Chrysler

Fahrbericht Chrysler 300C Touring : Extrovertierter Exot

Auf dem Chrysler-Heimatmarkt USA fährt man Pickup, SUV oder Limousine. Kombis sind dort ziemlich "out". Dennoch kommt am 6. November mit dem 300C Touring ein Kombi aus dem Hause Chrysler auf den Markt – allerdings nicht auf den amerikanischen, dort wird er noch nicht einmal gebaut. Im kanadischen Toronto läuft er vom Band und ist, anders als die 300C Limousine, als reines Exportprodukt konzipiert: Europa und den Rest der Welt soll der extrovertierte Exot 300C Touring erobern und dabei im Jagdgebiet anderer Exoten wie Volvo V70 Kombi, Saab 9-5 Kombi und Jaguar X-Type Estate wildern.
Chrysler 300C Touring. Foto: Auto-Reporter
"Noble Proportionen, gepaart mit ausdrucksstarkem Design und elegantem Innenraum" verspricht Chrysler beim 300C Touring, und dabei haben die Amerikaner den Begriff "bullig" vergessen. Mit seinem alles dominierenden Kühlergrill sieht er aus wie ein waschechtes amerikanisches Auto, lang, breit und überaus präsent steht er da auf Reifen der Dimension 225/60 R 18. Auf eine Länge von 5,02 Metern, eine Breite von 1,88 und eine Höhe von 1,56 Meter verteilen sich stolze 1782 Kilogramm Gewicht, das in Verbindung mit dem Allradantrieb sogar auf fast zwei Tonnen ansteigt. Soviel durchgestylte Masse will adäquat in Bewegung gebracht werden. Und zu diesem Zweck hat der europäische Kunde die Wahl zwischen zwei höchst potenten und nach Euro 4 eingeordneten Aggregaten. Ein Diesel ist nicht dabei, wird aber wohl im nächsten Jahr folgen. Serienmäßig gelangt die Antriebskraft über eine Viergangautomatik an die Hinterräder.
Der "Basismotor" mit 3,5 Litern Hubraum, sechs Zylindern und 188 kW/253 PS bei 6400/min befördert den 300C Touring in 9,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h und weiter bis auf maximal 219 km/h. Dabei bescheidet er sich mit 11,3 Litern Superbenzin pro 100 Kilometer im kombinierten Modus. In der Allradvariante mit fester Drehmomentverteilung von 62 Prozent vorne und 38 Prozent hinten sind es 0,6 Liter mehr. Aufgrund des hohen Eigengewichtes wirkt der 300C Touring 3.5 allerdings ein wenig behäbig und taugt eher für das gemütliche Reisen als für die flotte Fahrt.
Richtig Spaß macht der Mega-Kombi aber mit dem 5,7-Liter-V8 HEMI Aggregat, serienmäßiger Fünfgangautomatik und manueller Schaltgasse. Das legendäre Motordesign mit halbkugelförmigen Brennräumen, das in den 50er Jahren die Chrysler "Letter-Series"-Fahrzeuge angetrieben hat, wurde neu entwickelt und als modernes Hochleistungs-Triebwerk wieder geboren: Der 5,7-Liter-HEMI klingt nicht nur gut, er leistet auch 250 kW/340 PS bei 5000/min und wuchtet respektable 525 Nm Drehmoment bei 4000/min an die Kurbelwelle. Nach 6,4 Sekunden liegt bereits Tempo 100 km/h an, bei 250 km/h regelt die Elektronik jeden weiteren Vortrieb ab.
Wer nun den Verbrauch auf 20 Liter plus X taxiert wird angenehm enttäuscht. 12,5 Liter Superbenzin nimmt er im Messzyklus – dank MDS (Multi Displacement System). Das System der Zylinderabschaltung feiert im 300C seine Premiere. Über elektromagnetische Ventile werden dabei mittels Öldruck die Stößelstangen von der Nockenwelle entkoppelt, und so fährt der V8 im Teillastbereich zwischen 30 und 130 km/h nur auf vier statt acht Zylindern. Die Kolben laufen zwar mit, die Benzinzufuhr ist aber unterbrochen. Eine Kraftstoffersparnis von 20 Prozent im Vergleich zum reinen Achtzylinder haben die damit Techniker erreicht. Im Fahrbetrieb merkt der Fahrer nichts von der Ab- oder Zuschaltung der Zylinder, die sich innerhalb von 40 Millisekunden vollzieht.
