Mercedes-Benz

Fahrbericht: Mercedes-Benz SLS AMG – Mit verklärtem Blick

PS-Romantik pur: Der offizielle Erfinder des Automobils spielt mit dem SLS AMG ungeniert die Retro-Karte. Zahlreiche Stilelemente erinnern an den klassischen 300 SL, und die Gesamtproportionen mit gewaltiger Fronthaube und kurzem, weit nach hinten versetzten Dach überzeichnen das Original geradezu. Die Auslieferungen des Supersportwagens haben erst im Frühjahr 2010 begonnen, und auch deshalb zählt der SLS AMG noch immer zu den Exoten auf unseren Straßen. Wer den Flügeltürer sein eigen nennt, darf sich der ungeteilten Aufmerksamkeit des Publikums gewiss sein – und das dürfte in Anbetracht des Kaufpreises auch auf absehbare Zeit so bleiben. Beim Kauf eines neuen SLS wechseln mindestens 186.830 Euro den Besitzer.

Nicht der geringste Teil des Interesses gilt den auffälligen Flügeltüren und den aus der ungewöhnlichen Türöffnung resutierenden Ein- und Aussteigemanövern,[foto id=“381607″ size=“small“ position=“left“] die sich diffiziler als bei einem herkömmlichen Auto gestalten. Kleiner gewachsene Fahrer sollten den eleganten Schwung erst einmal ohne Publikum üben, bevor sie sich in die Öffentlichkeit wagen. Hat man dann am unten abgeflachten Dreispeichen-Lenkrad Platz genommen, darf der 6,2-Liter-V8-Frontmittel-Motor der Serie M159 per Knopfdruck gestartet werden – stets aufs neue ein Moment, der keinen Automobilisten kaltlassen kann. Schon im Leerlauf fasziniert die unter Federführung des Konstrukteurs Bernd Ramler entwickelte Maschine mit einem tiefen Grollen, das bereits eine Ahnung ihres unbändigen Leistungspotentials erweckt. Man sollte das ein paar Momente lang genießen, bevor man den ersten Gang des eigens für den SLS entwickelten Doppelkupplungs-Getriebes einlegt. Im Stadtverkehr fährt sich der Bolide unerwartet leichtfüßig: Obwohl die Abmessungen fast identisch mit dem früheren SLR McLaren sind, ist der SLS einfacher durch enge Ortschaften und Spurlabyrinthe zu dirigieren. Das liegt vor allem an der gut einsehbaren Motorhaube, aber auch an der besseren Sitzposition.

Wohler fühlt sich der Aluminium-Leichtbau nur 1.695 Kilogramm wiegende Sportwagen allerdings auf der Landstraße. Die präzise Zahnstangenlenkung ist hervorragend abgestimmt und liefert akkurat Rückmeldung über den Fahrbahnzustand, das sportlich abgestimmte Fahrwerk erlaubt zudem kaum Seitenneigung, und die erreichbaren Kurvengeschwindigkeiten sind für Normalfahrer schwindelerregend. Dank der eigens entwickelten Trockensumpfschmierung ist die kontinuierliche Ölversorgung der Maschine auch bei [foto id=“381608″ size=“small“ position=“right“]Exkursionen in die Außenbezirke der Bodenhaftung gewährleistet. Wer es noch weiter treibt, wird den SLS allerdings als herzhaften Übersteurer erleben, wie es sich für einen Supersportwagen gehört. Bevor das ESP-System abgeschaltet wird, sollte man wissen, worauf man sich einlässt.

Die wahre Domäne des SLS AMG ist die große, freie Strecke – vorzugsweise ohne Geschwindigkeitsbeschränkung. Dann kann der Fahrer entschlossen auf dem Gas stehenbleiben – und Teil eines automobilen Ereignisses werden, das seinesgleichen sucht. Der Achtzylinder heult auf, das Sportgetriebe peitscht die Gänge durch, und der SLS wird raketenartig in Richtung Horizont katapultiert. Bei der kuriosen Marke von 317 km/h setzt ein Abregler dem Vorwärtsdrang ein Ende, kurz bevor es die Fahrwiderstände tun würden. Warum 317? Mit diesem Wert wird der Audi R8 5,2 V10 um genau ein km/h geschlagen – eine Symbolik, die etwas juvenil wirkt.

