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Mercedes-Benz
Ein Kilogramm Gewicht bringt eine um 30 Millisekunden bessere Rundenzeit in einem Formel-1-Auto, berichtet Geoff Willis, technischer Direktor des Mercedes-AMG-Petronas-Teams bei unserem Besuch in der Heimat der aktuellen Silberpfeile im britischen Brackley. Willis formuliert das Ziel der 700 Mitarbeiter hier und ihrer 500 Kollegen im zweiten, dem Motoren-Standort Brixworth ebenfalls mit einer Zeiteinheit: Sie müssen jeden Tag eine Millisekunde schaffen, also eine um drei bis vier Zehntel bessere Rundenzeit pro Jahr.
Dieses Jahr läuft es gut für das multinationale Team in beiden Standorten, so gut, dass Willis – nicht ohne einen süffisanten Zug um den Mund – zugibt, mit dem aktuellen F1 W05 Hybrid müsse man nicht so viel testen. Der sei sowieso schneller. Den Fan des Teams wird das freuen, ebenso den Marketingmann des Unternehmens, der den Imagegewinn genießt. Was aber hat der normale Autofahrer davon, was bringt der Stern auf einem Silberpfeil dem Käufer eines Mercedes-Benz?[foto id=“518766″ size=“small“ position=“right“]
Nico Rosberg und er haben dieselben Interessen, wenn es um das Auto geht. Es soll schnell sein, zuverlässig, sicher und sparsam im Verbrauch. Der eine will so Rennen gewinnen, der andere will Rücksicht auf die Umwelt nehmen, Spaß am Fahren haben und Geld sparen. Ist Nico Rosberg also quasi als Chef-Testfahrer für die Serie unterwegs? Gibt es einen Technologietransfer von Brackley nach Stuttgart?
Paddy Lowe, Executive Director beim Team: „Die Antwort ist ein eindeutiges Ja. Aber wir schrauben nicht einfach Bauteile von einem Auto an das andere. So gibt es Beispiele für direkten Transfer, etwa die Nanoslide-Technologie für die Beschichtung von Zylinderlaufflächen.“ Beim indirekten Transfer diene die Formel 1 als Entwicklungslabor und als Plattform für neue Lösungen. „Wir können eine Technologie auf eine höhere Ebene heben“, sagt Lowe.[foto id=“518767″ size=“small“ position=“left“]
Die neuen Regeln für die Formel 1 hat sein Team im ersten Anlauf bewältigt, wie man an den Ergebnissen der Silberpfeile in dieser Saison ablesen kann. Andere Teams haben es offenbar immer noch deutlich schwerer, vor allem die Vorschriften für den Spritverbrauch einzuhalten: Bei einem Rennen dürfen nicht mehr als 100 Kilogramm Kraftstoff und zu keiner Zeit eine höhere Durchfluss-Quote als 100 Kilogramm pro Stunde verbrannt werden.
Für die Silberpfeile wurde der V8-Motor auf V6 und der Hubraum von 2,4 Liter auf 1,6 Liter zurückgeschnitten. Das „Kinetic Energy Recoverry“-System (KERS) wurde durch ein eigenes ERS ersetzt, vom dem Geoff Willis sagt, es bringe mehr als zwei Sekunden pro Runde. Im W05 arbeitet ein doppeltes Hybridsystem, eine „Motor Generator Unit – Kinetic“ (MGU-K) und eine „Motor Generator Unit – Heat“ (MGU-H).
Die K-Einheit arbeitet wie ein normaler Hybridantrieb: Die beim Bremsen entstehende Energie wird in einer Batterie zwischengelagert und kann beim Beschleunigen [foto id=“518768″ size=“small“ position=“right“]dort wieder angerufen werden. Der Generator der H-Einheit sitzt im Abgasstrom des Turboladers auf der Welle zwischen dem ersten und dem zweiten Schaufelrad. Mit Strom aus der Batterie schließt er das Turboloch und generiert dann Strom, der entweder gleich an das K-System durchgereicht oder in der Batterie zwischengelagert wird. Da es für das das H-System keine Begrenzungen von der FIA gibt, lässt sich hier eine Menge Zusatzleistung generieren.
In der Summe arbeitet der neue Antrieb des W05 um 35 Prozent effizienter als der des Vorgängers. Für den Rennwagen ergibt sich daraus eine einfache Formel: Effizienz bringt Leistung. Weil der W05 weniger verbraucht, kann er länger Leistung mobilisieren und dennoch mit den 100 Kilogramm Sprit pro Rennen auskommen.
