Mercedes-Benz

Detroit 2012: Es begann mit einem berühmten Oldtimer

Nummer 2 lebt. Das zeigte er auf der North American International Motor Show gestern bei der Premiere des neuen Luxus-Sportlers Mercedes-Benz SL vor Journalisten. Der zweite je gebaute Mercedes-Benz SL war zu Gast, vor kurzem restauriert und immer noch gut anzusehen, auch wenn die Flügeltüren noch klein und das Design noch nicht den Stand der Serrienproduktion erreicht hatte. Die Wurzeln der SL-Klasse liegen im Rennsport: Anfang der 1950er Jahre entwickelt Mercedes-Benz den Rennsportwagen 300 SL (Baureihe W 194). Der Ur-SL absolviert die ersten Probefahrten im November 1951 auf der Solitude-Rennstrecke vor den Toren Stuttgarts, auf dem Nürburgring und auf dem Hockenheimring. Der Presse wird das Fahrzeug am 12. März 1952 auf der Autobahn zwischen Stuttgart und Heilbronn vorgestellt.

Die Rennsaison 1952 verläuft für den Mercedes-Benz 300 SL außerordentlich erfolgreich. Die Ergebnisse der Einsätze lauteten: Plätze zwei und vier bei der Mille Miglia, Dreifachsieg beim Preis von Bern für Sportwagen, Doppelsieg bei den 24 Stunden von Le Mans, Vierfachsieg beim Großen Jubiläumspreis vom Nürburgring für Sportwagen und ein Doppelsieg bei der 3. Carrera Panamericana in Mexiko. Die Marke hatte sich mit einem Paukenschlag im Motorsport und über den Werbeeffekt zugleich im internationalen Marktgeschehen zurückgemeldet.

Der älteste existierende SL

Der erste 300 SL existiert nicht mehr; er wurde im Werksbesitz verschrottet. Aber der zweite gebaute Wagen mit der Fahrgestell-Nummer 194 010 00002/52 ist noch vorhanden und ununterbrochen im Werksbesitz, seit er 1951/52 in der Rennwerkstatt gebaut wurde. Dieser älteste existierende SL wurde für das Jubiläum „60 Jahre SL“, das in 2012 gefeiert wird, aufwändig restauriert. Dabei hat das Mercedes-Benz Classic Center in Fellbach sämtliche Teile des vollständig demontierten Fahrzeugs untersucht und, wenn nötig, nach höchsten Maßstäben an Originalität und Qualität wieder instand gesetzt. Eine klare Vorgabe war, die Substanz in [foto id=“398057″ size=“small“ position=“left“]jeder Hinsicht zu erhalten: So erstrahlt der zweite jemals gebaute 300 SL (W 194) zwar wieder in neuem Glanz – doch die Spuren eines langen und aufregenden Fahrzeuglebens zeigt er weiterhin stolz.

Besonders aufwändig war die Restaurierung der Karosserie. Sie ist aus sehr dünnem Aluminium-Magnesium-Blech gefertigt und damit schon von Haus aus empfindlich. Zudem hatte die Zeit sie an vielen Stellen stark gezeichnet. Die Arbeiten der Spezialisten dauerten rund sechs Monate, bis das Blechkleid wieder in voller Schönheit fertig war. Die Restaurierung des Fahrzeugs hat insgesamt zehn Monate gedauert, was angesichts der umfangreichen Arbeiten einen sehr engen Zeitplan beweist.

Ausnahmesportler

Doch die Mühe hat sich gelohnt. Wenn jetzt der Motor des Mercedes-Benz 300 SL mit dem originalen Kennzeichen „W59-4029“ wieder angelassen wird und das Fahrzeug rasch Fahrt aufnimmt – dann glaubt man sofort, dass der 300 SL für eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h und damit für eine der erfolgreichsten Sportkarrieren der 1950er-Jahre geeignet war.

