nicht weniger kompliziert geht es im Sportwagen-Rennsport zu. Bestes Beispiel ist der neue Porsche 919 Hybrid. Die Fahrer des Le-Mans-Prototypen halten einen Computer in Händen. Sie bedienen am Lenkrad nicht weniger als 24 Knöpfe und Schalter auf der Vorderseite sowie sechs Wippen auf der Rückseite. Dank des großen Multifunktions-Displays wird das Steuer zur Informations- und Schaltzentrale im Cockpit.
Für die Stuttgarter Ingenieure ist der 919 Hybrid der komplexeste Rennwagen, den Porsche bislang entwickelt und gebaut hat. Und da brauchen die Fahrer schon ein „mitdenkendes Lenkrad“, um diese Technik und Kraft zu bändigen und zu kontrollieren. Porsche hat nun erstmals Details zu dem Lenkrad bekannt gegeben. Übrigens: Das Lenkrad ist nicht rund. Wegen des begrenzten Platzes ist das Steuer klein und rechteckig. Zur Gewichtsersparnis ist es aus Carbon gefertigt. Die kleinen Griff-Hörnchen wurden für besseren Grip mit Gummi überzogen. Damit die Schalter auch bei Dunkelheit gut zu erkennen sind, sind ihre Farben fluoreszierend und reagieren auf eine Schwarzlichtlampe, die über dem Fahrerhelm sitzt.
Und welche Informations erhalten die Fahrer auf dem Display, das sich im Zentrum des Lenkrades befindet? Die Geschwindigkeit, den eingelegten Gang und das aktuell gewählte Motormanagement. Und natürlich den Ladestatus der Lithium-Ionen-Batterie, also die bereitstehende Menge elektrischer Energie, die zum Antrieb der Vorderachse abgerufen werden kann. Der Elektromotor an der Vorderachse ergänzt den aufgeladenen Zweiliter-Vierzylinder-Verbrennungsmotor, der die hinteren Räder antreibt. Der Regler oben links dient der Auswahl der dargestellten Information. Mit dem Regler im rechten Griff dimmen die Fahrer die Helligkeit des Displays nachts ab. Der baugleiche Regler im linken Griff ist für die Lautstärke des Boxenfunks, und der vierte Drehregler oben rechts variiert die Intervallschaltung des Scheibenwischers.
Die Knöpfe und Schalter am Lenkrad wurden in Zusammenarbeit mit den Fahrern platziert, um eine zuverlässige Bedienung im Renntempo zu ermöglichen. Die am häufigsten benutzen Knöpfe sind oben außen positioniert, bequem mit dem Daumen erreichbar. Der blaue Knopf oben rechts ist praktisch ein Dauerbrenner – das ist die Lichthupe, mit der die schnellen Prototypen die langsameren Fahrzeuge im Feld der WEC beim Überrunden warnen. Einmal Drücken löst dreimal Blitzen aus. Bei Tageslicht halten die Piloten den Daumen praktisch permanent drauf, denn dann wird das Scheinwerfersignal naturgemäß schlechter wahrgenommen.
Ebenfalls oft genutzt wird der rote Knopf oben links. Mit ihm wird die elektrische Energie aus der Batterie abgerufen, der sogenannte „Boost“. Dieser Knopf wird vor allem beim Überholen gedrückt. Doch Vorsicht: Die Energie-Menge pro Runde ist festgelegt, die Fahrer müssen sich das „Boosten“ also gut einteilen. Und wie viel Energie gibt es? Maßstab ist eine Runde beim berühmten 24-Stunden-Rennen in Le Mans, dort stehen sechs Megajoule zur Verfügung. Für kürzere Rennstrecken wird entsprechend umgerechnet. Die Energiemenge, die ein Fahrer beispielsweise in der Mitte einer Runde abruft, fehlt ihm dann am Ende auf der Geraden.
Außerdem gibt es einen Plus-und-Minus-Schalter für die Einstellung der Traktionskontrolle vorn und hinten sowie für die Verteilung der Bremsbalance zwischen der Vorder- und der Hinterachse. Diese Knöpfe (gelb, blau und pink) werden nicht ganz so häufig benutzt. Die orangefarbenen Knöpfe weiter unten bedienen das Trinksystem (links) und bringen das Getriebe in Neutralstellung (rechts). Beim Trinksystem führt ein kleiner Schlauch unter dem Helm hindurch direkt in den Mund des Fahrers. Er kann ja wegen des Helms nicht einfach zur Wasserflasche greifen und seinen Durst löschen. Und das Trinken ist enorm wichtig, um den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen: Denn während eines Rennens verliert der Fahrer je nach Anstrengung und Temperatur mehr als fünf Liter Flüssigkeit. Beim Lenkrad ist wirklich an alles gedacht worden: Der rote Knopf unten links ist für die Scheibenwaschanlage, der rote auf der rechten Seite aktiviert den Tempomaten für die Geschwindigkeitsbegrenzung in der Boxengasse.
Mittig in der Höhe befinden sich die grünen Knöpfe für den Sprechfunk (Radio, links) sowie der Okay-Knopf rechts. Mit dem bestätigen die Fahrer eine Einstellungsänderung. Das heißt: Ein Rennen ist für den Fahrer absolute Schwerstarbeit am Limit. Nicht nur körperlich, sondern auch geistig. Sie müssen auch bei Tempo 300 immer den richtigen Knopf drücken oder Schalter bedienen. Denn ein falscher Knopfdruck kann fatale Folgen haben. All das ist für die Zuschauer an der Rennstrecke oder vor dem Fernsehschirm nicht zu sehen. Für sie gibt es am Ende nur Sieger und Verlierer.
geschrieben von MID veröffentlicht am 15.12.2014 aktualisiert am 15.12.2014
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