Parksensoren und Rückfahrkamera sicheres Navigieren. Über den Abstand zu umliegenden Hindernissen wird zentimetergenau im Display informiert. Lederpolster, Licht- und Regensensor, Xenon-Scheinwerfer, Zwei-Zonen-Klimaautomatik, WLAN-Bereitschaft und Audio-Anlage bieten standesgemäße Annehmlichkeiten. In den „Autopilot-Komfortmerkmalen“ (+2.700 Euro) sind nicht nur Einparkautomatik und Totwinkel-Assistent verwirklicht, sondern auch die Fähigkeit, das Auto bei reizarmer Langstreckenfahrt weitgehend sich selbst zu überlassen. Die Sensorik steuert auf Anforderung Tempo und Abstand zum Vordermann, erkennt Fahrspur-Markierungen und hält den Wagen auch bei Kurvenfahrt auf Kurs. Zwar kann das Auto so tatsächlich selbstständig fahren, doch wer in dieser Situation Neigung zeigt, das Lenkrad loszulassen, wird vom Computer sanft an seine Pflichten erinnert.
Um den Namen des Fahrzeugs „Tesla Model S P90D“ vorzulesen, vergehen etwa drei Sekunden. Hat man gleichzeitig kräftig aufs „Gas“-Pedal getreten, sind beim Buchstaben „D“ schon 100 km/h erreicht. Niedergeschrieben klingt das entspannt, erlebt ist es schier atemberaubend. Mit 1,12-facher Erdbeschleunigung – das hat ein Fachmagazin mal gemessen – werden die Insassen in die Sitze gepresst. Porsche-Besitzer sind den Tränen nah, ungewarnte Beifahrer schlagen mit dem Hinterkopf an die Nackenstütze. Ihre Reaktionen kann man auf Youtube sehen. Nicht vergessen: Die Fuhre wiegt samt Insassen fast 2,5 Tonnen! Die Bezeichnung, die sich der Hersteller für den maximalen Beschleunigungsmodus ausgedacht hat, ist deshalb nicht übertrieben: „Insane“ (Wahnsinn).
Weil jeweils ein Elektromotor auf Vorder- und Hinterachse wirkt, hat das Spitzenmodell gegenüber heckgetriebenen Fahrzeuge erhebliche Traktionsvorteile. Ohne spürbaren Leistungsabfall geht es geradewegs bis auf 130 oder 150 km/h, nur von einem prägnanten Pfeifen begleitet und dem, was Reifen und Fahrbahn an Schall erzeugen. Erst jetzt machen sich Windgeräusche bemerkbar, die mit weiter steigendem Tempo aber kaum noch zunehmen. Ab 200 km/h ist die Verbrauchskurve eine nahezu senkrecht verlaufende Linie, ab Tempo 240 färbt sich die digitale Stundenkilometer-Angabe rot ein. Ohne äußere Zeichen der Anstrengung jagt das Model S souverän gen Horizont.
Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass allzu häufiges Ausleben des Beschleunigungs-Wahnsinns die Reichweite enorm reduziert, ein Stromverbrauch von 600 Wattstunden (Wh) je Kilometer ist keine Seltenheit. Die Anpassung an allgemeine Verkehrs-Gepflogenheiten erlaubt jedoch einen Verbrauch von etwa 180 bis 220 Wh pro Kilometer. Der Monitor hilft dabei, den Spaß nicht zu übertreiben. Ein großes Kurvendiagramm zeigt in Echtzeit an, was aus den Zellen gesaugt wird. Bei diesem Test waren es im Schnitt 24 kWh je 100 Kilometer Strecke. Eine solche Reichweite am Supercharger nachzuladen, die Tesla-Fahrer kostenfrei nutzen können, kostet etwa 15 bis 20 Minuten Zeit.
Der Einfluss winterlicher Temperaturen auf die Reichweite scheint gering. In den einschlägigen Foren berichten langjährige Tesla-Fahrer von keinen signifikanten Mehrverbräuchen durch Nutzung von Heizung oder Sitzklimatisierung. Wohlige Wärme wird deutlich schneller erreicht als bei herkömmlichen Pkw, die erst den Wasserkreislauf hochfahren müssen. Das Aufladen an der Haushalts-Steckdose ist allerdings eine mühsame Angelegenheit, wenngleich dies schonender für den Akku ist als der Supercharger. Um 100 Kilometer zusätzlichen Aktionsradius zu gewinnen, können – wie beim Testfahrzeug – am Hausnetz schon mal zwei Stunden vergehen. Außerdem reagiert die Bordelektronik sensibel auf etwaige vertauschte Pole des Schuko-Steckers. Doch offenkundig hat Tesla-Motors Fehlleistungen der Model-S-Fahrer einkalkuliert: Der telefonische Notfall-Service ist auch abends und am Wochenende erreichbar.
Die Erwartung an einen üppig dimensionierten Raumgleiter stellt das Model S in vollem Umfang zufrieden. Selbst auf den Rücksitzen herrscht vorbildliche Beinfreiheit. Allerdings sind die Sitze sehr tief angebracht, um unter dem flach abfallenden Dach genügend Kopffreiheit zu garantieren. Deshalb müssen die Fondpassagiere einen recht spitzen Kniewinkel hinnehmen. Für sportliche 3300 Euro kann man das Auto zum Siebensitzer machen. Das aufklappbare Gestühl ist mit wenigen Handgriffen einsatzbereit und Kindern gefällt es, im „Kofferraum“ entgegengesetzt zur Fahrtrichtung unterwegs zu sein. Dass die Polster für Erwachsene nicht taugen, sagt schon die Gewichtsbeschränkung auf 30 Kilogramm. Allen Insassen kommt die serienmäßige Luftfederung zugute, die Bodenfreiheit kann zwischen 120 und 163 Millimetern variiert werden.
Fazit: Alles, was von einer behaglichen Luxus-Limousine erwartet werden darf, erfüllt das Model S von Tesla. Das Problem dieses Autos liegt weder beim Antrieb, noch in Fahrkomfort oder Ausstattung. Es liegt auf der Landkarte. Zwar baut der Hersteller sein eigenes Ladenetz zügig aus, doch das Stromzapfen wird noch lange nicht so einfach sein, wie das von Benzin. Wer mit einem Model S liebäugelt, braucht nicht nur das nötige Kleingeld, sondern auch Zuversicht in den Ausbau der Infrastruktur. Bis dahin müssen Fahrten klug geplant werden, dann wird es an der Freude am Stromern nicht fehlen.
hebu
Mai 25, 2016 um 6:50 pm UhrEs ist schon toll, wie sich die Technik der Elektroautos entwickelt hat. Müssen es aber unbedingt 777 PS sein? Allein die 262 PS des Frontmotors sollten doch für den Alltagsbetrieb ausreichend sein. Das würde die Produktionskosten sicher senken. Wieviel Ladezyklen verträgt ein solcher Lithiumionenakku?
Was ist eigentlich mit der Brennstoffzelle? Um diese ist es sehr still geworden.