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Ford
Sein erstes selbstgebautes Auto war ein Wagen wie es Machos mögen: rassiges Fahrwerk, üppige Rundungen an den richtigen Stellen, schwer zu zähmen. Mancher fühlte sich vom Heck der AC Cobra an die Ansicht Marilyn Monroes von hinten erinnert, die ein halbes Jahr nachdem das Fahrzeug erstmals auf dem amerikanischen Markt erschien, gestorben war. Die Cobra-typisch schlanke Karosserieform mit ihren prallen Muskeln hielt, was sie versprach. Unter der Haube steckte ein 4,3 Liter-V8-Motor, der für ein Spitzentempo von 240 km/h gut war, später ersetzte ihn ein 7-Liter Aggregat mit 435 PS. Aufgrund seines extrem niedrigen Gewichts von nur 950 Kilo war die AC Cobra einer der schnellsten und brutalsten Sportwagen, die jemals gebaut wurden, ein Spielzeug für ganze Kerle.
Das war 1962. Carroll Shelby, Vater des Wagens, war gerade 39 Jahre alt geworden und hatte bis dahin ein so aufregendes Leben hinter sich, wie es ihm nach seiner Geburt wohl niemand zugetraut hätte. Der Sohn eines Briefträgers aus Texas war nämlich mit einem schweren Herzfehler zur Welt gekommen und musste den größten Teil seiner Kindheit im Bett verbringen. Erst im Alter von 14 Jahren besserte sich seine Gesundheit so weit, dass er ein normales Leben führen konnte. Im Zweiten Weltkrieg schulte er als Fluglehrer Bomberpiloten, später versuchte er sich erfolglos im Geschäft mit Baustellenfahrzeugen und als Geflügelzüchter. Erst als er ab 1952 eine Karriere als Rennfahrer begann, gelang ihm mit Siegen in der Alten ebenso [foto id=“511711″ size=“small“ position=“right“]wie in der Neuen Welt der Durchbruch. 1959 gewann er mit einem Aston Martin sogar die 24 Stunden von Le Mans, achtmal fuhr er ein Formel-1-Rennen, allerdings ohne Wertungspunkte. Als ihm dann sein Herz wieder Probleme bereitete, versuchte er sich als Autobauer.
Aus Erfahrung wusste der Amerikaner, dass seine Landsleute auf dem Gebiet großvolumiger und kraftstrotzender Motoren führend, die Europäer dagegen bei ausgeklügelten Fahrwerken unschlagbar waren. Also kombinierte Shelby beides, nahm einen Sportwagen des britischen Kleinserienherstellers AC, veränderte dessen Aussehen, behielt das Fahrwerk, verpasste ihm die Scheibenbremsen des Jaguar E, verstärkte Rahmen, Getriebe sowie Differenzial und kaufte bei Ford modifizierte V8-Motoren. Zunächst hatte er mit Motoren von General Motors geliebäugelt, in Detroit jedoch eine Abfuhr erhalten und sich umgehend an die Konkurrenz gewandt. Der erste Kontakt mit Ford und dort mit Lee Iacocca, der damals die Idee zu einem sportlichen Viersitzer, dem Ford Mustang, entwickelte, sollte eine langjährige, für Shelby lebenslange Freundschaft begründen, wenn auch sein Verhältnis zu Ford später für eine Zeit lang ins Stolpern geriet.
Iacoccas Projekt entwickelte sich von Anfang an zum Kult-Auto: [foto id=“511712″ size=“small“ position=“left“]Der Ford Mustang, dessen jüngste Version zum 50-jährigen Jubiläum kürzlich – ebenso wie sein Urahn vor einem halben Jahrhundert – auf der Aussichtsplattform im 86. Stock des Empire State Buildings in New York Prämiere feierte, ließ niemanden kalt, der auch nur den Hauch eines Tropfen Benzins im Blut hatte. Das war schon am 17. April 1964 so, als Ford in den USA bereits am ersten Verkaufstag angeblich 20 000 Exemplare an Mann oder Frau brachte. Nach nur eineinhalb Jahren Entwicklungszeit war auf der Basis des Ford Falcon ein schöner, sportlicher und erschwinglicher Viersitzer entstanden, der viel Spaß machte. Das fanden im ersten Verkaufsjahr auch fast eine halbe Million Amerikaner. Das erste Exemplar überhaupt, das ergaben aufwändige Nachforschungen von Ford, ging übrigens an eine Frau, die damals 22-jährige Grundschullehrerin Gail Wise aus Chicago. Sie besitzt das Cabrio, für das sie 1964 genau 3419 Dollar ausgab, noch heute. Sein Wert 2014: gut und gerne 100 000 Dollar.
