Elektromobilität in China – Starke Bremsspuren

„Wer häufiger in Peking und Shanghai unterwegs ist, weiß, wo der Leitmarkt entstehen muss“, sagte jüngst Bosch-Chef Franz Fehrenbach zum Fortschritt der Elektromobilität auf einem Kongress des Automobilverbands VDA. Doch auch wenn jetzt auf der Peking Motor Show (bis 2. Mai) Elektroautos Kunden anlocken, gekauft werden diese sicherlich nicht, wie ein Team um Axel Krieger von McKinsey vor Ort in China ermittelte. Bislang können die Interessenten zwischen sieben batterieelektrischen Autos (BEV) und einem Plug-in-Hybrid (PHEV) wählen. Krieger: „Die Modelle liegen im Preis auf Mittelklasse-Niveau, bieten aber weder den Komfort noch das Design und die Zuverlässigkeit herkömmlicher Fahrzeuge dieser Klasse.“

Die von Krieger und seinem Team erstellte Studie zeigt den Status Quo von Chinas Elektromobilitäts-Plänen. Dazu haben sie vor Ort den Markt durchleuchtet und Entscheider aus Politik, Verbänden, Autoindustrie und Energiebranche befragt. Ihr Votum: Vom „Leitmarkt China“ kann derzeit nicht die Rede sein. China muss seine Strategie neu ausrichten. Bis 2015 sollen 500.000 Elektroautos auf der Straße sein, bis 2020 schon 5 Millionen. Tatsächlich wurden aber zwischen 2009 und 2011 kaum 7.000 Elektrofahrzeuge zugelassen; ein Marktanteil von 0,02 Prozent. Zudem hängt der Ausbau der Ladeinfrastruktur weit hinterher, es gibt erst 16.000 der bis 2015 geplanten 400.000 Ladestationen – und keinen gemeinsamen Standard. State Grid als zentraler Netzbetreiber setzt auf Batteriewechselstationen, außer Chery lässt sich jedoch kein weiterer Pkw-Hersteller darauf ein. Ebenso sind die Stecker der Ladesäulen von Stadt zu Stadt unterschiedlich.

„Die Entscheider in China sind weitgehend einig, dass reine Elektroautos für die Massenproduktion schlicht nicht reif sind und dafür auch die Zuliefer-Basis fehlt“, sagt Krieger. Ebenso, dass eine klarer definierte Roadmap her müsse und ein Markteinstieg über kommerzielle Flotten sinnvoll wäre. Laut Krieger stimmen 94 Prozent der Befragten zu, dass Standardisierung der Ladeinfrastruktur ein Muss ist.

Zum Umschalten auf Elektromobilität hat China keine Alternative. Bis 2020 werde das Land seine Ölimporte von heute rund 5 Millionen auf 10,6 Millionen Barrel je Tag verdoppeln. Und wenn sich der Fahrzeugbestand dort den Verhältnissen der USA angliche, so Krieger, bräuchte China allein mehr Öl, als der Rest der Welt heute. Auch verschmutzt in Metropolen der Smog schon jetzt als Dauernebel die Luft, behindert den Flugverkehr und macht vor allem die Menschen krank.

Für die chinesische Regierung ist die Elektromobilität auch industriepolitisch das Gebot der Stunde. Denn bei Verbrennungsmotoren sind Amerikaner, Europäer und Japaner uneinholbar vorn. Beim Elektroantrieb von Autos werden die Karten der Branche jedoch neu gemischt. Von daher müssen die Hersteller auch dort den Weg über Flotten gehen, um Elektrofahrzeuge zu etablieren und selbst daran zu lernen, meint Krieger.

Auswege bietet der Flottenansatz, um beim Ausbau punktuell zu starten und nach und nach in die Fläche zu wachsen. Metropolen wie Peking, könnten die Entwicklung forcieren, indem sie ihre inneren Stadtgebiete auf absehbare Zeit für Verbrennungsmotoren sperren. Hier würden laut Krieger auch intelligente Carsharing-Konzepte mit Elektroautos sinnvoll sein. Vor allem aber ist eine strategische Neuausrichtung auf Fahrzeugseite geboten. Weder die Batteriekosten noch die Infrastruktur geben auf absehbare Zeit rein elektrische Mobilität mit Elektroautos her.

Den Herstellern rät McKinsey angesichts der Kundenstruktur, über serielle Hybride nachzudenken, die die ersten 10 bis 20 Kilometer mit Strom aus der Steckdose fahren können. Angesichts der Kostenprognosen für die Batterien rechnen sie damit, dass reine Stromer erst nach 2020 wettbewerbsfähig sind. Hybrid-Pkw mit max. 10 Kilowattstunden Energiegehalt der Batterie und einem stromerzeugenden Einzylindermotor an Bord sorgen für eine „sichere“ Reichweite. So ein Auto wäre laut Krieger schon 2014 wettbewerbsfähig und könnte dazu beitragen, die unter Smog leidenden Metropolen Chinas zumindest von den vielen alltäglichen  Kurzstreckenfahrten mit Verbrennungsmotoren zu entlasten.

Chinas Autohersteller haben bei Hybridfahrzeugen noch mit großen Problemen zu kämpfen, ebenso wie übrigens bei Elektromotoren und Leistungselektroniken, betont Krieger. Die Befragten in China waren sich einig, dass es zwar viele Hersteller von Lithium-Ionen-Batterien im Bereich der Consumer Electronics gibt, die aber von den Mengen-, Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen der Autohersteller überfordert sind. Für die chinesischen Anbieter ist es enorm schwer, die Lieferkette vor Ort zu etablieren. Denn die Regierung in Peking schreibt vor, dass mindestens eine der drei Komponenten, also Batterie, Motor oder Leistungselektronik von lokalen Zulieferern stammen muss.

China sehen die Experten von McKinsey momentan nicht als globalen Leitmarkt für Elektromobilität, aber das Land hat keine andere Wahl, als voll und ganz auf Elektromobilität zu setzen. Doch viele Städte verfolgen Pläne zur Elektrifizierung ihre Busflotten. Dort bietet sich laut Krieger die Möglichkeit, schnell Skaleneffekten bei Batteriezellen zu erzielen und so die Chancen für Elektroautos zu verbessern. Bis 2016 dürften 100.000 Elektrobusse in Chinas 100 größten Städten unterwegs sein; teils mit Oberleitungen, teils mit Batterien oder Mischformen aus beiden.

Die Elektrifizierung der Busflotte in China macht aber noch keinen globalen Leitmarkt für Elektromobilität. Der entsteht derzeit in Japan, wie die Marktanalysten feststellten. Japan hat den größten Schritt nach vorn gemacht. Das spiegelt der regelmäßig von McKinsey erhobene Electric-Vehicle-Index wider, der das Entwicklungsstadium der Märkte untersucht. Japan fährt an der Spitze der Elektromobilität –  vor den USA, Frankreich und Deutschland. Dort laufen laut Krieger, gute Pilotprojekte, es sind die meisten Elektrofahrzeuge unterwegs, die Kunden sind sehr aufgeschlossen und auch die Lieferketten sind dort am weitesten gediehen.

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