Es ist noch gar nicht lange her, da haben hartgesottene PS-Junkies über eine Rennserie mit Elektroautos nur müde gelächelt. Doch die rasenden Stromer haben die Kurve gekriegt und drehen auf den schönsten Rennstrecken der Welt ihre Runden. Vorwiegend in Großstädten wie Peking, Buenos Aires, London oder auch Berlin macht die Formel E Werbung für den alternativen Antrieb.
Und das Konzept kommt prima an. Die nahezu lautlosen Boliden sind auf dem besten Weg, sich im Herzen der Motorsport-Fans den Platz der Nummer zwei hinter der "Königsklasse" Formel 1 zu erobern. Dagegen sind einst etablierte Serien wie das Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) ein Auslaufmodell. Die Zuschauer laufen davon, und neue Hersteller sind nicht in Sicht. Seit Jahren schon bilden die deutschen Premium-Marken Audi, BMW und Mercedes eine geschlossene Gesellschaft - das ist nicht gerade unterhaltsam. Auch die ehemals gelobte Nähe zur Serie lässt zu wünschen übrig.
Schaeffler-Technikvorstand Professor Peter Gutzmer bringt es auf den Punkt: "Im klassischen Motorsport ist der Querbezug zur Serie nur noch marginal." Und deshalb engagiert sich der Weltkonzern vom Start weg in der Formel E. Das Risiko hat sich ausgezahlt. Zusammen mit dem Abt-Team, das ebenfalls noch in der DTM engagiert ist, fährt Schaeffler vorneweg und hat den Titel zweimal nur knapp verpasst.
2016 startet die Formel E bereits in ihre dritte Saison - das haben Skeptiker sicher nicht für möglich gehalten. Und im Gegensatz zur DTM stehen Hersteller und Veranstalter offenbar Schlange. Sogar der VW-Konzern ist inzwischen als strategischer Partner mit an Bord. Ein bisschen saubere Luft im Motorsport kann nach "Diesel-Gate" sicher nicht schaden. Der geplante Saisonauftakt könnte ein weiterer Meilenstein für die Serie werden: Das erste Rennen soll im Herzen Hongkongs stattfinden - eine Kulisse wie ein Kunstwerk.
Peter Gutzmer fühlt sich bei der Formel E sogar ein wenig an den Beginn des Automobilbaus erinnert. Wie ist das denn gemeint? "Damals waren Motorsport und Serie noch ganz eng verheiratet. Die Automobil-Pioniere traten mit ihren technischen Lösungen im Wettbewerb an, um zu zeigen, welches Konzept leistungsfähiger ist", erläutert der Schaeffler-Vorstand. Und in der Formel E sammle man Erfahrungen mit Grenzanwendungen und lote damit die Extreme aus. Die Konzepte und Lösungen seien vielleicht nicht direkt in die Serie übertragbar, man könne durch sie aber viel lernen, so Professor Peter Gutzmer.
Ein ganz wichtiger Aspekt darf bei allem Bemühen um technische Innovationen nicht auf der Strecke bleiben. "Motorsport ist Emotion, und die brauchen wir auch in der E-Mobilität. Es fällt gar nicht schwer, sich dafür zu begeistern", sagt der Schaeffler-Vorstand, der selbst bei vielen Rennen vor Ort mitfiebert. Wer einmal ein Formel-E-Rennen gesehen hat, weiß schnell, was Peter Gutzmer meint. Es wird um jeden Zentimeter intensiv gefightet, es gibt zahlreiche Überholmanöver und es ist spannend bis zum Schluss. Die Formel E ist fast geräuschlos aus dem Windschatten bislang bekannterer Serien gefahren.
Doch wie sieht es mit dem Anschub für die Elektromobilität auf dem weltweiten Automarkt aus? Können die Stromer mithilfe der Formel E vielleicht sogar die alte Vision vom Weltauto Wirklichkeit werden lassen? Laut Peter Gutzmer wird es kein Auto geben, das in Asien, den USA und in Europa identisch aufgebaut ist. "Es wird aber sehr wohl Komponenten geben, wie elektrische Achsen, Getriebe oder Motorbauteile, die Weltanforderungen erfüllen und global Verwendung finden", sagt der Schaeffler-Vorstand. Dies sei alles eine Frage der Software.
Damit wären wir dann doch wieder beim Motorsport. Denn neben dem Kampf um Siege und Titel ist die Formel E auch eine Art ein technisches Versuchs-Labor im positiven Sinn. Von Schaeffler kommen in dieser Rennserie beispielsweise der komplette Elektromotor, die Leistungselektronik und der eigens entwickelte Antriebsstrang. Nur siegen müssen die Rennfahrer auch mit den Strom-Boliden immer noch ganz allein.
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