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Egal ob Kleinwagen, Luxuslimousine, SUV oder Sportwagen, zwei Anforderungen muss jedes Automobil erfüllen: Komfort für die Passagiere gewährleisten und dynamische Leistungsfähigkeit, als Grundvoraussetzung für die aktive Sicherheit. Beide Anforderungen unter einen Hut zu bringen, ist Aufgabe des Fahrwerks. Das Problem für die Entwickler: Die technischen Voraussetzungen für beide Profile widersprechen sich. Den Kompromiss zu finden, der beiden Anforderungen in höchstem Maß gerecht wird, entspricht einer Quadratur des Kreises.
Die Räder jedes Fahrzeugs sind die einzigen technischen Bauelemente, die den direkten Kontakt zur Fahrbahn herstellen. Nur die Verbindung zwischen Fahrzeug und Fahrbahn ermöglicht es, alle Kräfte zu übertragen, die eine Fortbewegung erst ermöglichen: Dazu zählen Beschleunigung, Verzögerung und Richtungsänderung. In Kurven gewährleistet der Fahrbahnkontakt, dass das Fahrzeug den Fliehkräften widerstehen kann und sicher seine Bahnen zieht. Verliert ein Rad auch nur für den Bruchteil von Sekunden den Kontakt zur Fahrbahnoberfläche, büßt es augenblicklich die Fähigkeit ein, Kräfte zu übertragen.
Jede Unebenheit vom Steinchen bis zum Schlagloch regt das Rad zum „Abheben“ an. Eine zentrale Aufgabe des Fahrwerks besteht darin, das abgehobene Rad so schnell wie möglich quasi einzufangen und wieder auf die Oberfläche zu drücken. Dabei muss das Fahrwerk das Abheben, beziehungsweise Ausfedern des Rad sozusagen “ sanft einfangen“ ohne dass sich der damit verbundene Ruck als spürbarer Schlag auf das Fahrzeuginnere überträgt. Das empfinden die Passagiere als unangenehm, beziehungsweise unkomfortabel.
Bei Sportwagen formuliert der Zielkonflikt zwischen Komfort und hoher Dynamik eine besondere Herausforderung für die Entwickler von Fahrwerken. Für Porsche kennt der Aufwand zur Lösung der Quadratur des Kreises quasi keine Grenze. Der schwäbische Sportwagenspezialist weist nicht ohne Stolz darauf hin, dass seine Sportwagen für die schnellsten Runden innerhalb des Wettbewerbs auf Rennstrecken ebenso befähigt sind, wie für eine entspannte Geschäftsreise von Hamburg nach München.
„Ein Rennfahrzeug verwirklicht die reinen Anforderungen an Fahrdynamik ideal“, erklärt Eberhard Armbrust, verantwortlich für die Fahrdynamik der Sportwagen-Baureihen Cayman, Boxster, 911 und 918 Spyder bei Porsche. „Bei Rennfahrzeugen spielt Komfort keinerlei Rolle. Deshalb sind ihre Fahrwerke kompromisslos in Richtung größtmögliche Haftung in Kurven und optimale Kraftübertragung bei Beschleunigung und Verzögerung entwickelt.“ Dies gewährleistet hauptsächlich eine Kombination aus harter Federung, geringer Dämpfung, extreme Steifigkeit des Chassis, breite, profillose Reifen und geringes Gewicht.
Auf der Straße schränkt diese konsequente Ausrichtung die Alltagstauglichkeit entsprechend ein. „Um die zu gewährleisten, feilen wir ständig an Kompromissen“, so Armbrust. Die Komplexität dieser Kompromisssuche beschreibt er am Beispiel eines Details: „Beim Rennfahrzeug realisieren wir möglichst steife Verbindungen zwischen Karosserie und Fahrwerk. Bei einem Serienauto führt eine solche Lösung unter anderem zu inakzeptablen Komforteinbußen, alleine bei der Geräuschentwicklung. Somit ist ein elastisches Element für die Entkoppelung der starren Verbindung erforderlich. Die dadurch hergestellte Elastizität beeinträchtigt jedoch die Fahrdynamik.“
Je höher die Leistung, desto anspruchsvoller formuliert das Fahrwerk seine Herausforderungen an die Entwickler. Bei einem Porsche 911 Turbo S muss es 412 kW/560 PS sicher verwalten. Beim 918 Spyder sind es sogar 652 kW/887 PS. Da diese Fahrzeuge jedoch in sechsstelligen Preisregionen angesiedelt sind, dürfen die Entwickler entsprechend tief in die Kiste technischer Komponenten greifen. So verteilen Hochleistungssportwagen, auch bei Ferrari oder Lamborghini, ihre immensen Antriebskräfte zunehmend via Allradantrieb auf die Straße. Porsche hat zudem eine Lenkung für die Hinterachse entwickelt, die erstmals beim aktuellen 911 Turbo zum Einsatz kommt. Ebenso einstellbare Aerodynamikelemente. Je schneller das Auto unterwegs ist, desto mehr Druck generiert das System auf die Achsen, den sogenannten „Abtrieb“.
Unterstützung erhalten die Fahrwerksentwickler auch von Außerhalb. Die rasante Entwicklung bei elektronischen Steuerungen erlaubt es, immer leistungsstärkere Assistenzsysteme zu entwickeln. Die Schwaben kombinieren beispielsweise mehrere dieser Systeme zum sogenannten „Porsche Stability Management“ (PSM). Es stabilisiert das Fahrzeug im Grenzbereich durch gezieltes Abbremsen einzelner Räder. Es umfasst weitere Funktionen wie ABS (Antiblockiersystem), ASR (Antriebsschlupfregelung), MSR (Motorschleppmomentregelung) und ABD (Automatisches Bremsendifferential) sowie Bremsassistent und Anfahrassistent. Die Regelintervalle erfolgen dabei in Bruchteilen von Sekunden. Um dem Fahrer die Möglichkeit zu geben, die Leistungsfähigkeit an die aktuellen Bedürfnisse beim Fahren anzupassen, lässt sich das System in zwei verschiedenen Stufen einstellen.+
Die Elektronik erlaubt es auch, Federung und Dämpfung präzise zu regeln. Der Fahrer wählt das entsprechende Programm aus. Eine harte Abstimmung, wenn er ein paar schnelle Runden auf der Nordschleife des Nürburgrings riskieren will, eine komfortorientierte, für die Geschäftsreise über ein paar hundert Autobahnkilometer. Stolz sind die Schwaben zudem auf ihre mechanische Quersperre für die Hinterachse. Die sogenannte „Porsche Torque Vectoring Momentenverteilung“ (PTV) verbessert durch gezielte Bremseneingriffe am kurveninneren Hinterrad Lenkverhalten und Lenkpräzision.
Mit seinem komplexen Fahrwerkspaket schraubte der 918 Spyder den Rundenrekord für Serienfahrzeuge auf der Nordschleife des Nürburgrings im September 2013 auf 6.57 Minuten. Das entspricht einem Schnitt von 179,5 km/h für die 20,8 Kilometer des Kurses mit seinen 73 Kurven und 300 Meter Höhenunterschied.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 07.08.2014 aktualisiert am 07.08.2014
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