Mercedes-Benz erkennt hier eine Parallele zur Serie beim S500 Plug in-Hybrid, der im Herbst auf den Markt kommen wird. Er bietet eine Systemleistung von 325 kW / 442 PS, ein maximales Drehmoment von 650 Nm, sprintet in 5,2 Sekunden von null auf 100 km/h, kann rein batterieelektrisch 33 Kilometer erreichen und verbraucht (nach ECE-Norm) 2,8 Liter Benzin auf 100 km. Der Elektromotor leistet 85 kW / 116 PS; die Batterie hat eine Kapazität von 8,7 kWh.[foto id=“518769″ size=“small“ position=“left“] Die Kraftübertragung geschieht über eine Sieben-Gang-Automatik; es gibt vier Betriebsmodi: „Hybrid“, „E-Mode“ für den batterieelektrischen Antrieb, „E-Save“ für das Konservieren des Batterieinhalts und „Charge“ für das Aufladen der Batterie mit erhöhter Motorleistung sowie ein spezielles Stück Software, dass bei der „Distronic plus“ im Sinne der besten Ausnutzung der Bewegungsenergie den Abstand zum Vordermann passend regelt.
Bei der S-Klasse wie dem W05 spielen müssen neben dem Antrieb eine Reihe weiterer Technologien mitspielen, damit sich der Erfolg einstellt. Bei der Formel 1 sucht man den kurzfristigen Erfolg, die richtige Abstimmung auf die Anforderungen der nächsten Strecke. Bei einem Serienmodell geht es eher um den besten Kompromiss für alle „Lebenslagen“ weltweit.
Beim Rennwagen will zum Beispiel die Aerodynamik für jede Strecke angepasst werden. Dabei soll der Abtrieb bei engen Kursen höher sein, damit die Kurvengeschwindigkeiten passen. Bei schnellen Strecken soll der Luftwiderstand so gering sein, dass die maximale Geschwindigkeit die der Wettbewerber übersteigt. Hoher Abtrieb und geringer Luftwiderstand – das stellt einen scheinbar unlösbaren Konflikt dar. Spätestens an dieser Stelle kommen bei den Formel-1-Entwicklern drei Faktoren ins Spiel: Erfahrung, Simulation und Testen.
Im Formel-1-Betrieb darf ein neues Teil von der Idee bis an Auto nur wenige Wochen brauchen. Das setzt optimale Bedingungen in alle drei Disziplinen voraus. Paddy Lowe sagt dazu: „Wir ziehen hier die besten Ingenieure aus aller Welt an.“ Die finden in[foto id=“518770″ size=“small“ position=“right“] beiden Standorten die Bedingungen vor, die sie brauchen. Dazu gehören alle Formen der mechanischen Prüfung und der Computersimulation („Das ist mehr als eine Playstation“). Hier können die Kollegen aus Stuttgart mit Computer-Power und Rat helfen, auch wenn die eher den langfristigen Erfolg im Blick haben.
Transfers von Stuttgart nach Brackley gibt es aber nicht nur beim Knowhow und Rechnerleistung. So wird beim V6-Motor des Formel-1-Autos jetzt auch die Nanoslide-Technologie eingesetzt, auf die Lowe hingewiesen hatte. Dabei handelt es sich um eine Beschichtung der Innenwand der Zylinder im Aluminiumblock, die den Reibungswiderstand in diesem entscheidenden Bereich vermindert. Die Technologie wurde zunächst beim AMG-V8-Motor eingesetzt, und geht jetzt auch in die Breite.
Der Leichtbau ist heute Pflicht bei allen Fahrzeugherstellern; denn 100 Kilogramm Fahrzeuggewicht bedeuten zischen 0,3 Liter und 0,5 Liter Verbrauch auf 100 km. Der Effekt auf die Effizienz beim Rennwagen ist offensichtlich auch bemerkenswert; denn niemand möchte viele über das von der FIA festgesetzte Formel-1-Mindestgewicht zusätzliche Kilogramm mitschleppen. Im Rennwagen geschieht das mit möglichst breitem Einsatz von Karbon. Im Serienfahrzeug hält der kohlefaserverstärkte Kunststoff ebenfalls Einzug, beim einen Hersteller schneller, beim anderen vorsichtiger; denn noch ist die Produktion großer Serien von Karbonteilen teuer. Das ist die Chance für hochfeste Stähle und Aluminium, die aus dem Rennwagenbau schon ganz verschwunden sind. Die Formel 1 ist eben schneller.
geschrieben von auto.de/(ampnet) veröffentlicht am 09.07.2014 aktualisiert am 09.07.2014
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