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Selten nur noch wird er auf dem Dach mancher ESSO-Tankstelle gesichtet, jener überlebensgroße Tiger, der daran erinnern soll, dass sich die spontane Kraftentfaltung dieser Großkatze mit jedem getankten Liter aufs Fahrzeug übertrage. Angeblich. Jetzt heißt es, für das stolze Tier nahe die Stunde der Freiheit.
Künftig müsse der Tiger nicht mehr in den Tank, weil dessen Stelle eine leistungsstarke Batterie einnähme. Der elektrische Antrieb von Automobilen ist nichts prinzipiell Neues. Schon 1900, auf der Weltausstellung in Paris, feierte ein Automobil von Lohner und Porsche mit elektrischen Radnabenmotoren seine Premiere. Und bis in unsere Tage haben einige Automobilhersteller in kleinerer Auflage immer auch Sondermodelle mit E-Antrieb angeboten. Nun aber bekommt elektrische Automobilität eine ganz andere Dimension.
Man erinnert sich: Die Aufforderung „Pack den Tiger in den Tank!“ wurde einst von einer Werkstattkette mit der frotzelnden Anspielung ergänzt „… und wir entfernen gern die Tigerhaare aus dem Vergaser“. Das Werbebild vom kraftvollen Tiger hat ausgedient, seitdem sich abzeichnet, dass der elektrische Antrieb von Automobilen eine zweite Chance bekommt. Das Auto werde quasi „neu erfunden“, beschrieb Daimler-Chef Dieter Zetsche die Situation. Ehrgeiz ist entbrannt. Wiederum soll das Auto, das neuer Antriebstechnik überzeugend zum Durchbruch verhilft, ein Mercedes sein – in Erinnerung an den ersten Motorwagen von Karl Benz mit „Gasmotorenbetrieb“. Das war 1886. Sehr lange her.
Für die Jungfernfahrt dieses ersten Automobils, die Benzens Gattin heimlich unternahm, musste das Benzin zum Nachtanken in einer Apotheke gekauft werden. Allein angesichts solcher Kuriosität konnte seinerzeit wohl niemand ahnen, welche beeindruckende Karriere der Motorwagen machen würde. Nur aus wenigen Kommentaren, die sich damals der Erfindung widmeten, ließ sich uneingeschränkte Begeisterung herauslesen. Eher begleitete eine gehörige Portion Skepsis die ersten Fahrten des originellen Fortbewegungsmittels. Manchem erschien der faszinierende Motorwagen als kreuzgefährliches Ungetüm. Ähnliche Ablehnung war der fauchenden Dampfmaschine begegnet.
Genau genommen konnte sich das Auto bis heute von öffentlicher Schelte nicht völlig befreien. Statt verdienter Anerkennung, dass es den Menschen ein so hohes Maß an individueller Mobilität schenkte, sieht sich das überaus nützliche Gefährt – von Modellgeneration zu Modellgeneration komfortabler, sicherer und umweltfreundlicher werdend – anhaltend heftiger Kritik ausgesetzt. Der Vorwurf? – Vor allem der, immer derselbe: Das Auto verschlinge die wertvolle Ressource Erdöl, seine Emissionen belasteten die Umwelt. Seit dem Lostreten der CO2-Debatte veranstalten Umweltverbände regelrechte Treibjagden aufs Auto. Es soll sich abgestempelt sehen als einer der Sündenböcke, die den mutmaßlichen Klimawandel zu verantworten haben.
Was macht es schon, dass die ideologisch geschürte Hypothese vom Treibhauseffekt des Kohlendioxids bislang unbewiesen blieb! Hauptsache, die von der Politik ausgegebene Parole, dem bösen CO2 gewissermaßen an allen Lebensfronten den Krieg zu erklären, diszipliniert den Bürger und drängt dessen Geld in bedürftige Kassen. Finanzielle Opfergänge seien heutzutage einfach unverzichtbar, heißt es. Der Umwelt zuliebe. Punkt.
Vor dem Hintergrund der heftigen Attacken gegen die individuelle Automobilität nehmen Automobilbauer inzwischen weltweit Kurs auch auf solche Antriebssysteme, die dort, wo sie zum Einsatz kommen, völlig frei von Emissionen bleiben. Ein richtiger Schritt! Mehr noch imponiert, mit welchem Ehrgeiz und Nachdruck gerade in Deutschland, dem Geburtsland des Automobils, inzwischen Entwicklungsarbeiten für den elektrischen Antrieb vorangetrieben werden. Immerhin gilt es, auch einen gewissen Rückstand vor allem gegenüber japanischen Wettbewerbern wettzumachen. „Wir holen die Batterietechnologie nach Deutschland zurück“, hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Unterzeichnung des Joint-Venture-Vertrages mit Evonik Industries gesagt.
