Jaguar

Fahrbericht Jaguar S-Type 2.7 V6 Diesel: Tabubruch ohne Faszinationsverlust

Elegante, leistungsstarke und zeitlos schöne Sportwagen erscheinen vor dem geistigen Auge. Einen Jaguar kauft man nicht für den täglichen Transport von A nach B, allenfalls auch für solch profanes Tun. Doch auch ein so traditionsreiches Unternehmen muss sich den Zwängen der Märkte unterwerfen. Und das kann auch einmal einen Tabubruch bedeuten.
Edle Katze mit modernem Selbstzünder: Der Jaguar S-Type. Foto: Auto-Reporter/ Jaguar
Seit 1999 versucht der Jaguar S-Type auf Augenhöhe mit Mercedes E-Klasse und 5er-BMW zu kommen – mit mäßigem Erfolg. Zwar konnten die Briten mit insgesamt 206 000 Einheiten (in vollen fünf Verkaufsjahren wohlgemerkt) eine gewisse Präsenz erreichen, die aber auch vorwiegend auf dem britischen Heimatmarkt. Dort fahren 18 Prozent im Segment des S-Type eben diesen, und damit ist er dort der Platzhirsch. In Deutschland fristet die große Katze allerdings mit 1500 verkauften Einheiten im letzten Jahr eher ein Schattendasein. Jaguar führt diesen Missstand auf die geänderten Kaufgewohnheiten im automobilen Oberhaus zurück. Dort oben wird auf dem europäischen Markt der Diesel immer beliebter, und daran mangelte es Jaguar. Doch mittlerweile werden 75 Prozent aller europäischen Fahrzeuge in der gehobenen Mittelklasse (D und E Segment) von einem Dieselmotor angetrieben. Ergo hat Jaguar in Kooperation mit Ford und dem französischen PSA-Konzern einen 2,7-Liter-V6 entworfen, der zunächst dem S-Type zu Jaguar-adäquaten Fahrleistungen verhilft. Später soll das Aggregat, das im britischen Dagenham, dem Center of Diesel Excellence der Ford Motor Company gebaut wird, auch im Landrover Discovery und eventuell im Jaguar XJ zum Einsatz kommen.
Vier oben liegende Nockenwellen, 24 Ventile und zwei elektronisch gesteuerte Turbolader mit variabler Geometrie verhelfen dem 2,7-Liter-V6-TwinTurbo zu 152 kW/207 PS und einem maximalen Drehmoment von eindrucksvollen 435 Nm bei 1900/min. Die geballte Kraft gelangt wahlweise über eine Sechsstufen-Automatik von ZF oder ein manuelles Sechsganggetriebe an die Hinterräder. Völlig unspektakulär und ohne dieseltypische Geräuschkulisse sprintet der S-Type in 8,5 Sekunden (Automatik 8,6 Sekunden) aus dem Stand auf 100 km/h. Bei 230 km/h (Automatik 227 km/h) endet jeglicher Vortrieb, und das ist auch einem Jaguar durchaus angemessen. Was die Geschichte bislang nicht lehrte – auch ein Jaguar kann sparsam sein: Mit 7,1 Litern Diesel (Automatik: 8,0 Liter) pro 100 Kilometer gibt sich der Brite zufrieden. Einziger Wermutstropfen: Nur der Handschalter erfüllt jetzt schon die Euro-4-Abgasnorm. Erst ab Anfang 2005 will Jaguar einen Partikelfilter in den Automatikversionen serienmäßig und ohne Aufpreis anbieten.
Wer es komfortabel mag, der sollte aber auf jeden Fall zur Automatik greifen. Die schaltet so seidenweich, dass die Fondpassagiere ihren Fünf-Uhr-Tee ohne Kleckern zu sich nehmen können. Das Fahrwerk des Hecktrieblers mit Einzelradaufhängung rundum ist der Potenz des Fahrzeugs entsprechend abgestimmt, lässt aber (auch mit dem aufpreispflichtigem CATS, dem adaptiven Fahrwerk) nicht jenes Maß von Komfort vermissen, das einer edlen Limousine angemessen erscheint. In schnellen Kurven reagiert der Brite gutmütig, außerdem verfügt er über ausgezeichnete Schnellauf- und Geradeauslaufeigenschaften. Er lässt sich, wenn man die Traktionskontrolle TRACS ausschaltet und ihn dazu zwingt, auch quer um die Ecken treiben, tückische Reaktionen auf Lastwechsel sind ihm jedoch fremd. Der S-Type verfügt über ein Bremssystem mit vier innenbelüfteten Scheiben und ABS. Die Servotronic-Lenkung agiert zwar präzise, ist in ihrer Auslegung aber immer noch ein wenig zu sehr auf den amerikanischen Geschmack ausgerichtet: Sie vermittelt in der Mittellage zu wenig Straßenkontakt und wirkt deshalb etwas gefühllos.
Zusammen mit der Einführung des Dieselmotors hat Jaguar auch die Optik des S-Type leicht modifiziert. Die Sicken der aus Aluminium bestehenden Motorhaube laufen V-förmig nach außen, das Kühlergrill ist etwas kompakter, und die Heckleuchten wurden ebenfalls leicht verändert. 39 900 Euro kostet der Einstieg in die neue Dieselklasse bei Jaguar, samt Klimaautomatik, Tempomat, Audioanlage und elektrisch verstellbaren Stoffsitzen. Ab dem 15. Mai steht der S-Type 2,7 V6 Diesel in Deutschland bei den Händlern und soll den Absatz ankurbeln. Von den geplanten 2000 S-Type für das Jahr 2004 sollen 800 vom potenten Selbstzünder befeuert werden.
Auch mit den neuen Dieselmodellen und der Ausweitung der Modellpalette um einen Kombi wird Jaguar kein Massenhersteller. Rund 150 000 Fahrzeuge stellt das britische Unternehmen pro Jahr her und genießt damit immer noch mehr als einen Hauch von Exklusivität. Und allen Unkenrufen zum Trotz: Weder Kombi noch Dieselmotor schmälern die Faszination der Marke mit der springenden Raubkatze.
Von Rolf-Peter Bleeker
10. Mai 2004. Quelle: Auto-Reporter

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