Eric Boullier: Robert ist genau der Richtige

(motorsport-magazin.com) Eric, wie schätzen Sie die Arbeit des Teams vor und während der Testwochen ein?
Eric Boullier: Abgesehen vom Wetter, das uns mehrfach einen Strich durch die Rechnung machte, liefen unsere Vorbereitungen sehr gut. Natürlich gab es einige kleinere Schwierigkeiten, aber das ist bei Vorsaison-Testfahrten völlig normal. Insgesamt funktionierte unser neuer Renault R30 gut und erwies sich als sehr zuverlässig. Obwohl sechs der 15 Testtage durch Regen beeinträchtigt wurden, haben wir das Beste aus der Situation gemacht und sehr große Distanzen abgespult. Und auch im Nassen kannst du eine Menge lernen, zum Beispiel über die Haltbarkeit von Komponenten. Allerdings werden die Autos bei Nässe nicht an ihrer Belastungsgrenze bewegt.

Wie bewerten Sie das Team, das Sie nun bereits einige Monate führen?
Eric Boullier: Unsere größte Stärke sind die Menschen im Team. Wir haben eine hochmotivierte Mannschaft, die im Test- und Rennbetrieb schnell reagieren kann und vorausdenkt. Der beste Beleg war für mich die Arbeit nach dem Testauftakt in Valencia, als die Mitarbeiter im Workshop Enstone in einem Kraftakt den Renault R30 schon für Jerez weiterentwickeln konnten.

Haben Sie selbst als Teamchef auch neue Erfahrungen gemacht?
Eric Boullier: Ich habe eine sehr steile Lernkurve erlebt, denn es gibt in der Formel 1 so viel zu verstehen und aufzunehmen – das ist selbst zur GP2 noch mal ein Quantensprung. Die Grand Prix-Szene ist viel intensiver. Aber ich bin mit dem bisherigen Verlauf seit meinem Amtsantritt sehr zufrieden.

Welches Feedback geben die Fahrer zum Auto, vor allem im Hinblick auf Performance, Fahrbarkeit und Entwicklungspotenzial?
Eric Boullier: Es gibt immer noch ein paar Dinge, die wir ändern möchten, damit sich die Piloten im Auto wohler fühlen. Aber mit der Balance kommen sie bereits gut zurecht und sie bestätigen, dass der Renault R30 gut auf Setup-Änderungen reagiert. Beim Test in Jerez haben wir eine hervorragende Balance gefunden, von der beide Fahrer übereinstimmend sagten, dass das Auto damit einfach zu fahren sei und viel Vertrauen vermittle. Genau diese Punkte besitzen für uns Priorität. Wir haben also eine gute Basis für weitere Entwicklungen im Laufe der Saison.

Wo sehen Sie Renault nach den Winter-Testfahrten im Vergleich zu den Gegnern?
Eric Boullier: Die Details der Wintertests zu verstehen und auseinanderzusortieren, wo wir im Vergleich stehen, war extrem schwierig. Wir wissen nicht, unter welchen Bedingungen die anderen Teams gefahren sind. Wir haben uns dafür entschlossen, bei jedem der vier Tests mit einer schweren Benzinladung zu fahren. Wir glauben, dass wir auf diese Weise das Auto am besten verstehen und verbessern können. In purer Rundenzeit ausgedrückt, liegen wir hoffentlich nahe an den vier Top-Teams.

Robert Kubica wird als einer der talentiertesten Grand Prix-Piloten eingeschätzt. Was bringt er aus Ihrer Sicht ins Team ein?
Eric Boullier: Ich bin froh, dass wir Robert an Bord haben. Sein Einsatz und seine Arbeitsauffassung zu erleben, ist eine echte Freude. Während der Tests war er jeden Tag an der Strecke, auch wenn Vitaly gefahren ist. Er hat sich alle Daten angeschaut, stand immer für Fragen zur Verfügung und arbeitete bis spät abends mit dem Team. Das ist genau die Einstellung, die wir brauchen.

Sind Sie mit Vitaly Petrovs Formel 1-Anfängen zufrieden?
Eric Boullier: Bislang schon. Vitaly besitzt viel Selbstvertrauen und bleibt auch unter Druck ruhig und gelassen – das hat das Team beeindruckt. In Russland wird jetzt jeder seiner Schritte genau verfolgt, aber er hat sich von der Unruhe nicht anstecken lassen und alle Aufgaben sachlich abgearbeitet. Er litt allerdings darunter, dass er kaum auf trockener Strecke testen konnte, was für einen Rookie besonders problematisch ist. Aber wir unternehmen alles, was in unserer Macht steht, damit er sich im Team wohlfühlt und weiterhin viel über die Formel 1 lernt. An seinen Fähigkeiten besteht kein Zweifel, denn er hat in anderen Serien hinreichend bewiesen, wie schnell er ist.

Vor wenigen Tagen hat das Team eine Partnerschaft mit Lada verkündet. Können Sie uns darüber etwas mehr sagen?
Eric Boullier: Unsere Vereinbarung mit Lada spricht Bände darüber, wie groß in ganz Russland der Wunsch ist, den ersten Formel 1-Fahrer des Landes zu unterstützen. Das sehe ich nicht nur für uns als ermutigendes Zeichen, sondern für die gesamte Grand Prix-Szene. Die Kooperation ist außerdem sehr wichtig für das Team, denn Lada ist die erste große Marke, die in diesem Jahr neu in die Formel 1 kommt – und wir sind stolz, dass Renault dies erreicht hat. Dieser Abschluss ist der erste Schritt unserer erfolgreichen Vermarktungsstrategie.

Bei der Präsentation des Renault R30 sprachen Sie von einem aggressiven Entwicklungsprogramm. Ist dieser Plan wie gewünscht angelaufen?
Eric Boullier: Ja, wir haben nach sehr engen Zeitvorgaben gearbeitet und die Jungs im Workshop haben sich großartig reingehängt. Bis jetzt liegen wir genau im Zeitplan.

Wird es für Bahrain im Vergleich zum Barcelona-Test größere Neuerungen geben?
Eric Boullier: Ich werde keine Details verraten, aber ich kann sagen, dass wir für Bahrain ein größeres Entwicklungspaket im Gepäck haben – vornehmlich im Bereich Aerodynamik.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie den Saisonauftakt an?
Eric Boullier: Das ist schwierig zu sagen. Sicher habe ich ein Traumresultat im Kopf, aber ich muss meine Erwartungen an den Möglichkeiten ausrichten. Wenn wir im Qualifying beide Autos in die Top Ten bringen und beide das Rennen beenden, wäre das für mich ein guter Start in die Saison.

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