Optimismus kommt auf, dass deutsche Mühen belohnt werden und man sich dem Schlüssel für das Elektroauto der Zukunft – eine leistungsfähige Batterietechnologie – Schritt für Schritt nähert. Einer der Meilensteine, die den Fortschritt markieren, ist offenbar bereits passiert worden. Bei Evonik Industries, in Kamenz bei Dresden ansässig, ist ein „keramischer Separator“ für die Fahrbatterie von Elektroautos entwickelt worden, der Anode und Kathode zuverlässig voneinander trennt und so die Überhitzung der Batterie verhindert. Damit ist offensichtlich ein Handicap passé, das auch die Hersteller artverwandter Energiespeicher für Laptops und Handys jahrelang arg beschäftigte.
Die Li-Tec GmbH, eine gemeinsam mit Daimler geführte Evonik-Tochter, stellt die Zellen für Lithium-Ionen-Batterien her. Solche Batterien sind der Dreh- und Angelpunkt. Sie werden als Schlüsseltechnologie für Autos mit elektrischem Antrieb angesehen. Mit der Technik des keramischen Separators hält Evonik-LiTec eine im Vergleich zur Nickel-Metallhydrid-Batterie in aktuellen Hybridfahrzeugen doppelt so große Batterieleistung für möglich. Zur Lebensdauer solcher Batterien mit keramischem Separator gibt es von Evonik-Forschungschef Oberholz die Aussage, dass sie „3.000 Vollzyklen“ aushielten. Gemeint ist das komplette Entladen und erneute Laden der Zellen.
Die bisherige Bundesregierung hat Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität erklärt und zur Förderung des Projekts 500 Millionen Euro für den Zeitraum 2009 bis 2011 bereitgestellt. Gleichzeitig wurde allerdings gewarnt, andere Wettbewerber auf diesem Gebiet nicht zu unterschätzen. In der Tat gibt es mittlerweile weltweit sehr gezielte Entwicklungsanstrengungen, um insbesondere die Reichweite elektrisch angetriebner Pkws deutlich zu vergrößern. Nicht zuletzt China legt auf dieser Wettbewerbsstrecke ein beachtliches Tempo vor.
Noch sind der begrenzte Aktionsradius und das zeitaufwändige Nachladen der Batterie hemmende Handicaps. Der Fortschritt steht und fällt mit der Steigerung der Leistungsfähigkeit des Energiespeichers. Wer auf diesem Gebiet einen markanten Durchbruch schafft, macht das Rennen.
Ab 2011 wird die Deutsche Accumotive GmbH & Co. KG in Kamenz, ein Joint Venture der Daimler AG und der Evonik Industries AG, Batterien und Batteriesysteme auf Basis der Lithium-Inonen-Technologie produzieren. Ein verheißungsvoller Auftakt. Weil rascher Erfolg häufig auf gemeinsamer Anstrengung beruht, ist es ein gutes Zeichen, dass die Batterieforschung in Deutschland offensichtlich zu einer konzertierten Aktion geworden ist. Beispielsweise beteiligt sich daran auch die Universität Münster engagiert und investiert in das Vorhaben „Münster Electrochemical Technology“ 7,5 Millionen Euro. Kooperierend verfolgen außerdem sechs Universitäten und Forschungseinrichtungen in NRW und Niedersachsen das Ziel, Batterien so zu optimieren, dass sie überzeugender noch als heute fit für den automobilen E-Antrieb sind.
Die Position der Volkswagen AG markierte der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn: „Die Zukunft gehört dem Elektroauto – mit Strom aus der Steckdose.“ Dementsprechend emsig arbeitet der größte europäische Autokonzern an der Entwicklung von Modellen auch mit rein elektrischem Antrieb. Auf dem Strompfad kommen offenbar alle deutschen Automobilhersteller gut voran.
Um das Bild der Tiger-Werbung noch einmal aufzunehmen: In den kommenden zehn Jahren mag durchaus so mancher Tiger aus dem Tank befreit werden, soll doch – nach Vorstellung der bisherigen Bundesregierung – allein in Deutschland schon im Jahr 2020 ein Millionenheer von Pkws nicht mehr Benzin oder Diesel tanken, sondern „batterieelektrisch“ fahren.
Aber auch das ist Zukunft: Autos mit dem vermeintlichen Tiger im Tank – Benzin, Diesel oder alternativem Kraftstoff – gibt es möglicherweise sehr viel länger als derzeit angenommen wird. Stützen darf sich solche Prognose darauf, dass das Können des Verbrennungsmotors, inzwischen ein innovatives Hightech-Triebwerk, noch längst nicht ausgereizt zu sein scheint, wie nicht zuletzt deutsche Motorenentwickler immer wieder demonstrieren.
geschrieben von (automobilreport.com/ar/Wolfram Riedel) veröffentlicht am 05.11.2009 aktualisiert am 05.11.2009
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