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Fahrbericht: Ford Taunus 17M P3 – Zeitreise in einer Badewanne

Die 60er-Jahre waren ein Jahrzehnt des Umbruchs und der Konflikte: Der Mensch eroberte den Weltraum, Berlin wurde geteilt, Frauen trugen erstmals Miniröcke, die Beatles nahmen ihre erste Platte auf und die Bundesliga machte Männerherzen glücklich. In der automobilen Welt sorgte Ford für einen Umbruch. Mit dem 1960 vorgestellten Taunus P3 wagten die Kölner einen radikalen Neuanfang. Klare Linien und glatte Seitenflächen prägten die Form des Neuen und sorgten anfänglich für viel Spott. Das alles habe ich jedoch nicht mitbekommen, meine Eltern vermutlich auch nicht, denn die lernten gerade lesen und schreiben. Trotzdem oder gerades deswegen bitte ich den alten Herrn nun zu einer Probefahrt.

Der Ford Taunus P3 folgte auf den amerikanisch wirkenden P2, der aufgrund seiner ausladenden Karosserieüberhänge und des üppigen Chromschmucks noch den Beinamen „Barocktaunus“ erhielt. Glattflächig und mit einer aerodynamischen Karosserie sollte die dritte Nachkriegsentwicklung der Kölner nach „Buckeltaunus“ und P2  die „Linie der Vernunft“ wiederspiegeln. Schon auf den ersten Blick wird verständlich, warum der Volksmund das schlanke Fahrzeug als „Badewanne“ bezeichnete. Mit dem schlichten und langen Auto assoziiert man noch heute durchaus eine alte Waschmöglichkeit.[foto id=“484717″ size=“small“ position=“right“]

Ich mache es mir auf den weichen Kunstleder-Sitzen eines Taunus 17 M P3 aus dem Jahr 1964 bequem. Mein erster Eindruck, nachdem ich auf dem Fahrersitz Platz genommen habe: Das ist keine Badewanne, sondern ein Schwimmbad! Die vielen großen Glasflächen, und das insgesamt sparsame Interieur schaffen ein Raumgefühl, das selbst für heutige Verhältnisse als sehr geräumig durchgeht. Die Rundumsicht ist einwandfrei. Auf dem gepolsterten Armaturenbrett befindet sich nur das notwendigste: Druckertasten für Wischer, Licht und Zigarettenanzünder. Das dünne Dreispeichenlenkrad erinnert mich an ein altes Schiffsruder. Sicherheitsgurte gab es damals nicht, bei dem Oldie aus dem Fundus der Klassik-Abteilung wurde nachgerüstet. Nun aber auf die Straße.

Und da haben wir schon das erste Problem. Der Platz zwischen den Sitzen ist leer, von einem Schaltstock fehlt jede Spur. Nach einer kleinen Inspektion fällt mir ein zierlicher Schalter rechts über dem Lenkrad auf – der muss es wohl sein. Ich starte den Motor und der Vierzylinder erwacht zum Leben, kein Röcheln oder langes Warten. Ist der erste Gang eingelegt, kommt der Taunus langsam in Fahrt. Die Lenkradschaltung strengt an und jedes Einrasten ist in den Fingern spürbar. Obwohl alles dünn und zerbrechlich wirkt, braucht man Kraft um die Gänge einzulegen. Zum Glück muss ich das Viergang-Getriebe bei gemächlicher Fahrweise nicht so oft hochschalten. Die schöne Badewanne überrascht mich, denn sie ist robuster als ich dachte.[foto id=“484718″ size=“small“ position=“left“]

Nun aber genug der Zurückhaltung, schließlich ist der Kölner kein Kinderwagen. Nach einem festen Tritt auf das Gaspedal folgt aber die erste Ernüchterung: Die damalige Basismotorisierung, ein Benziner mit 1,5 Liter Hubraum und 40 kW/55 PS, ist etwas zu schwach für das große Schiff. Obwohl die Höchstgeschwindigkeit 136 km/h beträgt, ist das kein Tempo, das ich dem 940 Kilo schweren Oldie antun will. Mein Begleiter nimmt sich seine Zeit, mehr als 100 km/h will man dem Pensionär nicht zutrauen. Gibt er sich doch solche Mühe, mir einen angenehmen Fahrkomfort zu bescheren.

Behutsam geht es über die Landstraße, wo der P3 im Grunde einen stabilen Eindruck hinterlässt. Er schwankt jedoch mehr als ich es von modernen Autos gewöhnt bin. Ich muss erneut an das Schiffsruder denken, denn die Übersetzung ist sehr indirekt. Servolenkung und Bremskraftverstärker hat der Oldie natürlich nicht. Die gefederte Starrachse vollbringt keine Komfort-Wunder, aber ich bin ja nicht sportlich unterwegs, sondern flaniere gemütlich und genieße meine Fahrt in die Vergangenheit.

Ford bot den Taunus 17M P3 damals als Einstiegsmodell (zweitürige Limousine) für unter 6.700 Mark an. Er galt als „Traumwagen des Mittelstands“, wie die Fachpresse kommentierte. Angeboten wurde der P3 als Zweitürer, Viertürer, Kombi, TS-Version mit drei Motor- und zwei Getriebevarianten sowie 12 Grundfarben. In seinen vier Jahren Bauzeit (1960-1964) liefen fast 670.000 Fahrzeuge vom Band. Die vielen Karosserievarianten waren damals ungewöhnlich, konnten zudem weiter individualisiert werden. So gab es – wie bei meinem Begleiter – Veloursteppich, Schminkspiegel, Haltegriffe im Fond, Tageskilometerzähler oder Zweifarblackierung.

Meine Rundfahrt neigt sich viel zu schnell dem Ende zu. Ich parke den Ford Taunus auf dem Kölner Werksgelände neben den ganzen neuen Modellen der Kölner und schaue ihn mir nochmal genau an. Er ist mit Abstand der älteste in der Reihe und trotzdem sieht er neben Mondeo, B-Max und Co. gut aus. Eine richtig moderne Badewanne also.

Ford Taunus 17 M P3 – Technische Daten

Viertürige, fünfsitzige Stufenheck-Limousine
Länge/Breite/Höhe (m): 4,70/1,70/1,50
Radstand (m): 2,70
Motor: 1,5-Liter-Benziner
Leistung: 40 kW/55 PS
Vmax: 136 km/h
Ehemaliger Neupreis: 6.645 DM (1960)
Heutiger Marktpreis: 12.400 Euro

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