Testfahrt im Rheingau

Fahrbericht Nissan Leaf: Mit E-Pedal und Pro-Pilot

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Die Unruhe ist unbegründet und doch stets präsent. Zu lange waren wir mit Autos unterwegs, die von einem Verbrennungsmotor angetrieben wurden. Deren Energievorrat lässt sich selbst in abgelegenen Gegenden und beinahe bei jeder Tages- und Nachtzeit unschwer auffüllen. So aber streift der Blick immer wieder die Reichweiten-Anzeige. Noch 270 Kilometer? Damit sollte sich die kaum 100 Kilometer messende Strecke in den Rheingau und zurück wohl bewältigen lassen. Aber letzte Zweifel bleiben.

Akku und Antrieb geraten ins Schwitzen, die Passagiere nicht

Dabei hat Nissan den Leaf gerade ordentlich nachgerüstet. Die Batterie wurde von 30 auf 40 kWh verstärkt, die E-Maschine liefert 150 PS (110 kW). Das sind 38 Prozent mehr als bisher. 285 Kilometer Reichweite sollen nach dem neuen, realistischeren Mess-Zyklus WLTP möglich sein. Nach dem früheren Maßstab NEFZ entspricht das einem Weg von 378 Kilometern. Aber der Leaf zeigt uns trotz endloser Ladezeit an der heimischen 230-Volt-Steckdose partout nicht mehr als 275 Kilometer an. Und am Ende der geplanten Route geht es steil hinauf zum Schloss Johannisberg, besetzt mit vier Personen können Akku und Antrieb da schon ins Schwitzen kommen. Diese Gefahr besteht für die Passagiere nicht, denn der Abend ist kühler als erwartet. Die Heizung bleibt dennoch abgeschaltet, bloß keinen unnötigen Stromverbrauch wagen. Lieber ein wenig frösteln als nachher Taxi fahren. Vorbei geht die Fahrt an Tankstellen, die Treibstoffe zu hohen Preisen anbieten aber keine Ladestation vorhalten. Ein Blick ins Navigationssystem zeigt, dass es in Wiesbaden elektrische Zapfsäulen gibt, aber ob die gerade belegt und überhaupt in Betrieb sind, wissen wir nicht. Die Salzbachtalbrücke, über die der vielbefahrene Schnellweg A66 führt und sich links vorbei an der Sektkellerei duckt, wo der Henkell trocken sprudelt, fördert das Vertrauen ins E-Automobil. Der Verkehr stockt, kommt zeitweise zum Erliegen.
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Stehen im Verkehr ist dem Leaf egal

Einst haben wir als Jungs hier an den Böschungen der Baustelle gehockt und von den Bauarbeitern einen Schnippel Fleischwurst abbekommen. Aber das ist nun schon fast ein halbes Menschenleben her. Mittlerweile ist die alte Dame in die Jahre gekommen und bedurfte der Pflege. Dumm nur, dass die Sanierer übereifrig einen stählernen Anker im maroden Beton durchbohrt haben, darauf gab es vorübergehend nur noch zwei statt vier Spuren. Die beim Schönwetter-Ausflugsverkehr und erst recht in den Zeiten der Pendler völlig überlastet waren. Dem Leaf ist’s egal. Wenn er steht, braucht er auch keinen Strom. Zumindest kaum. Ein wenig Radio hören, das trauen wir uns. Die untergehende Sonne lässt die Wellen des Rheins glitzern, das Tempolimit auf der Uferstraße, der B42, kommt unseren Ansprüchen entgegen. 80 km/h werden strikt eingehalten, das schont den Akku und das Portemonnaie. Der Rheingau gilt als Geburtsort der Radarfalle. Das Reichweitenversprechen ist unterdessen um kaum 50 Kilometer gesunken, aber jetzt, direkt hinter Oestrich-Winkel, geht es steil zwischen den Rebzeilen bergauf. Die Anzeige beginnt mit beeindruckender Geschwindigkeit rückwärts zu zählen, das Ökometer schlägt weit in den negativen Bereich hinein. Aber der Leaf erklimmt die Höhe beherzt.
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Nur 415 Kilogramm darf der Leaf befördern

320 Newtonmeter Drehmomentspitze sind ein Wort. In der Ebene befähigt ihn der potente Elektromotor zu einem Sprint in 7,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Aber auch am Berg wirkt er gar nicht müde, trotz vierer gestandener Insassen im geräumigen Passagierraum. Dabei ist der Stromer an sich schon kein Leichtgewicht. 1580 Kilogramm wiegt er unbeladen, der Akku macht gut ein Fünftel davon aus. Die Zuladung ist gerade so ausreichend. Um den heimischen Weinkeller zu füllen, wäre ein anderes Automobil für diesen Rheingau-Ausflug passender. Denn nur 415 Kilogramm darf der Leaf befördern.

