Vor ziemlich genau sechs Jahren begann für den koreanischen Hersteller dem ungewöhnlichen Namen „SsangYong“ ein neues Kapitel. Der indische Autohersteller Mahindra übernahm das insolvente Unternehmen, bis dahin bekannt für eigenwilliges Design und gelobt für seine Motorenkooperation mit Mercedes-Benz. Die Motoren sind heute längst hausgemacht, der ungewöhnliche Auftritt blieb – auch beim ersten Produkt unter dem neuen Dach: dem Ssangyong Tivoli. Wir fuhren ihn mit Dieselmotor, Allradantrieb und Automatikgetriebe in der Top-Ausstattung „Sapphire“.
Von den Maßen und Gewichten her, gehört der Ssangyong Tivoli in die Golf-Klasse, vom Konzept als sehr kompaktes SUV her sieht Ssangyong ihn eher als B-Klasse. Und in der Tat fühlt er sich auch als großes Kleinwagen-SUV an. Beim Raumangebot bietet der Tivoli Polo-Niveau. Nur der Kofferraum ragt mit 423 Litern darüber hinaus. In der Flexibilität nehmen sich die beiden nichts. Der Tivoli kann mit unterschiedlichen Sitzkonfigurationen bis zu 1.115 Liter Ladung schaffen, solange alles zusammen nicht mehr als rund 450 Kilogramm wiegt. Bei der Zuladung übt er sich also – wie viele Asiaten – in Bescheidenheit.
Dafür fällt das Ambiente für Fahrer und Passagiere umso üppiger aus. Hochglänzendes Schwarz und mattes, silberfarbene Plastikverzierungen in matt und strahlender Chrom – es herrscht kein Mangel an Effekten unter der verbindenden Wrap around-Line von der einen B-Säule zur anderen. Die klassischen Rundinstrumente im Blickfeld des Fahrers lassen sich unterschiedlich hinterleuchten – für die Jugend, wie Ssangyong sagt. Jugendlich-sportlich fällt auch das dicke, unten leicht abgeflachte Lederlenkrad mit seinen Funktionstasten aus.
Die Ledersitze geben leistungsbereiten Fahrern mehr Seitenhalt als ihr Aussehen erwarten lässt. Bei deren elektrischer Verstellung fehlt leider die Möglichkeit, die Neigung der Sitzfläche zu verändern. Auch lässt sich das Lenkrad nicht weit genug herausziehen. Beides führt bei großen Menschen zu einer auf Dauer unkomfortablen Haltung mit frei stehenden, angewinkelten Beinen und gestreckten Armen. Asiaten sind eben meist kleiner als Europäer. Aber kleinere Europäer haben es gut im Tivoli, auch wegen der ausgewogenen Federung, die sich auch von kurzen Stößen nicht davon abbringen lässt, Komfort zu bieten.
Die Servolenkung lässt sich in drei Stufen (Normal, Komfort, Sportmodus) auf die Geschwindigkeit einstellen. Ebenfalls in drei Stufen – Eco, Power und Winter – lässt sich der Charakter des Tivoli beeinflussen, wobei man sich durch den Begriff „Power“ nicht irritieren lassen sollte. Der 1,6-Liter-Diesel leistet 115 PS und bietet der Sechs-Gang-Automatik 300 Newtonmeter Drehmoment für den rund 1,6 Tonnen schweren Tivoli an, was für eine Beschleunigung in 13,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h reicht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt gut über 170 km/h. Auf der Straße zählt der Tivoli also nicht zu den Temperamentbolzen. Dafür sorgen recht kurze Überhänge, akzeptable Böschungswinkeln und ein automatisch zuschaltender Allradantrieb für Beweglichkeit abseits des Asphalts. Unser Exemplar verfügte sogar über eine Differenzialsperre für schwereres Gelände.
Das technische Rüstzeug reicht vom LED-Tagfahrlicht über eine komplette Ausstattung mit Airbags und Standard-Assistenzsystemen bis hoch zum Notbrems-Assistenten, Geschwindigkeitsregelanlage, Sieben-Zoll Touchscreen mit Audio-Funktion und Rückfahrkamera sowie Freisprechanlage und Tom-Tom-Navigation. Für Komfort sorgen unter anderem beheizbare und belüftete Vordersitze, eine Zwei-Zonen-Klimaanlage und ein Audiosystem mit MP3-Player und iPod-/ iPhone Konnektivität.
Im Vergleich zu anderen Dieseln im B-Segment arbeitet der Tivoli-Selbstzünder schwingungsarm, aber lauter, auf einem Niveau, das natürlich bei höheren Geschwindigkeit von den anderen Fahrgeräuschen überdeckt wird. Das Verhalten von Lenkung, Automatik, Bremsen und Fahrwerk bleibt im Rahmen – eben unauffällig.
Was man vom Außendesign allerdings nicht behaupten kann. Schon im Innenraum, aber noch viel mehr beim Äußeren ließen die Designer keine Chance für eine Kante aus. Vorn lässt er eine gewisse Nähe zum Evoque erkennen, hinten zeigt er Anklänge an die hochgezogenen und breiten Schultern eines Juke, alles unterstrichen von schärfen Linien. Der Tivoli zeigt sich im Design ebenso eigensinnig wie seine Vorfahren, aber viel stimmiger und konsequenter.
Die Preise beginnen für den Ssangyong Tivoli mit Frontantrieb und Handschaltung in der einfachsten Ausstattung „Chrystal“ bei 15.490 Euro für den Benziner. Wer sich für einen „Sapphire“ mit Dieselmotor, Allradantrieb und Automatik entscheidet, muss mindestens 26.990 Euro berappen. In dem Preis ist fast alles enthalten bis auf Metallic-Lackierung (500 Euro), Tom-Tom-Navi (600 Euro), ein elektrisches Schiebedach (1.000 Euro) oder ein Bi-Color-Paket (600 Euro). Beim Preis wie bei seinen Fähigkeiten trifft sich der Tivoli mit einigen Wettbewerbern. Für ihn spricht im Vergleich mit denen der Allradantrieb, der im B-Segment selten anzutreffen ist. Der Rest ist Geschmacksache.