Kombiniert mit dem optionalen Allradantrieb erweist sich der 300C Touring 5.7 HEMI als durchaus agiles Fahrzeug. Satt steht er auf seinen 18-Zoll-Rädern und lässt sich problemlos auch durch das kurvenreiche Voralpenland treiben, reagiert prompt auf jeden Lenkbefehl und bleibt stets gutmütig. Kleiner Wermutstropfen: Mit Allradantrieb besitzt der 300C Touring zwar 23 Millimeter mehr Bodenfreiheit, doch erreichen beide Motoren dann nur noch Euro 3.
Und wie ein echter Kombi taugt er auch zum echten Lastesel. 630 Liter fasst das Gepäckabteil bei stehenden Rücklehen. Klappt man diese vor, so passen 1602 Liter Gepäck auf einer Länge von 2,07 Metern in den Kombi. Die Heckklappe ist sehr weit hinten angeschlagen, öffnet fast vertikal nach oben, so dass man beim Öffnen direkt hinter dem Wagen stehen und einladen kann. Der Laderaum ist höchst variabel. Der Laderaumboden lässt sich zusammenfalten, als Trennwand im Kofferraum einsetzen oder umdrehen. Auf der Rückseite ist er gummibeschichtet: Dreckige Stiefel oder der Hund nach dem Waldspaziergang sind dort gut und sauber untergebracht. Der samstägliche Großeinkauf lässt sich prima im serienmäßigen "Cargo Organiser" verstauen. Dabei klappt man einfach den hinteren Ladeboden hoch und erhält drei durch Gepäcknetze abgeteilte Fächer.
Auch in der zweiten Reihe lässt es sich bequem reisen. Rückt der Fahrer seinen Sitz ganz nach vorn, so steht im Fond ein voller Meter Fußraum zur Verfügung. Das ist mehr als die Business-Class zu bieten hat. Auf Business-Class-Niveau befindet sich auch die Serienausstattung. Xenonscheinwerfer, Infrarotsensor-gesteuerte Zwei-Zonen-Klimaautomatik, elektronische Einparkhilfe, elektrisch verstellbarer Fahrersitz, Soundsystem von Boston Acoustics, Tempomat, Lederlenkrad mit Bedienknöpfen für das Audio- und Navigationssystem sind serienmäßig an Bord. Für die Sicherheit sorgen ABS, ESP, abschaltbare Traktionskontrolle, Adaptive Airbags vorn sowie Sidebags und eine Niveauregulierung an der Hinterachse.
Ein GPS-Navigationsystem mit integriertem Sechsfach-CD-Wechsler sowie Ledersitze sind im Chrysler 300C Touring 5.7 HEMI Serie, im 300C Touring 3.5 gegen Aufpreis verfügbar. Ebenfalls in der Aufpreisliste stehen ein elektrisches Glas-Schiebedach, die elektrisch verstellbare Pedalerie sowie der Allradantrieb, der mit 2300 Euro zu Buche schlägt.
Die Preise für den Chrysler 300C Touring 3.5 beginnen bei 41 100 Euro und enden bei 52 450 Euro für den Chrysler 300C Touring 5.7 HEMI. Damit ist der Chrysler-Kombi ein echtes Schnäppchen unter den Premiumkombis: Ein vergleichbar ausgestatteter BMW 5er Touring kostet rund 20 Prozent mehr. Trotz der aggressiven Preisgestaltung wird der mutig designte Kombi ein extrovertierter Exot auf unseren Straßen bleiben. Von den rund 88 000 Kombis, die jährlich in Deutschland in der Oberklasse verkauft werden, entfallen nur 19 Prozent auf die Importeure. 77 Prozent davon besitzen einen Dieselmotor, den der 300C nicht hat, und nur 14 Prozent einen Allradantrieb. Trotzdem ist man bei Chrysler optimistisch: 280 000 Chrysler 300C, darunter rund 25 000 Touring, können pro Jahr in Toronto vom Band laufen. Wie viele davon nach Deutschland kommen lässt Chrysler offen, will hier aber mehr 300C Touring als Limousinen verkaufen. Sollte das Design des Exoten aber Zustimmung beim breiten Publikum finden, dann könnte er zum Konkurrenten im eigenen Haus werden. Die vergleichbar ausgestatteten Mercedes E-Klasse-Typen kosten ebenfalls rund 20 Prozent )mehr als der Konzernbruder von Chrysler. (ar/rpb)
Von Rolf-Peter Bleeker
1. September 2004. Quelle: Auto-Reporter

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