Am Ziel. Ein kleiner, lauschiger Gutsausschank, gleich neben dem sternegekrönten Restaurant Schloss Schwarzenstein. Kaum weniger anspruchsvoll, doch sehr viel preisgünstiger. Nach dem anstrengenden Aufstieg signalisiert der Leaf, dass er noch 120 Kilometer weit kommt. Das sollte für den Rückweg reichen, zumal die Fahrt hinunter ins Rheintal ja immense Energierückgewinnung verspricht. Dennoch – den Wirt fragen, ob wir an die Steckdose dürfen? Viel brächte das während den geschätzten zwei Stunden der Einkehr nicht. Wir zeigen Mut zum Risiko.

Spontanität ist keine Option

Bei Wasser, Wein und Winzerschmaus kreisen die Gespräche um den Leaf und die Elektromobilität. Was er kostet, wie viel er verbraucht, wie lange die Batterie hält. Und was, wenn jetzt wegen unvorhersehbarer Ereignisse ein Umweg in Kauf genommen werden müsste? Nun, die Einstiegsversion des Leaf kostet 36 800, die Spitzenversion Tekna kommt auf gut 40 000 Euro. Seinen Normverbrauch gibt Nissan mit 20,6 kWh für 100 Kilometer an. Darin nicht enthalten ist der Konsum der Komfortspender wie Heizung, Klimaanlage und des Infotainmentsystems. Und auf die Batterie gibt der Hersteller eine Garantie von acht Jahren. Wenn ihre Kapazität fürs Fahren unakzeptabel werden sollte, kann sie immer noch als stationärer Stromspeicher im Keller zusammen mit einer Solaranlage die Verbrauchsspitzen im Haushalt abfedern und so den Preis der immer teurer werdenden Energie relativieren. Zeit zum Aufbruch. Jetzt noch, wie früher, einen Abstecher in den Jazz-Club nach Frankfurt? Maceo Parker spielt heute Abend, es gibt sogar noch Karten. Tja, die Reichweite lässt die schöne Idee zerplatzen wie eine Seifenblase. Spontanität ist mit einem batterieelektrischen Auto keine Option. Klar, man könnte sich schnell kundig machen, ob es im Viertel eine Schnelladestation gibt, die dem Leaf mit 50 kW in weniger als einer Stunde zumindest 80 Prozent seiner Batteriekapazität einpresst. Aber noch sind wir nicht erfahren genug, diese Möglichkeiten in der gebotenen Eile auszuloten. Also brav nach Hause fahren, war ja auch so schon ein feiner Abend.
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Künstlich erzeugte Geräusche sorgen für Aufmerksamkeit im Verkehr

Und es ist eine schöne Rückfahrt. Brav rekuperiert der Stromer bei der Schussfahrt ins Tal, fast 40 Kilometer gewinnen wird dazu. Anfangs überraschend, nach kurzer Strecke jedoch als hilfreich erweist sich dabei das neue E-Gas. In verschiedener Intensität lässt sich die Stärke der Rückgewinnung einstellen, in der höchsten verzögert der Leaf mit 0,2 g, so stark, dass die Bremsleuchten aufleuchten. Bis zum Stillstand kommt der Wagen, wer vorausschauend fährt, kann auf die Bremse fast verzichten und rekuperiert reichlich Energie. Die Lenkung ist feinfühlig, die Fahrwerksabstimmung eher straff. Aber trotz des erstaunlichen Sprintvermögens ist der Leaf weit davon entfernt, sportliche Fahrgefühle zu vermitteln. Jenseits der 100-Kilometer-Marke wird die Beschleunigung zäh, bei 144 km/h ist dann ohnehin Schluss, die Elektronik begrenzt das Spitzentempo aus wirtschaftlichen Gründen.

Bei geringem Tempo rollt der Leaf auf samtenen Pfoten. Die Geräuschdämmungen machen die Stille im Innenraum fast perfekt. Das Mucksmäuschen gibt der elektrische Nissan jedoch auch gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Und da sich Fußgänger und Radfahrer bei ihrer Orientierung im Straßenverkehr gerne auf ihr Gehör verlassen, sondert der Leaf künstlich erzeugte Geräusche ab, um auf sich aufmerksam zu machen. Beim Vorwärtsfahren ertönt bis etwa 40 km/h ein sanftes Zischen, wer rückwärts rangiert, bekommt ein mildes Piepsen zu hören. Eigentlich schade, dass ein Autos, das in der City die Nerven aller zu entspannen verspricht, nachträglich mit einem Krachmacher-Effekt ausgestattet werden muss.