Die Kraftstoffmenge, die bei derartigen Leistungsexzessen in die Brennkammern des SLS injiziert wird, dürfte ausreichen, um den halben Fuhrpark der baden-württembergischen Landesregierung zum nächsten Wahlkampftermin zu kutschieren. Der angegebene Normverbrauch liegt bei 13,2 Litern, in der Praxis sind es [foto id=“381609″ size=“small“ position=“left“]aber fast immer ein paar Liter mehr. Doch die Senkung des Flottenverbrauchs stand offenbar nicht im Lastenheft des SLS AMG – und das ist auch gut so. Mit einem sparsameren Turbomotor, wie er in den neueren AMG-Modellen eingebaut wird, würde der Bolide deutlich an Charakter verlieren.

Es gibt Kritiker, die grundsätzliche Einwände gegen den Retro-Ansatz des Affalterbacher Boliden vorbringen: Schon 1969, nur sechs Jahre nach Produktionseinstellung der legendären Flügeltürer- und Roadster-Baureihe W198, hatten die Schwaben mit dem futuristisch gezeichneten Wankel-Sportwagen C111 forsch in die Zukunft geblickt. Ende der siebziger Jahre schließlich zeigte der frühere Porsche-Konstrukteur Eberhard Schulz mit dem Buchmann CW311 eine weitere hochmoderne Neuinterpretation des klassischen Mercedes-Themas. Daimler, so wird argumentiert, hätte sich mit einem neuen Supersportwagen an die Spitze des Fortschritts setzen sollen, anstatt sich auf eine romantisierende Ästhetik zu verlegen.

Den Kritikern sei empfohlen, ein paar Stunden am Lenkrad des SLS zu verbringen. Der Autor dieser Zeilen kann bestätigen, dass es dabei häufig zu spontanen Konversionen kommt.

Mercedes-Benz SLS AMG – Kurzcharakteristik:

Alternative zu: Audi R8 V10, McLaren MP4-12C – oder auch einem klassischen Sportwagen
Sieht gut aus: vom Fahrersitz aus, mit Blick durch die steilen Scheibe auf die riesige Haube
Passt zu: Liebhabern, die nicht den ultimativen Sportwagen, sondern den ultimativen Mercedes-Benz suchen

Mercedes-Benz SLS AMG – Technische Daten:

Länge: 4,64 m
Breite: 1,94 m
Höhe: 1,26 m
Radstand: 2,68 m
Hubraum: 6,2-Liter-V8-Motor
Leistung: 420 kW/571 PS bei 6.800 U/min
max. Drehmoment: 650 Nm bei 5.750 U/min
0-100 km/h: in 3,8 s
Vmax: 317 km/h (abgeregelt)
Verbrauch: 13,2 l/100 km
Emissionen: 308 g CO2/km
Preis: 186.830 Euro

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Gast auto.de

Januar 7, 2012 um 12:30 pm Uhr

Das Modell steht z.Zt. beim hieisigen Mercedes-Händler, der mir das Fahrzeug aufschloss. Rein wäre ich (58j) vielleicht noch gekommen, raus aber kaum, und habe es daher nicht probiert. Aber das Fahrzeug ist einfachfach bildschön, besonders in dem matt-grau-met. sah es zum Anbeißen, äh Mitnehmen, aus. Auch der Preis, obwohl mit rund 195.000,- € gewaltig, relativiert sich. Schade nur, dass man sich in jungen Jahren das Fahrzeug körperlich leisten könnte, nicht aber finanziell. In späteren Jahren ist es dann genau umgekehrt.

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