Exklusiv: Der Gurt – seit 1974 immer an Bord

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Der Gurt ist das wichtigste Rückhaltesystem im Automobil. Nunmehr bereits 111 Jahre alt, ist der Lebensretter in der Bundesrepublik per Gesetz erst seit 40 Jahren zwingend an Bord. Seit dem 1. Januar 1974 müssen alle Neufahrzeuge mit Gurtsystemen ausgestattet sein. Die Plicht zum Anlegen erfolgte erst am 1. Januar 1976.

Der Sicherheitsgurt ist nicht nur das älteste sondern auch das effizienteste Rückhaltesystem im Fahrzeug. Die Zahl der Menschen, die Ihr Leben dem Gurt verdanken geht in die Hundertausende. 1970 hatte die Zahl der Verkehrstoten auf deutschen Straßen mit 21 300 ihren Höchststand erreicht. Nicht zuletzt dank des Gurts, und vor allem der Pflicht ihn während der Fahrt auf allen Plätzen anzulegen, ist der Blutzoll auf den Straßen trotz rund einem neunmal größeren Verkehrsaufkommen im vergangenen Jahr auf 3290 Menschen gesunken, [foto id=“497248″ size=“small“ position=“right“]die ihr Leben im Straßenverkehr verloren haben. Der Sicherheitsgurt zählt zu den konstruktiven Maßnahmen der passiven Sicherheit. Das heißt, er dient zur Minderung von Unfallfolgen. Schon bei den ersten Automobilen zeigte sich, welche fatalen Folgen das physikalische Phänomen der Massenträgheit bei einem Aufprall für die Passagiere hatte. Die Massenträgheit ist dafür verantwortlich, dass der Fahrer beziehungsweise die Passagiere sich ungebremst weiter bewegen, wenn das Auto abrupt zum Stillstand gekommen.

Schon für die Pioniere des Automobils war klar, dass das Fixieren der Insassen auf ihren Plätzen eine gute Schutzwirkung ausüben könnte. Dies konnte beispielsweise eine Sicherung mit einem Gurt verhindern. Bereits 1903 erfand Louis Renault einen Gurt mit fünf Befestigungspunkten, der sich jedoch mangels einfacher Handhabung und Tragekomfort nicht durchsetzen konnte. Ein Rückhaltesystem, so wurde schnell klar, darf während der Fahrt weder stören noch behindern.

In der Luftfahrt setzte sich der Gurt schneller durch. Im Zweiten Weltkrieg verfügten alle Kampfflugzeuge über Gurtsysteme, die den Piloten fest in seinem Sitz fixierten. Die Erfahrungen aus der Luftfahrt führten nach dem Krieg zur Idee des Beckengurts, der 1948 im amerikanischen „Torpedo Tucker“ erstmals in einem Auto installiert war. Der schwedische Luftfahrtingenieur Nils Ivar Bohlin erfand schließlich in den Fünfzigern des vergangenen Jahrhunderts auf Basis des Renault-Patents von 1903 den sogenannten „Drei-Punkt-Sicherheitsgurt“, der an zwei Punkten an der B-Säule und einem im Kardantunnel befestigt war. 1959 brachte Volvo mit dem PV 544 und dem „Amazon“ die ersten Autos weltweit mit diesem System auf den Markt. [foto id=“497249″ size=“small“ position=“left“]Das Deutsche Patentamt kürte den Drei-Punkt-Gurt zu einer der acht Erfindungen, die der Menschheit in den vergangenen 100 Jahren den größten Nutzen gebracht hat. 1974 kam die europäische Einbaupflicht für Gurte für Fahrer und Beifahrer. 1976 führte Deutschland, vorläufig straflos, die Gurtpflicht ein. Seit dem 1. August 1984 kostet Fahren ohne Gurt ein Bußgeld. Heute liegt die Anschnallquote in Deutschland bei rund 95 Prozent.

Der eigentliche Gurt muss gleichermaßen reißfest und flexibel sein. Darüber hinaus darf er sich unter Belastung so wenig wie möglich dehnen und sollte beim Anlegen praktisch nicht spürbar sein. Diese Anforderungen erfüllt ein 49 Millimeter breites textiles Gewebe aus Polyesterfasern. Die Gurte für die Vordersitze sind jeweils rund drei Meter lang. Wenn sich der Gurt nach dem Ablegen automatisch aufrollt ist von einem so genannten „automatischen Gurt“ die Rede. Der Gurt nutzt sich durch das normale Tragen nicht ab. Raut er an den Rädern auf oder zeigt er gar Risse ist umgehender Austausch erforderlich.

Der Sicherheitsgurt muss über feste Verbindungen verfügen, wenn er seine Schutzwirkung entfalten soll. Die Stellen, wo ein angelegter Gurt fixiert ist, werden als „Punkte“ bezeichnet. Entsprechend tragen die Gurtsysteme Bezeichnungen zwischen „Zwei-Punkt-“ und maximal „Sechs-Punkt-Gurt“. Die Wahl der Befestigungspunkte ist von elementarer Bedeutung für die volle Schutzwirkung.[foto id=“497250″ size=“small“ position=“right“]

Beim Drei-Punkt-Gurt, der zur gängigen Ausstattung aller Pkw gehört, sind zwei der Punkte fest mit der Karosserie verbunden. Im Fall der vorderen Sitze mit der B-Säule, die zu den stabilsten Komponenten der Karosserie zählt, weil sie einerseits eine wichtige tragende Rolle im Konzept der Sicherheitsfahrgastzelle spielt, andererseits den Gurten stabilen Halt bietet. Bei einem Aufprall von 50 km/h verzögert jede freie Masse im Fahrzeug mit dem rund Zehnfachen ihres Gewichts. Das heißt, der Gurt muss bei einem 80 Kilo schweren Erwachsenen 800 Kilo auffangen. Eine physikalische Gesetzmäßigkeit, die sich jeder stets vor Augen halten sollte, wenn er ungesicherte Gegenstände im Auto mitführt. Angefangen bei Kindern, über Hunde bis zum Autoatlas auf der Hutablage.

Der dritte Punkt, der Haltepunkt mit dem Gurtschloss, muss sich direkt am Sitz befinden. Sitze sind in der Länge verstellbar, um Passagieren unterschiedlicher Größe eine bequeme Position zu gewährleisten. Befindet sich das Gurtschloss am Sitz, folgt es der jeweiligen Sitzposition und gewährleistet, dass er optimal anliegt.

Die technische Entwicklung der Rückhaltesysteme ist noch lange nicht abgeschlossen. Seine optimale Schutzwirkung entfalten moderne Gurtsysteme erst in Zusammenarbeit mit Airbags und Gurtstraffern. Die Disziplin beim Anlegen der Gurte ist in Deutschland weltweit am höchsten ausgeprägt. Trotzdem gibt es nach wie vor Gurtmuffel. Eine Form der Dummheit, die im Fall des Erwischens nicht einmal teuer ist. Für einen nicht angelegten Gurt sind immer noch gerade einmal 30 Euro Bußgeld fällig.

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