Bleiben ein paar historische Umwege außer Acht, lässt sich die Geschichte des Unternehmens Daimler als Wiege des Automobils bis auf 1883 (Gottlieb Daimlers Patent für einen Gasmotor) beziehungsweise 1886 (Carl Benz' Patent-Motorwagen) zurückführen. Die Marke als Qualitätsbegriff aber, der die Daimler AG ihren weltweiten Bekanntheitsgrad bis heute zu verdanken hat, begann erst ein Vierteljahrhundert später mit der Vorstellung eines 26 kW / 35 PS starken Rennwagens im Jahr 1901. Dieses Fahrzeug hatte Wilhelm Maybach, damals technischer Direktor der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Cannstatt, auf Anregung des österreichischen Kaufmanns und Generalkonsuls in Nizza, Emil Jellinek, konstruiert. Der gab dem Modell den Namen seiner Tochter: Mercedes.
Die Weiterentwicklung dieses allerersten Mercedes nannte Wilhelm Maybach Mercedes-Simplex. Den gab es von 1902 bis 1905 in fünf unterschiedlichen Versionen, die unter anderem eine verbesserte Kühlung, optimierte Bremsen hatten und wesentlich leichter waren als ihre Vorgänger. Von diesen Autos existieren insgesamt nur mehr 20. Eines davon, ein Mercedes 28/32 von 1904 – von dieser Ausgabe gibt es nur noch sechs Überlebende – wurde nun in Kalifornien vom Auktionshaus Bonhams versteigert.
Als es mit seinem 5,3 Liter großen und 24,2 kW / 33 PS leistenden Vier-Zylinder-Motor die Fabrik in Cannstatt (damals noch ohne „Bad“ und noch nicht zu Stuttgart gehörend) verließ, fanden im amerikanischen St. Louis die dritten Olympischen Spiele moderner Zeitrechnung statt, gelang Wilbur Wright der erste Rundflug am Strand von Kitty Hawk in den USA und wurde in Aschaffenburg die erste deutsche Fahrschule gegründet. 112 Jahre sind das her. 112 Jahre, die an dem offenen Fünfsitzer mit der Hecktür als Zugang für die hinten sitzenden Passagiere kaum Spuren hinterlassen haben.
Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass der Wagen seither nur durch die Hände weniger Besitzer ging. Der erste war ein wohlhabender englischer Holzhändler namens Richard Bayly aus Plymouth, der ihn 1908 dem britischen Kriegsministerium übergab. Im Ersten Weltkrieg leistete der Mercedes Dienst an der Westfront, danach verbrachte er die Jahre bis 1970 auf einem Bauernhof. Hier entdeckte ihn ein anderer Brite, Oliver Grey, und investierte 13 Jahre Zeit und viel Geld in die Restauration. Noch einmal wechselte der Oldie 1999 den Besitzer, eine Sammler-Familie, die ihn nochmals technisch wiederherstellte sowie ihm den blauen Lack und die roten Ledersitze spendierte.
Selbst nach heutigen Maßstäben macht der Mercedes auf der Straße immer noch eine gute Figur. Mehrmals nahm er an der jährlich stattfindenden Fahrt für historische Automobile von London nach Brighton teil, und auf ebener Strecke und wenig Gegenwind schafft er immer noch laut Bonhams 105 km/h.
Zu seiner Zeit kostete er den stolzen Preis von 20.000 Goldmark, was heute etwa 103.000 Euro entspricht. In den USA gab es damals für dieses Geld acht Cadillac. Die Auktionatoren von Bonhams, die das Auto bereits 1999 an seine derzeitigen Eigner versteigerten, priesen ihn diesmal mit den Worten an: „Eine einmalige Gelegenheit, eines der besten Automobile aus jener Zeit zu bekommen.“ Für den neuen Besitzer war es ein guter Deal. Nur 2,805 Millionen Dollar (ca. 2,48 Millionen Euro) musste er auf den Tisch des Hauses Bonhams blättern, dann gehörte der stolze Wagen ihm. Die Auktionatoren hatten eigentlich damit gerechnet, zwischen 3,2 Millionen und 3,9 Millionen Dollar zu erzielen.
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