Das erste Motorsportfahrzeug von Mercedes-Benz nach dem Zweiten Weltkrieg entsteht zu einer Zeit, als Europa noch in Trümmern liegt: Am 15. Juni 1951 beschließt der Vorstand, ab 1952 wieder an Sportwagenrennen teilzunehmen, und gibt endgültig den Bau des „300 Super-Leicht“ in Auftrag, wie der neue Wagen zunächst getauft wird. Später kürzt man den Zusatz durch die Buchstaben SL ab – so entsteht die Typenbezeichnung 300 SL. Sein Motor M 194 ist abgeleitet vom Aggregat der Repräsentationslimousine Mercedes-Benz 300, dem sogenannten Adenauer-Mercedes. Für den Einsatz im Rennsportwagen steigern die Ingenieure die Leistung auf rund 170 PS / 125 kW. Der Sportmotor wird mit einer Trockensumpfschmierung versehen.

Serien-Sportwagen

Die Karosserie dieses ersten SL nimmt bereits Kennzeichen der späteren Serien-Sportwagen vorweg. Dazu gehört das flache Rennwagengesicht aus der Vorkriegszeit mit einem auf dem Gitter der Kühlluftöffnung angebrachten Mercedes-Stern. Charakteristisch für das Coupé sind die berühmten Flügeltüren: Sie sind tief in das Dach eingeschnitten, öffnen nach oben und sind zunächst als reine Einstiegsluken nur bis zur Gürtellinie ausgeführt. In den Vorbereitungen der „24 Stunden von Le Mans“ werden die Türausschnitte vergrößert und erinnern nun noch stärker an ausgebreitete Flügel, weshalb der Wagen von den Amerikanern „Gullwing“ (Möwenflügel) und von den Franzosen „Papillon“ (Schmetterling) getauft wird.

Leichtbau hat beim 300 SL hohe Priorität. Wo man kann, wird Gewicht eingespart – die Karosserie besteht aus besagtem Aluminium-Magnesium-Blech, verschiedene mechanische Komponenten ebenfalls aus Aluminium und Magnesium, und diverse Teile sind durch Bohrungen erleichtert, wo es nur geht. Rudolf Uhlenhaut, zu diesem Zeitpunkt Leiter des Pkw Versuchs bei Daimler-Benz, entwickelt für den W 194 einen lediglich 50 Kilogramm schweren Rahmen aus sehr dünnen hochlegierten Stahlrohren, die nur auf Druck und Zug beansprucht werden. Eine weitere Option zur Wettbewerbsfähigkeit ist es, einen möglichst windschlüpfigen Aufbau zu finden.

Behagliches Interieur[foto id=“398058″ size=“small“ position=“right“]

Der Innenraum ist voll verkleidet und strahlt eine für einen Rennwagen ungewöhnliche Behaglichkeit aus. Tacho und Drehzahlmesser liegen perfekt im Blickfeld des Fahrers, darunter sind die etwas kleineren Instrumente für Wassertemperatur, Benzindruck, Öltemperatur und Öldruck sowie eine originale Stoppuhr installiert. Die hochbordigen Schalensitze tragen eine Polsterung aus kariertem Wollstoff, und das Vierspeichen-Lenkrad ist zur Erleichterung des Einstiegs abnehmbar.

Insgesamt werden vom W 194 für die Saison 1952 zehn Fahrzeuge gebaut. Für das folgende Jahr wird bereits ein Nachfolgemodell entwickelt, der als elfter gebauter SL auch W 194/11 genannt wird. Doch er kommt in der Saison 1953 nicht mehr zum Renneinsatz. Denn vom Jahr 1954 an startet Mercedes-Benz in der Formel 1, und aus dem W 194 wird der Seriensportwagen 300 SL (W 198) entwickelt. Der Serienwagen wird zum Traumsportwagen der 1950er-Jahre und erhält 1999 die Auszeichnung „Sportwagen des Jahrhunderts“.

Daten: Mercedes-Benz 300 SL (Baureihe W 194)

 
Baujahr: 1952
Stückzahl: 10
Motor: Sechszylinder-Reihenmotor, obenliegende Nockenwelle, drei Solex-Doppelvergaser, Trockensumpfschmierung
Hubraum: 2.995 ccm
Leistung: 125 kW/170 PS bei 5200U/min
Leergewicht: ca. 1060 kg
Höchstgeschwindigkeit: 230 km/

 

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