Bei der Infrastruktur muss nachgebessert werden

Die Tekna-Version für 40 300 Euro ist die umfangreichste von vier Ausstattungslinien. Sie ist serienmäßig mit dem E-Pedal ausgerüstet und hat außerdem das komplette Programm an Assistenzsystemen an Bord. Dazu gehören unter anderem die Front-Kamera, Front- und Heck-Radar, Totwinkel- und Querverkehr-Warner, die Surround-View-Kamera, ein autonomer Einparkassistent, der den Wagen längs und quer, sowie vorwärts oder rückwärts in die Lücken rangiert. Außerdem gibt im Tekna der Pro-Pilot (1200 Euro Aufpreis) einen Vorgeschmack auf autonomes Fahren. Er hilft beim Lenken, hält die Spur, verzögert im Verkehr bis zum Stillstand und lässt den Leaf automatisch wieder losrollen. Seine Hände muss der Chauffeur trotzen am Lenkrad halten. Lässt er es ganz los, folgt nach zehn Sekunden eine optische Warnung, dann ein akustisches Signal, danach sollen zwei Bremsimpulse den eventuell eingeschlafenen Fahrer wecken. Hilft auch das nicht, verzögert der Autopilot den Wagen bis zum Stillstand. Wieder zuhause, gilt es, das Stromkabel anzuschließen und sich in Geduld zu üben. Etwa 20 Stunden braucht die bordeigene Ladeeinrichtung bei 230 Volt Haushaltstrom, um den Akku wieder frisch zu machen. Eine Wallbox als Ladehelfer haben wir nicht, sie kostet rund 1500 Euro plus Installationskosten und beschleunigt den Vorgang auf 14 Stunden. Unterwegs mit den entsprechenden Kraft-Stationen besonders schnell zu laden, ist uns nicht gelungen. Der Nissan Händler in Groß-Gerau hat keine Ladesäule, die beim Supermarkt war defekt, eine andere dauerhaft belegt. Was nutzen 40 Minuten Ladezeit, wenn mancher Elektro-Fahrer seinen Wagen vier Stunden auf dem entsprechenden Parkplatz abstellt. Auch die vielzähligen Apps, die über die Standorte informieren, sind nicht immer auf dem neuesten Stand. Und das Navigationssystem im Leaf, das ebenfalls mit einer solchen Funktion dienen kann, weiß ebenfalls nicht, ob die Station frei, defekt oder gar nicht mehr vorhanden ist. Bei der Infrastruktur muss nachgebessert werden.
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Nissan bringt mit dem Leaf e+ eine Steigerung auf den Markt

Elektrisch fahren macht Spaß. Wer stets die gleichen Strecken fährt, wird kaum vor unliebsame Überraschungen gestellt. Spontanität ist dem System dagegen nicht immanent. Auch die Kosten sind nicht überschaubar. Die Anschaffung ist trotz staatlicher Prämie teuer, Gratisladen, wie es bei manchem Supermarkt angeboten werden soll, wird es nicht auf Dauer geben. Und wenn die Zahl der Elektrofahrzeuge deutlich zunimmt, wird sich das außerdem auf den Strompreis auswirken, bei dem wir in Europa ohnehin schon eine Spitzenposition einnehmen. Immerhin gibt Nissan umfangreiche Garantien. Drei Jahre auf das Fahrzeug, fünf auf alle Komponenten des elektrischen Antriebs. Für den Akku steht die Marke sogar über acht Jahre oder 160 000 Kilometer gerade. Für mehr Leistung und Reichweite legt Nissan jetzt nochmals zu und bringt den Leaf e+ auf den Markt. Für wenigstens 44 700 Euro gibt es hier eine Batterie mit 62 kWh Kapazität, die für 385 Kilometer gut ist und einen bärenstarken Motor, der es auf 217 PS (160 kW) bringt. Damit soll das Stromern noch attraktiver werden. Dabei liegt bei dieser Antriebsart doch die Kraft eher in der Ruhe.
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Technische Daten Nissan Leaf 40 kWh

Länge x Breite x Höhe (m) 4,49 x 2,79 x 1,53
Radstand (m) 2,7
Motor Asynchron-Elektromotor
Motor 110 kW / 150 PS
Drehmoment 320 Nm bis 3283 U/min
Höchstgeschwindigkeit 144 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h 7,9 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch 20,6 kWh
Effizienzklasse A+
CO2-Emissionen 0
Leergewicht / Zuladung min. 1580 kg / max. 410 kg
Kofferraumvolumen 435 Liter
Max. Anhängelast n.a.
Wendekreis 11,2 m
Bereifung 215/50 R 17
Luftwiderstandsbeiwert 0,28
Wartungsintervalle 20 000 km/12 Monate
Garantie 3, Antrieb 5, Batterie 8 Jahre
Testwagenpreis 40 300

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