Es muss nicht immer Patina sein – Moderne Technik im Klassiker

Sie zu lieben ist einfach: Kaum jemand kann sich dem Charme eines Old- oder Youngtimers entziehen. Doch der kollektive Liebeswahn hindert manchen auch daran, einfach mal die Wahrheit auszusprechen. Zum Beispiel, dass alte Scheinwerfer nur wenig Licht in die Dunkelheit bringen oder mancher betagte Motor schlicht und einfach ein Säufer ist.

Ganz zu schweigen davon, dass eine Notbremsung ohne das hilfreiche Eingreifen eines ABS schnell ungemütlich werden kann. Während Puristen gerade diese unverfälschte Ursprünglichkeit lieben, würde eine schweigende Minderheit klassische Karosserieformen gerne mit etwas aktueller Technik kombinieren. Genau darauf hat sich eine Handvoll Spezialbetriebe eingestellt – hier implantiert man zeitgemäße Motoren, installiert hilfreiche Elektronik.

Anhänger der reinen Lehre werden vermutlich entsetzt den Kopf schütteln: Bei der Fahrt mit einem Oldtimer gehe es um das Vergnügen, die Lust am Umgang mit betagter Technik und die Freude über ein lange nicht mehr erlebtes Fahrgefühl. Außerdem, so werden sie vermutlich sagen, ist ein Klassiker nicht häufig bei Nacht unterwegs. Die wenigen Kilometer der [foto id=“462255″ size=“small“ position=“left“]üblichen Schönwetterausflüge ließen den Mehrverbrauch ebenfalls verschmerzen. Abgesehen davon sei es eine Sünde, den original erhaltenen Zustand eines solchen technischen Kulturgutes zu verfälschen.

Doch es gibt eben auch Menschen, die anderer Ansicht sind. Das Unternehmen Mechatronik im baden-württembergischen Pleidelsheim hat sich grundsätzlich auf hochwertige Restaurierungen von Mercedes-Klassikern spezialisiert. Daneben bietet man aber auch etwas an, das hier New-Tech-Restauration genannt wird. Dabei geht es um das Restaurieren des Autos an sich, dazu aber auch um die Ergänzung mit aktueller Technologie. Mechatronik setzt auf Wunsch einen modernen V8-Motor in einen Pagoden-SL, montiert eine zeitgemäße Klimaanlage ebenso, wie eine Antriebsschlupfregelung oder ein ABS. Und zwar so, dass die Veränderungen äußerlich selbst für einen Experten nicht oder nur äußerst schwer zu erkennen sind.

Mechatronik-Geschäftsführer Thorsten Klenk weiß sehr gut, dass nicht jeder Oldtimer-Liebhaber solche Maßnahmen befürwortet. Daher weist er auch darauf hin, dass der Einbau aktueller Technik nicht vornehmlich für perfekt erhaltene Klassiker gedacht ist – schließlich könnten die Maßnahmen zu Schwierigkeiten führen, wenn es etwa um die Erteilung eines H-Kennzeichens geht. Zur New-Tech-Restauration werde eher in Fällen gegriffen, in denen der Zustand des Restaurierungs-Objekts miserabel ist, und die originale Technik sich kaum mehr retten lässt.

Außerdem weist Klenk darauf hin, dass alle vorgenommenen Veränderungen rückbaubar sind. Wer also nach einiger Zeit lieber auf die Kraft des modernen Motors verzichten möchte, kann das Aggregat problemlos wieder gegen das Original  austauschen. Jedenfalls wenn Geld keine Rolle spielt. Denn was Mechatronik anbietet, das ist nichts, das sich mal eben so aus der Portokasse  bezahlen lässt. Für eine reine Technik-Transplantation werden bis zu vier Monate Arbeitszeit angesetzt, die Kosten liegen dann zwischen 70.000 und 90.000 Euro.  Noch kostspieliger wird die Sache, wenn außerdem Arbeiten an Karosserie und Interieur zu erledigen sind. Das dauert dann zwölf bis 18 Monate und kostet bis zu 350.000 Euro.

Auch Georg Memminger setzt mit seiner Firma Feine Cabrios zumindest teilweise auf moderne Technik, wenn er wieder einmal einem klassischen Käfer Cabrio zu neuem Glanz verhilft. So gehört zum Angebot ein selbst entwickeltes ABS-System. Das wird laut Memminger vor allem von jenen Kunden geordert, die mit dem Wagen auch mal den Nachwuchs fahren lassen wollen – denn den Umgang mit einem Auto ohne den Blockierverhinderer haben heutige Führerscheinneulinge nie gelernt. Besseres Licht für den Käfer ermöglicht Memminger ebenfalls: Mit Bi-Xenon in den unverändert runden Scheinwerfergehäusen.

Den Höhepunkt des Angebots stellt jedoch ein neuer Einspritzmotor dar. Der Vierzylinder leistet gut 74 kW/100 PS, vor allem aber verbraucht er im Schnitt gerade einmal sieben Liter – der ursprüngliche Boxer im Heck des Käfers leistete bestenfalls um die 50 PS, soff dafür im Schnitt gut und gern seine zwölf Liter, wenn er gefordert wurde. Wie auch bei [foto id=“462256″ size=“small“ position=“right“]Mechatronik sind derartige Umbauten keine Option für sparsame Naturen. Ein Motorumbau kann bis zu 20.000 Euro verschlingen, für den Rest gelten Preise „auf Anfrage“.

Moderne Technik im Klassiker gibt es aber auch günstiger und mit weniger Aufwand. Weil alte Radios weniger durch guten Klang als vielmehr durch eine Tendenz zu ausgiebigem Rauschen auffallen, gibt es mittlerweile Geräte, die eine Optik im Stil der Alten bieten, sich aber mit Musik von CD oder MP3 füttern lassen. Sendersuchlauf, Kartensteckplätze und USB-Anschlüsse sind ebenfalls selbstverständlich.

Auch Fahrwerksspezialisten wie H&R oder Bilstein haben den Oldtimer-Liebhaber als Klientel entdeckt. Mit aktuellen Federn und Stoßdämpfern lässt sich das betagte Fahrwerk so weit optimieren, dass das Fahrverhalten an die Fähigkeiten moderner Fahrzeuge heranreicht. Spezialisten wie Histronic in Berlin wiederum nehmen sich der Motorelektronik an, verbessern die Fahrbarkeit und senken gleichzeitig den Verbrauch.

Das alles ist sicher keine Option für Jedermann. Aber es ist eine Option für diejenigen, die Oldtimer lieben und gleichzeitig die Errungenschaften aktueller Technik schätzen.

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