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Fahrbericht: BMW 335i – Die alte Herrlichkeit

Ist die Welt in Bayern noch in Ordnung? BMW, das stand einmal für Dominanz, Geschwindigkeit, nach vorn geneigte Doppelscheinwerfer, denen auf der Überholspur Platz gemacht wurde. Unter der Haube summten Sechszylinder-Motoren, die ihre Kraft ungezügelt auf die Hinterräder losließen. Manch einer wird es begrüßen, dass diese Werte und Stilmerkmale inzwischen etwas aus der Mode geraten sind. Der Zeitgeist fordert nunmehr die Präsentation von Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein. „Efficient Dynamics“ nennt sich das neudeutsch in München.

Was bedeutet das für den 3er, das Kernmodell von BMW und die kompakte Sportlimousine schlechthin? Neben einer ganzen Batterie effizienzsteigernder Systeme vor allem konsequentes [foto id=“404519″ size=“small“ position=“right“]Motoren-Downsizing. Bis zum 328i hinauf sitzen jetzt Vierzylinder-Motoren unter der Haube des neuen 3er. Darüber rangiert als einsamer Solitär der 335i – er ist mit einer 3,0 Liter großen Maschine ausgerüstet, der auf die Motorenbezeichnung N55 hört und mittels eines Turboladers auf 225 kW/306 PS gebracht wird. Nur noch er entspricht der klassischen 3er-Definition, zu der die Kombination von kompakter Außenhaut, Hinterradantrieb und – selbstverständlich benzingetriebenem – Reihensechszylinder gehörte. Und nur ein Getriebe kommt für Puristen in Frage: Der weiterhin angebotene Sechsgang-Handschalter, obwohl die optionale Achtgang-Automatik von ZF eigentlich alles mindestens genauso gut kann.

Mit einer Beschleunigung von 0 auf 100 in 5,5 Sekunden und einer Spitze von abgeregelten 250 km/h liefert der 335i Fahrwerte auf Sportwagen-Niveau. Sein Problem: Auch der 180 kW/245 PS starke 328i läuft 250 km/h, und der Standardspurt dauert mit 5,9 Sekunden nur unwesentlich länger. Dafür ist der 328i sparsamer: Er konsumiert im Zyklus 6,4 Liter statt 7,9 Liter Kraftstoff pro 100 Kilometer – in der Realität ist es vor allem beim Sechszylinder oft deutlich mehr. Spricht überhaupt etwas für den Sechszylinder?

Ja. Denn die Zahlen auf dem Papier geben die Überlegenheit des klassischen Konzeptes nur unvollständig wieder. Zwar klingt der Vierzylinder durchaus kernig, und er schiebt auch kräftig an. Weitaus faszinierender ist [foto id=“404520″ size=“small“ position=“right“]jedoch das seidenweiche Klangbild des Sechszylinders, das beim Ausdrehen gelegentlich von einem leisen Turbo-Fauchen unterlegt wird. Leistung existiert beim 335i im Überfluss, und das erleichtert auch den Übergang in sauber kontrollierte Drifts – sofern die Stabilitätskontrolle vollständig ausgeschaltet wird. Dann übrigens lässt sich das Gas wieder modulieren. Im regulären Sport- und Sport-Plus-Modus spricht das Pedal viel zu aggressiv an. Das unvermeidliche Turbo-Loch ist beim 335i auf ein Minimum reduziert. Besser kann es eigentlich nur ein großer Sauger – oder ein mechanischer Kompressor wie beim leistungsstärksten Audi A4.

Das Sechsgang-Getriebe wurde im Vergleich zum 328i verstärkt und will nun mit etwas mehr Nachdruck betätigt werden. Das Schaltgefühl im 335i ist substantieller, die Abstufung harmoniert hervorragend mit dem Motor. Die elektromechanische Servolenkung arbeitet präzise und vermittelt ausgewogene Rückmeldung – subjektiv ein klarer Fortschritt gegenüber 5er und 6er. Die Fahrwerksabstimmung ist straff, aber ausreichend komfortabel; der 3er lässt sich durch fast nichts aus der Ruhe bringen.

Vor allem in Sachen Luxus und Ambiente hat der neue 3er im Vergleich zum Vorgänger deutlich profitiert. Die Mittelkonsole ist wieder fahrerorientiert, [foto id=“404521″ size=“small“ position=“right“]der unschöne Höcker für die Navigation verschwunden. Es gibt mehrere Ausstattungslinien: Neben die eher frugale Basisausstattung tritt die mit roten Streifen akzentuierte Sport Line, die klassische Luxury Line und eine helle, mit grob geriffeltem Holz ausgerüstete Modern Line. Dazu kommt noch diese Jahr das M Sport-Paket, das sich auch von außen mit eigenständigen Schwellern sowie sportlicher Front- und Heckschürze deutlich von den anderen Linien unterscheidet.

Für Kunden, die Wert darauf legen – und das sind immer mehr – hat der 335i eine große Palette an elektronischen Komfort- und Assistenzsystemen zu bieten. Er kann – sofern bei der Bestellung spezifiziert – selbsttätig einparken, er erkennt Überholverbote und überwacht die Spurtreue des Lenkers; er bietet Online-Zugang und Apps. Dazu kommen die unvermeidlichen Öko-Werkzeuge: Ein Start-Stopp-System etwa, die Bremsenergie-Rückgewinnung oder der sogenannte Eco-Pro-Modus, der das Temperament des Triebwerks derart zügelt, dass man sich glatt in einen Vierzylinder versetzt fühlt.

Aber es gibt Momente, in denen der Fahrer die notorischen Helferlein gnadenlos abschaltet. Dann schaltet er vor jeder Kehre mit einem Gasstoß herunter, kostet jeden der präzise rastenden Gänge einzeln aus – und lässt den 3er beim Herausbeschleunigen von der Gewalt der 400 Newtonmeter nach vorne reißen. Es sind die kostbaren Momente, in denen die Welt noch in Ordnung ist in Bayern.

BMW 335 i – Kurzcharakteristik:

Alternative zu: den leistungsstarken Varianten von Audi A4, Lexus IS, Mercedes-Benz C-Klasse
Sieht gut aus: mit ein paar Extras; die Basis-Linie verströmt Vierzylinder-Flair
Passt zu: Nostalgikern und Leistungsfetischisten

BMW 335i – Technische Daten:

Viertürige, fünfsitzige Limousine der gehobenen Mittelklasse  
Länge: 4,48 m
Breite: 1,82 m
Höhe: 1,40 m
Radstand: 2,70 m
Leergewicht: 1.585 kg
Hubraum: 3,0-Liter-Sechszylinder-Reihenmotor mit Turboaufladung
Getriebe: Sechsgang-Schaltgetriebe (a.W. Achtgang-Automatik)
Leistung: 225 kW/306 PS bei 5.800-6.000 U/min
Drehmoment: 400 Nm bei 1.200-5.000 U/min
0-100 km/h: in 5,5 s
Vmax: 250 km/h
Verbrauch: 7,9 (7,2) l/100 km
Emissionen: 186 (169) g CO2/km
Preis: 43.600 Euro (Automatik plus 2.250 Euro)

 

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