Allerdings fehlte den ersten Mustangs noch der letzte Pfiff bis ein halbes Jahr später Carroll Shelby für einen veritablen Leithengst mit einem Fünfliter-V8-Motor und knapp 300 PS sorgte. Jetzt war der Wagen endlich so schnell und so kraftvoll wie wie er aussah. Damals tobte in Detroit eine wahre PS-Schlacht. Großvolumige Kraftprotze von Dodge, Oldsmobile, Chevrolet und Buick mit 400 PS und mehr feierten im Land der drastisch begrenzten Tempolimits wahre Triumphe. Doch gegenüber dem leichten Vollblut-Mustang wirkten sie aufgrund ihres hohen Gewichts wie behäbige Kaltblüter. Der texanische Rennfahrer war jetzt Entwicklungspartner und Werkstuner von Ford und stand so für die schärfsten Mustang-Varianten – der Schriftzug Shelby GT und der Schlangenkopf im Kühlergrill wurden zum Sportabzeichen, und aus dem Pony-Car wurde ein echtes Rennpferd.[foto id=“511713″ size=“small“ position=“right“]
Egal, was Shelby zunächst an Potenzmitteln für den Mustang vorschlug – die Ford Marketing-Abteilung spielte mit, und Lee Iacocca unterschrieb ohne Murren die entsprechenden Schecks. Beide wussten: Der Ruf der Shelby-Mustangs mit dem Cobra-Emblem verlieh der gesamten Herde der übrigen Mustangs ebenso unbezahlbaren Glanz wie Erfolge auf der Rennstrecke: 1966 Sieger der Sportwagen-Weltmeisterschaft und im gleichen Jahr sowie 1967 zweimal Gewinner der 24 Stunden von Le Mans in Folge. Und all das mit Carroll Shelby als Team-Chef, womit er als einziger das legendäre 24-Stunden-Rennen von Le Mans sowohl als Fahrer und Konstrukteur als auch als Rennstallbesitzer für sich entscheiden konnte. Zwischenzeitlich hatte der amerikanische Autovermieter Hertz Kaufverträge über 1000 Exemplare des Ford Mustang GT 350 für sein Programm „rent-a-racer“ unterschrieben.
1970 geriet allerdings Sand ins Getriebe, das Verhältnis zwischen Ford und Shelby kühlte erheblich ab. Grund: Ford verlagerte die Produktion des Shelby Mustang 350 GT von Los Angeles in die Nähe von Detroit, die Fahrzeuge gerieten schwerer und komfortabler, was dem puristischen Texaner ganz und gar nicht gefiel. Den Namen aber behielt Ford, schließlich hatte Shelby von Anfang an Lizenzen zum Gebrauch seines Namens sowie seines Markenzeichens, der Brillenschlange, mit Gewinn verkauft.
2005 aber war wieder genügend Wasser den Mississippi herabgeflossen, so dass Ford und Shelby ihre Differenzen begraben konnten. Beide unterschrieben einen Vertrag für die Entwicklung für den neuen Ford GT, der zur Wiederbelebung verschiedener, auf dem Mustang basierender Shelby-Autos führte inklusive Shelby GT-H, Shelby GT-500 „Super Snake“, Shelby GT und Shelby GT 500 KR.[foto id=“511714″ size=“small“ position=“left“]
Die nächsten Stationen: 2006 hatte der Shelby GTH Premiere auf der New York Auto Show, 2007 erscheint erstmals der Name Mustang GT 500, 2011 war dieser Sportwagen mit 662 PS stärkster Wagen der Welt aus Serienproduktion.
Im Mai 2012 starb Carroll Shelby mit 89 Jahren an seinem Herzleiden. Zum Dank für seine Leistungen für Ford benannt der Konzern drei Monate später eine Straße im Entwicklungszentrum in Detroit „Carroll Shelby Way“. Eine solche Ehrung ist bislang noch keiner herausragenden Persönlichkeit aus der Ford-Geschichte widerfahren.
Erstmals können Interessenten den neuen Mustang ab 2015 in Deutschland ganz normal beim Händler kaufen oder schon am kommenden Sonnabend während des UEFA Champions League-Finales in Lissabon zwischen Real Madrid und Atlético Madrid im Internet vorbestellen, denn Ford hat seinen jüngsten als Weltauto konzipiert.
Selbstverständlich gibt es auch bei der jüngsten Mustang-Generation in den USA wieder einen Shelby GT 500. Die Cabrio-Version mit V8-Motor, 670 PS und Sechs-Gang-Schaltgetriebe ist jenseits des großen Teichs ab 60 110 Dollar, umgerechnet rund 43 000 Euro zu haben. Für deutsche Verhältnisse ein Schnäppchen. In Amerika verkörpert das stärkste dort produzierte Serienfahrzeug Shelbys Auto-Philosophie auch nach seinem Tod wie kein anderes: Seiner Meinung nach mussten echte Sportwagen aus dem Schaufenster des Händlers direkt den Weg auf die Rennstrecke finden können.
geschrieben von auto.de/(ampnet/hrr) veröffentlicht am 21.05.2014 aktualisiert am 21.05.2014
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